Als geistliche Würdenträger mit herrschaftlicher Bedeutung auch in weltlichen Fragen sind mittelalterliche Bischöfe ein Forschungsthema, das viele unterschiedliche Ansatzpunkte erlaubt und angesichts der reichen Auswahl interessanter Beispiele immer wieder inhaltlich vielseitige Sammelbände hervorbringt. Der hier zu besprechende zeigt die Vielfalt der Bischofsforschung mit Blick auf das titelgebende Begriffspaar »Episcopal Power and Personality« auf. Die Herausgeber und die Herausgeberin zeichneten bereits für das 2017 erschienene Werk »Episcopal Power and Local Society in Medieval Europe, 1000‒1400« verantwortlich, das seinerseits die Konferenz zum Thema »Episcopal Personality« und mit ihr den vorliegenden Band anregte.

In der Einleitung, die zugleich vorausblickend auf die folgenden Beiträge und ihre jeweiligen Zugänge eingeht, werden drei zentrale Fragen und damit die wesentlichen Erkenntnisziele der Aufsatzsammlung definiert (S. 3): Untersucht werden soll die jeweilige Persönlichkeit (bzw. der Charakter, z. T. auch umschrieben als »Charisma«) verschiedener Bischöfe und ihr Einfluss auf die Amtsführung; zudem geht es um die Aussagen der Quellen über die Geistlichen und schließlich um Heiligsprechungen von Bischöfen sowie die sie begleitenden, beispielsweise historiografischen und hagiografischen (Neu-)Konstruktionen als kanonisierungswürdig beschriebene Persönlichkeiten.

In teils verschränkter Form finden sich diese Fragen im Aufbau des Bandes wieder, der die in sich jeweils chronologisch gegliederten drei Sektionen »Constructing Episcopal Personalities« (fünf Aufsätze), »Consecrating Episcopal Personalities« (vier Beiträge) und »Politics and Episcopal Personalities« (fünf Aufsätze) umfasst. In geografischer Hinsicht bietet der Band ein weit gespanntes Tableau von Einzelstudien, die (erz-)bischöfliche Akteure von der Iberischen sowie der Apennin-Halbinsel, aus Frankreich, England, dem Reich, Polen, Ungarn, aus Skandinavien und dem Heiligen Land beleuchten, und zeigt damit zugleich die internationale Relevanz bischofsgeschichtlicher Forschungen auf. Zeitlich decken die Aufsätze schwerpunktmäßig das 11. bis 13. Jahrhundert ab, zum Teil auch in übergreifenden Studien, versammeln aber ebenso einige Beiträge, die sich mit der Zeit davor und danach befassen.

Dabei treten unterschiedliche Ansatzpunkte für den thematisch nicht leicht zu greifenden Aspekt der »personality« auf. Andrea Vanina Neyra untersucht im ersten Aufsatz der ersten Sektion beispielsweise die Chronik Thietmars von Merseburg und setzt Thietmar als Bischof und Chronisten mit seinen äußerst kritischen Aussagen zu seinem Vorgänger in Beziehung. Unter dem Titel »Writing Episcopal Courage« nähern sich Radosław Kotecki und Jacek Maciejewski den Bischofsdarstellungen in der ersten mittelalterlichen polnischen Chronik des Gallus Anonymus vom Beginn des 12. Jahrhunderts und im rund 100 Jahre jüngeren, ebenfalls chronikalischen Werk des Magister Vincentius, wobei unterschiedliche Rollenbilder der geistlichen Herrscher in den Blick genommen werden.

Einen anderen Weg wählt Antonio Antonetti, der das politische Programm Bischof Wilhelms II. von Troia untersucht und der Persönlichkeit dieses Oberhirten über dessen repräsentative Zeugnisse nachgeht. Christine Axen konzentriert sich in ihrem Beitrag derweil auf den Aspekt der Bildung und des intellektuellen Vermächtnisses von Bischof Zoen Tencarari von Avignon, während im Fokus von Mercedes López-Mayán zwei von Alfonso Carillo de Acuña, Erzbischof von Toledo, in Auftrag gegebene liturgische Handschriften und daraus zu ziehende Hinweise auf persönliche Interessen des kastilischen Prälaten stehen.

