Die Spanienreise des Abtes Petrus Venerabilis von Cluny gab nicht nur den Anstoß zur ersten lateinischen Übersetzung des Korans; der Abt selbst verfasste im Nachklang drei unterschiedliche Texte, die im vorliegenden Band kritisch ediert und zusammen mit einer französischen Übersetzung abgedruckt sind, leider nicht in synoptischer Präsentation. Auch die Apparate sind aufgeteilt: Der Variantenapparat begleitet den lateinischen, der wesentlich umfangreichere Sachkommentar (einschließlich der Verweise auf mögliche Vorlagen und Parallelen) findet sich beim französischen Text.
Mit besonderem Gewinn liest man die fundierte Einleitung, die die Summe aus langjähriger Forschung zieht. Hier wird zunächst der Autor selbst vorgestellt; im Hinblick auf das islamkritische Corpus ist die Tatsache bemerkenswert, dass Petrus vermutlich nur eine einzige Spanienreise unternahm, wohingegen er wiederholt nach Italien, zweimal nach England und (ebenfalls nur) einmal auch ins Reich reiste. Im Zentrum der Einleitung steht die Kontextualisierung der islamkritischen Werke und das von Petrus angestoßene Übersetzungswerk, das »Corpus Toletanum«. Die Übersetzer um Robert von Ketton, die eigentlich mit naturkundlichen und astronomischen Werken befasst waren, wurden von Petrus entlohnt, damit sie sich dem Text des Korans zuwandten. Die einheimischen Christen Spaniens hatten offenbar über 400 Jahre hindurch keine Notwendigkeit für eine Übersetzung der heiligen Schrift des Islams gesehen, vielleicht auch deshalb, weil manche von ihnen des Arabischen mächtig waren. Die Erklärung für die augenfällige »Verspätung« der Übersetzung liegt also zumindest teilweise in den finanziellen Möglichkeiten Clunys und in der Entscheidung, diese in das gegen den Islam gerichtete Übersetzungswerk zu investieren.
Petrus selbst verfasste im Anschluss an seine Spanienreise insgesamt drei Werke, die unter der Bezeichnung »Refutatio cluniacensis« zusammengefasst werden: die »Summa totius haeresis Sarracenorum«, sodann eine »Epistola de translatione sua«, in der er Bernhard von Clairvaux dazu animieren wollte, auf der Grundlage der von ihm in Spanien gesammelten Materialien eine umfassende »Widerlegung« des Islams zu verfassen. Erst als Bernhard sich diesem Ansinnen verweigerte, sah sich Petrus gezwungen, das von ihm gewünschte, umfangreiche Widerlegungswerk selbst zu verfassen, eben die dritte einschlägige Publikation aus seiner Feder, unter dem Titel »Contra sectam sive haeresim Sarracenorum«.
Alain Galonnier grenzt sich in seiner Einleitung wohltuend von älteren Tendenzen der Forschung ab, die in Petrus den Pionier einer dialogorientierten Haltung gegenüber den Muslimen erkennen wollte. Galonnier macht demgegenüber deutlich, dass es Petrus nicht um Dialog oder Verständigung ging, sondern um Widerlegung und Bekämpfung. Hinsichtlich des Islams verfolgte er also ähnliche Ziele wie gegenüber den Anhängern des heterodoxen Wanderpredigers Petrus von Bruys, die er in seinem Traktat »Contra Petrobrusianos« angriff, um sie zu widerlegen.
Die antimuslimische Ausrichtung des Abtes von Cluny wird auch auf biografische Gründe zurückgeführt: Familienmitglieder waren im Umfeld des Konzils von Clermont 1095 aktiv und in die entstehende Kreuzzugsbewegung eingebunden. Auch Petrus ging es um die Bekämpfung des Islams, was Galonnier aufgrund einer detaillierten Analyse seines Sprachgebrauchs anhand des Wortfeldes aggredior ausführt. Andererseits widerlegt er Behauptungen, die Petrus eine Rezeption der scholastischen Philosophie zuschreiben.
Einleitung, Edition und Übersetzung werden der Forschung zur Auseinandersetzung des Petrus Venerabilis mit dem Islam ein zuverlässiges Instrumentarium bereitstellen können. Weniger kundig zeigt sich der Bearbeiter, wenn es am Rande um Fragen der Reichsgeschichte geht, etwa um die Terminologie des »heiligen« Reiches oder die Titulaturen der frühen Staufer (Konrad III.). Auch hätte man sich bei den Ausführungen zu Petrus Alfonsi eine Berücksichtigung der grundlegenden Arbeiten von Carmen Cardelle de Hartmann gewünscht. Diese Monita können die Verdienste des Bearbeiters aber nicht schmälern. Sie sollten künftig neben der deutschen Übersetzung der »Refutatio cluniacensis« von Reinhold Glei aus dem Jahr 1985 herangezogen werden, dessen Edition der vorliegenden Arbeit als Grundlage diente, auch wenn sein Vorname im Titel falsch wiedergegeben wird.
Zitationsempfehlung/Pour citer cet article:
Wolfram Drews, Rezension von/compte rendu de: Les écrits anti-sarrasins de Pierre le Vénérable. Cultures de combat et combat de cultures. »Summa totius haeresis Sarracenorum – Epistola de translatione sua – Contra sectam sive haeresim Sarracenorum«. Texte émendé de l’édition d’Arnold Glei. Introduction, traduction et annotation d’Alain Galonnier, Leuven, Walpole, MA (Peeters Publishers) 2020, VIII–386 p. (Philosophes médiévaux, 67), ISBN 978-90-4294002-4, EUR 105,00., in: Francia-Recensio 2021/1, Mittelalter – Moyen Âge (500–1500), DOI: https://doi.org/10.11588/frrec.2021.1.79502