In ottonischer und salischer Zeit sind politisch einflussreiche Herrschergemahlinnen keine Seltenheit. Erinnert sei an die Rolle der Kaiserinnen Theophanu und Adelheid nach dem Tod Ottos II., an die Position Giselas neben dem ersten Salier Konrad II. oder an Agnes nach dem Tod Heinrichs III. Die Herrschaftsteilhabe der Frauen, versinnbildlicht in der vielfach genutzten consors‑regni‑Formel, hat nicht zuletzt auch die Forschung dazu veranlasst, sich dieser Kaiserinnen anzunehmen, was sich in zahlreichen kleineren Schriften, teils auch monografischen Ausarbeitungen, niedergeschlagen hat.
Unter Heinrich IV. bricht diese enge Teilhabe der Gemahlin am herrscherlichen Handeln jedoch ab und sollte auch in staufischer Zeit nicht mehr in die zuvor skizzierten Bahnen zurückfinden. Eine Ausnahme bildet hierbei die Ehefrau des Herzogs von Sachsen und späteren Königs und Kaisers Lothar III., Richenza. Die in Magdeburg entstandene Dissertation von Robert Conrad nimmt sich der »historische[n] Sonderstellung« (S. 533) Richenzas an und beleuchtet ihr Leben einerseits hinsichtlich ihrer Teilhabe an der Herrschaft zu Lebzeiten ihres Gemahls sowie über dessen Tod hinaus, andererseits im Hinblick auf das von ihr selbst initiierte sowie ihr darüber hinaus gestiftete memoriale Gedenken.
Conrad verfolgt in seiner Analyse den Anspruch, Richenzas direkten sowie indirekten Einfluss auf die Herrschaft Lothars III. sichtbar zu machen, also einerseits ihre Rolle in der »konkreten Ausgestaltung des Verhältnisses von Fürsten und König« zu beleuchten, andererseits den Stellenwert der über Richenza zustande gekommenen »sozialen und politischen Bindungsformen für die Herrschaftsausübung Lothars III.« (S. 19) zu erhellen. Neben Richenza und ihren tatsächlichen Handlungen steht somit auch der über ihre weitverzweigte Verwandtschaft der Herrschaft Lothars nahegebrachte Personenkreis im Fokus des Interesses.
Nach einer kurzen Einleitung (S. 13–22) sowie vorbereitenden Kapiteln zur Verwandtschaft Richenzas (S. 23–46) und ihrer Zeit als Herzogin von Sachsen (S. 47–68), dem Itinerar Richenzas als Königin und Kaiserin (S. 69–113) und diplomatischen Beobachtungen zu Richenza als Intervenientin (S. 115–163) widmet sich Conrad in weiteren vier Kapiteln der Herrschaftsteilhabe Richenzas zunächst im Reich (S. 165–268), schließlich in Reichsitalien (S. 269–324), ihrem Wirken als Witwe (S. 325–395) sowie Beobachtungen über die memoriale Überlieferung zu ihr (S. 397–503). Der Band schließt mit einer umfangreichen Zusammenfassung der Ergebnisse (S. 505–534), einem im Anhang edierten Brief Papst Anaklets I. an Richenza, einem Quellen- und Literaturverzeichnis sowie einem Personen- und Ortsregister. Die Kapitel selbst weisen zur besseren Veranschaulichung zahlreiche Abbildungen sowie Karten, Tabellen und Statistiken auf.
Im ersten großen Hauptkapitel, der Herrschaftsteilhabe Richenzas im Reich, behandelt Conrad zunächst die Einflussnahme der Königin und Kaiserin auf Lehensvergaben, exemplarisch anhand der Landgrafschaft Thüringen. Dieses Beispiel steht stellvertretend zum einen für die große Leistung des Verfassers, zahlreiche Quellen berücksichtigt und vor der Hinterfragung bestehender Forschungsmeinungen nicht zurückgeschreckt zu haben, weist aber auch auf Probleme hin, die aus einer disparaten Quellenlage unweigerlich resultieren. Die Vergabe der Thüringer Landgrafschaft wird von Conrad umfänglich wiedergegeben und rekonstruiert, um zu resümieren, Richenza habe wahrscheinlich Einfluss auf die Vergabe genommen, das Ausmaß sei hingegen nicht zu bestimmen.
Eine knappere Darstellung hätte an dieser Stelle sicher ausgereicht. Damit aber vorerst der kritischen Worte genug; sie sollen ohnehin die Leistung des Verfassers nicht schmälern. Die folgenden Aspekte um Richenzas Wirken innerhalb der Reichskirche, konkret in Bezug auf die Wiedereinsetzung der Bischöfe von Straßburg und Halberstadt, ihre Rolle im Papstschisma von 1130 sowie ihr Einfluss auf die Lösung des Konfliktes zwischen Lothar III. und den Stauferbrüdern Friedrich und Konrad behandelt der Autor sehr überzeugend. Methodische Herausforderungen ergeben sich, wenn nur eine Quelle entgegen der restlichen Überlieferung von einer Mitwirkung Richenzas berichtet, hinsichtlich der Frage, inwiefern dieser Nachricht ein Vorzug gegenüber den anderen Berichten einzuräumen ist.
