Der zu besprechende Band basiert auf einer Tagung anlässlich des 500sten Todestages Thilos von Trotha und wurde gemeinsam vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde sowie von den Vereinigten Domstiftern zu Merseburg und Naumburg und des Kollegiatstifts Zeitz realisiert. In vier Abschnitten, betitelt mit »Bistümer und Bischöfe«, »Thilo von Trotha: Fürst – Familie – Hochstift«, »Thilo von Trotha: Bischof und Diözese« sowie »Der Merseburger Dom unter Bischof Thilo von Trotha« bieten insgesamt 18 Beiträge ein umfassendes Bild des Merseburger Bischofs.

In seinem einleitenden Beitrag charakterisiert Rainald Becker, nach einer Skizze der geografischen Verfasstheit der Germania Sacra, den spätmittelalterlichen Reichsbischof unter den Gesichtspunkten Bischofswahl und -karriere. Somit bietet Becker einen guten Ausgangspunkt für die folgenden Aufsätze, die stärker das bischöfliche Handeln Thilos in spiritualibus und in temporalibus problematisieren. Enno Bünz fokussiert auf die mitteldeutschen Bistümer und ihre Bischöfe um 1500. Zunächst wird die kirchliche Organisation im mitteldeutschen Raum von deren Anfängen bis zur Reformation dargestellt, dabei wird dem Pfarrsystem besondere Aufmerksamkeit gewidmet.

Im Folgenden werden die Bischöfe, aber auch die Weihbischöfe und die Domkapitel unter prosopografischer Perspektive vorgestellt. Nach den beiden umfassenden einführenden Beiträgen nehmen die von Joachim Schneider und Michael Scholz zwei Kirchenfürsten in den Blick, die zeitgleich zu Thilo von Trotha regierten. Schneider widmet sich dem Mainzer Erzbischof Berthold von Henneberg; er konzentriert sich auf dessen Werdegang und Wirken als Kirchenhirte, Landesherr und Reichspolitiker. Scholz diskutiert, bezogen auf die Regierungszeit des Magdeburger Erzbischofs Ernst von Sachsen, die Formierung der magdeburgischen Landstände in dieser Epoche.

Kurt Andermann eröffnet den Abschnitt über Fürst, Familie und Hochstift mit einer Rekonstruktion des Lebens und Wirkens von Hans von Drott (Trotha), dem jüngeren Bruder des Thilo. Pointiert arbeitet Andermann die Handlungsspielräume Hans’ heraus, die sich diesem als landfremdem Günstling der Pfalzgrafen Friedrich und besonders Philipp boten und die er zu nutzen wusste. Claudia Märtl vermag anhand von Quellenfunden die Zeit des Studiums Thilos in Perugia und Siena um wertvolle Details zu bereichern. So ist zu erfahren, dass Thilo als Student in eine handgreifliche Auseinandersetzung verwickelt war, in der einem Priester eine laesio enormis zugefügt wurde.

Christoph Volkmar und Uwe Schirmer problematisieren das Verhältnis des Merseburger Bischofs zu den Wettinern. Volkmar, der sich auf die Beziehungen zu den Albertinern konzentriert, diskutiert den politischen Handlungsrahmen des Bischofs zwischen den Polen einer tradierten Reichsstandschaft und der faktischen Mediatisierung unter wettinische Schutzherrschaft. Schirmer widmet sich dem Verhältnis Thilos von Trotha zum sächsischen Kurfürsten Ernst. Zunächst zeigt er, prägnant verdeutlicht durch die vom Kaiser dem sächsischen Kurfürsten aufgetragene Belehnung Thilos in der Ratsstube des Dresdner Schlosses, das reale Machtverhältnis der beiden auf. Daran anschließend rekonstruiert Schirmer die persönliche, repräsentative, diplomatische, aber auch militärische Indienstnahme des Bischofs durch den Kurfürsten.

Markus Cottin beleuchtet das Wirken Thilos als weltlicher Landesherr, besonders bezogen auf dessen Wirtschaftspolitik. Auf eine breite Quellenbasis gestützt belegt Cottin, wie Thilo die wirtschaftliche Stärkung der Ämter vorantrieb, die mit einer Zentralisierung und Effektivierung der bischöflichen Einnahmen verbunden war. Alexander Sembdner diskutiert in seinem vielschichtigen Beitrag das Spannungsfeld von Bischof und Bürger. Sembdner gelangt zu dem Ergebnis, dass Thilo von Trotha keine eigenständige Kirchenpolitik betrieb, sondern in der landesherrlichen Kirchenpolitik instrumentalisiert wurde. Gegenüber dem Domkapitel und den Stadträten rechtlich gebunden, war Thilos »Kommunalpolitik« durch Konsens und Kooperation charakterisiert.