In der zweiten Sektion beleuchtet Mónika Belucz unter dem Titel »Composing a Saint« den heiliggesprochenen Bischof Gerhard von Csanád, einen der ersten Oberhirten des Königreichs Ungarn, und verknüpft einen Blick auf sein vielgestaltiges Wirken mit einer Untersuchung der ihn als Heiligen konstruierenden zeitgenössischen Hagiografien. Die folgenden zwei Beiträge sind englischen Beispielen gewidmet, nämlich Robert Grosseteste und der Ausrichtung seines episkopalen Wirkens (Jack P. Cunningham) und Thomas Becket sowie Thomas de Cantilupe, an denen Ian L. Bass sich verändernde Modelle episkopaler Amtsführung und anschließender Kanonisierung aufzeigt. Sara Ellis Nilsson widmet sich anschließend der Darstellung nicht heiliggesprochener Bischöfe in historio- wie hagiografischen Quellen und kann verschiedene Erzählmuster und Charakterisierungen aufdecken.

Die dritte Sektion wird mit Sam Janssens’ Beitrag zum Gottesfrieden in der Erzdiözese Reims eingeleitet, der die Rolle von Bischöfen in den zeitlich fest geplanten Friedensschlüssen illustriert. Brian A. Pavlac beleuchtet Erzbischof Albero von Trier und die sich ihm stellenden vielfältigen Herausforderungen geistlicher wie weltlicher Art, woran sich ein Blick auf weitere Prälaten nebst Schlüssen auf verschiedene »personality types among German prince-bishops« (S. 239) anschließt. Erzbischof Wilhelm von Tyrus und sein chronikalisches, sich mit Kreuzzügen und den daraus hervorgegangenen Herrschaften beschäftigendes Werk stehen im Mittelpunkt von Andrew D. Bucks Aufsatz, der untersucht, inwieweit Wilhelms Persönlichkeit in seiner Beschreibung des Fürstentums Antiochia aufscheint und diese beeinflusst hat (S. 246).

In das Königreich Kastilien führt der Beitrag von Kyle C. Lincoln, der die Reformen der dortigen Kathedralkapitel am Ende des 12. und am Beginn des 13. Jahrhunderts im Hinblick auf die hierin aufscheinenden Ambitionen und politischen Interessen der beteiligten Bischöfe analysiert. Abschließend fragt Paul Webster unter dem Titel »A Poisoned Chalice?«, welche Auswirkungen es auf den Ruf von Prälaten hatte, wenn sie sich im Umfeld des englischen Königs Johann bewegten.

Insgesamt gesehen bietet der Sammelband somit ein breit angelegtes, internationales Panorama von Fallstudien zu verschiedenen mittelalterlichen (Erz-)Bischöfen, das unterschiedliche methodische Zugriffe und ihre Erkenntnismöglichkeiten präsentiert. Mit einem Register hätte der Band noch leichter nach den verschiedenen behandelten Personen und Bistümern erschlossen werden können; zudem wäre gerade bei einer räumlich wie zeitlich und zum Teil auch methodisch so ausgedehnten Sammlung an Untersuchungsbeispielen zu überlegen, ob neben der ausführlichen Einleitung nicht zusätzlich ein zusammenfassender Beitrag die wesentlichen Argumentationslinien, Ergebnisse und vor allem weiterführenden Fragestellungen hätte bündeln könnte. Ganz deutlich wird mit diesem sehr lesenswerten Band aber einmal mehr, wie umfangreich das Feld der Bischofsforschung ist und dass aus einem geografisch weitgefassten Blick auf europäische Beispiele auch zu einem nicht einfach abgrenzbaren sowie für mittelalterliche Akteure nicht leicht zu untersuchenden Begriff wie der »personality« sehr interessante und weiterführende Ergebnisse erzielt werden können.

Zitationsempfehlung/Pour citer cet article:

Frederieke Maria Schnack, Rezension von/compte rendu de: Peter Coss, Chris Dennis, Melissa Julian-Jones, Angelo Silvestri (ed.), Episcopal Power and Personality in Medieval Europe, 900‒1480, Turnhout (Brepols) 2020, VIII‒303 p., 6 ill. (Medieval Church Studies, 42), ISBN 978-2-503-58500-0, EUR 80,00., in: Francia-Recensio 2021/1, Mittelalter – Moyen Âge (500–1500), DOI: https://doi.org/10.11588/frrec.2021.1.79548