Die besondere Rolle Richenzas neben Lothar III. zeigt sich besonders in Reichsitalien, wo sie erstmals auch unabhängig von ihrem Gemahl reiste und Herrschaft ausübte, etwa durch ihren Vorsitz in mehreren Königsgerichten. Conrad rekonstruiert aus wenigen, teils schwer zu interpretierenden und sich in wichtigen Punkten widersprechenden Quellen gekonnt Richenzas Vermittlung einerseits im Konflikt zwischen Papst Innozenz II. und dem Erzbischof von Benevent, andererseits in der Auseinandersetzung zwischen Papst und Kaiser um das Kloster Montecassino bezüglich dessen uneindeutigem Rechtszustand zwischen kaiserlichem und päpstlichem Zugriff.
Sicher zu Recht spricht Conrad zusammenfassend von einer zunehmenden »Arbeitsteilung des Herrscherpaares« (S. 324), die Richenza im Besonderen darauf vorbereitet habe, nach dem Tod Lothars III. 1137 als Witwe bedeutenden Einfluss in Sachsen auszuüben. Da kein Sohn des Kaiserpaares als unmittelbarer Nachfolger zur Verfügung stand, sah sich, so zeigt Conrad auf, Richenza unmittelbar verantwortlich, Einfluss auf die Nachfolgeregelung zu nehmen. Dezidiert rekonstruiert der Verfasser ihren Einsatz für ihren Schwiegersohn Heinrich den Stolzen, schließlich aber auch ihren Schritt, das Königtum des Staufers Konrad III. anzuerkennen.
Das abschließende Kapitel widmet sich einer Übersicht der Memorialüberlieferung um Richenza, auch wenn der Verfasser aus nachvollziehbaren Gründen einräumen muss, nur eine Auswahl an Nekrologien und Memorialbildern berücksichtigt haben zu können. Dennoch kann er zum einen eine reiche Überlieferung abbilden, die über »klassische« Formen memorialer Aufzeichnungen bis hin zu figürlichen Darstellungen Richenzas reicht, zum anderen deutlich machen, inwiefern Richenza selbst oft die Erinnerung an sich und ihren Gemahl zu Lebzeiten initiiert und vorangetrieben hat.
Die Arbeit würdigt eine bis dahin noch zu wenig beachtete Herrscherin mit Sonderstellung im 12. Jahrhundert. Die reiche Quellenauswahl und die intensive Auseinandersetzung mit dem bisherigen Forschungsstand werden sie dabei zum ersten Anlaufpunkt künftiger Forschungsbemühungen in diesem Bereich machen. Dem entgegen stehen nur wenige Beobachtungen. Die zahlreichen Abbildungen tragen sehr zur schnelleren Übersicht und zum Verständnis dargelegter Ergebnisse bei; umso mehr aber hätte sich der Rezensent zu Beginn der Arbeit den einen oder anderen Stammbaum gewünscht, um den weitverzweigten, vom Verfasser sehr detailliert wiedergegebenen verwandtschaftlichen Beziehungen einfacher folgen zu können.
Auch das Itinerar Richenzas birgt, wie der Autor selbst eingesteht, viele Probleme. Aufgrund der Quellenlage gestalten sich die von Conrad rekonstruierten Reisen und Aufenthalte Richenzas wie das Itinerar Lothars III., an dessen Seite die Anwesenheit seiner Gemahlin, wiewohl zumeist gut begründet, so doch nur vermutet werden kann. Dank des bereits zum Supplinburger vorliegenden Bandes der »Regesta Imperii« wäre an dieser Stelle eine etwas straffere Darstellung möglich gewesen.
Zuletzt gestalten sich die von Conrad immer wieder herangezogenen Interventionen Richenzas als Argumentationsgrundlage für darüber hinausgehende persönliche Beziehungen zu weiteren genannten Personen als ein methodisches Problem, dem allerdings die Diplomatik seit zwei Jahrhunderten keine endgültige Lösung entgegensetzen konnte. Entsprechend sei an dieser Stelle nur auf die bestehende, in der Arbeit nicht diskutierte Unsicherheit verwiesen. Diese wenigen Punkte sollen aber den durchweg positiven Eindruck, den das Werk hinterlässt, nicht schmälern.
Zitationsempfehlung/Pour citer cet article:
Matthias Weber, Rezension von/compte rendu de: Robert Conrad, Salus in manu feminae. Herrschaftsteilhabe und Memoria der Kaiserin Richenza (1087/89–1141), Husum (Matthiesen) 2020, 651 p. (Historische Studien, 512), ISBN 978-3-7868-1512-9, EUR 79,00., in: Francia-Recensio 2021/1, Mittelalter – Moyen Âge (500–1500), DOI: https://doi.org/10.11588/frrec.2021.1.79547