Während sich diese Beiträge überwiegend den Temporalia widmen, richtet Peter Wiegand, damit den Abschnitt »Bischof und Diözese« beginnend, den Blick auf die Spiritualia im Pontifikat Thilos von Trotha. In seinem umfangreichen Beitrag behandelt Wiegand die Felder kirchliche Verwaltung, Gerichtsverfassung, Rechtspflege, Benefizienverwaltung, Weihehandlungen, Visitationen und Kirchenreform, Diözesansynoden sowie bischöfliche Statutengesetzgebung. Thilos Bemühungen um eine Normierung der Liturgie, um Bildung und die praktizierte Frömmigkeit (Bruderschaften, Ablässe, Wallfahrten, Devotio moderna) schließen den Beitrag zu den Spiritualia in Thilos Pontifikat ab. Wiegand betont, dass das entsprechende Engagement des Bischofs sehr häufig finanziell, durch einen »ökonomischen Pragmatismus« motiviert war.

Thomas Thibault Döring vermag eindrucksvoll aufzuzeigen, dass Thilo von Trotha, durchaus als Pionier im mitteldeutschen Raum, den Buchdruck in seiner Diözese gefördert hat. Auf Anregung des Bischofs entstanden insgesamt fünf liturgische Drucke. Jörg Richter rekonstruiert anhand von zwei Schatzverzeichnissen aus den Jahren 1480 und 1546 den Domschatz zur Zeit des Bischofs Thilo. Dabei arbeitet er die spirituelle, symbolische und ökonomische Dimension des Domschatzes insgesamt, aber auch der einzelnen Artefakte heraus.

Der Beitrag von Leonhard Helten eröffnet den vierten Abschnitt des Bandes. Er ist dem Merseburger Dom gewidmet. Helten führt aus, dass Thilo von Trotha bei der grundlegenden Neubauplanung von Schloss und Dom zu Merseburg nicht nur die älteren Teile des Merseburger Doms bestehen ließ und in den Neubau einbezog, sondern auch beabsichtigte, Bezug zum ottonischen Vorgängerbau des Merseburger Domlanghauses zu nehmen. Peter Ramm thematisiert ebenfalls das von Thilo begonnene und von dessen Koadjutor und Nachfolger Adolf von Anhalt vollendete Domneubauprojekt. Unter anderem basierend auf einem unbekannten Dombaurechnungsfragment, identifiziert er den Werkmeister mit Bastian Binder und macht das Jahr 1515 als Abschlussjahr des Langhausbaus wahrscheinlich. Peter Ramm und Markus Cottin behandeln das genannte Dombaurechnungsfragment von 1512/1513 in einem eigenen Aufsatz ausführlicher. Anhand dieser Quelle, die im Anschluss an den Beitrag in Edition beigefügt ist, beleuchten sie den Bauprozess und liefern Einblicke in die Merseburger Sozialgeschichte. Richard Günzel (†) rekonstruiert in seinem Beitrag die Biografie und das Wirken des Dombaumeisters und Merseburger Bürgermeisters Hans Mostel. Im abschließenden Aufsatz widmet sich Stefan Bürger dem »unschönen« Netzgewölbe des Merseburger Doms. Bürger zeigt auf, dass durch einen baulich erzwungenen Planwechsel eine ungünstige Grundrissdisposition entstand, die dann wiederum Kompromisse in der Wölblösung erzwang.

Nicht nur die kunst- und bauhistorischen Beiträge des vierten Teils sind mit hochwertigen, farbigen Abbildungen, Fotos und Grundrissen reich illustriert. Ein umfangreiches Register, das Orte und Personen verzeichnet, rundet den sehr gelungenen Band ab.

Zitationsempfehlung/Pour citer cet article:

Stephan Flemmig, Rezension von/compte rendu de: Enno Bünz, Markus Cottin (Hg.), Bischof Thilo von Trotha (1466–1514). Merseburg und seine Nachbarbistümer im Kontext des ausgehenden Mittelalters, Leipzig (Leipziger Universitätsverlag) 2020, 570 S., 85 Abb. (Schriften zur sächsischen Geschichte und Volkskunde, 64), ISBN 978-3-96023-349-7, EUR 80,00., in: Francia-Recensio 2021/1, Mittelalter – Moyen Âge (500–1500), DOI: https://doi.org/10.11588/frrec.2021.1.79494