Das komplexe Ereignisgeflecht der Fronde, die Frankreich zwischen 1648 und 1653 in Atem hielt, hat eine reichhaltige Memoirenliteratur hervorgebracht. Besonders die Fronde des princes von 1650–1652, in deren Verlauf der französische Hochadel nochmals zu den Waffen griff, um seinen maßgeblichen Einfluss auf die Regierung zu behaupten, lebt bis heute in autobiografischen Rechtfertigungsschriften weiter, mit denen die Akteure versuchten, ihr eigenes Scheitern zu verarbeiten oder gar mit einer kühnen historiografischen Volte ihre Niederlage in eine Art von Sieg zu verwandeln.

Im Rückblick kam es so zu einer moralischen Aufladung des vergangenen Geschehens, da die Frondeure für sich einen Kampf um die »gute Sache« reklamierten, an dessen Ende sie sich wegen der Ungerechtigkeit der Welt einer Übermacht geschlagen geben mussten. Trotz der allen Memoiren innewohnenden Tendenz zur Verklärung und Selbstrechtfertigung haben die Schriften der Frondeure weiterhin nicht nur als historische Quellen Bedeutung, sondern sie werden zum Teil auch immer noch als literarische Meisterwerke anerkannt, da sie präzise und pointiert eine historische Situation wiedergeben.

Dies gilt besonders für die 1717 publizierten Memoiren des Kardinals de Retz oder die bereits 1662 gegen den Willen des Autors in Amsterdam erschienenen Memoiren von François de La Rochefoucauld, Fürst von Marcillac. Die nachträgliche Bewältigung vergangenen Handelns schärfte den Blick für die Aufschwünge und Abgründe des Humanen schlechthin, so dass der Fürst von Marcillac nicht zuletzt von der deutschen Romanistik als führender Vertreter der französischen »Moralistik« gewertet wurde.

Besiegte richten Fragen an die Geschichte, noch mehr als die Sieger, die sich vom Lauf der Dinge einfach bestätigt fühlen dürfen. Wie schrieb man über die Fronde? Dieser Untersuchung widmen sich, aus sehr unterschiedlichen Perspektiven, die 18 Beiträge des Bandes, die von den Herausgebern in einer substantiellen Einleitung zusammengebunden werden. Warum haben sich in diesem Fall die Geschlagenen nicht zum Schweigen verurteilen lassen? Für den jungen Ludwig XIV. waren diese Ereignisse seiner Jugendzeit jedenfalls traumatisch und belastend, nicht zuletzt wegen des zeitlich und räumlich nahen Geschehens in England, wo der Bürgerkrieg der 1640er Jahre in den Sturz des Königtums und die Hinrichtung des Monarchen mündete (Claire Quaglia).

In der offiziellen Sichtweise war die Fronde eher ein Nichtereignis, allenfalls ein kindliches und trotziges Aufbegehren im Zeichen alter Privilegien. Hatte nicht der bereits 1642 verstorbene Kardinal Richelieu, gegen den sich die Frondeure gleichsam posthum erhoben, den Gehorsam gegenüber der Herrschaft zu einer verstandesgemäßen Handlungsweise erklärt: »L’autorité contraint à l’obéissance, la raison y persuade«1? Voltaire sollte diese Einschätzung der Fronde als ein albernes und beinahe kindisches, vorvernünftiges Aufbegehren gegen den Staat und seine ordnende Macht mustergültig zum Ausdruck bringen (Marc Hersant). Eine Zeitgenossin des Sonnenkönigs, Marie de Nemours, hatte sich diese Ansicht bereits zu eigen gemacht, nach der die Fronde das Chaos und der König die Ordnung verkörperte (Philippe Hourcade, Delphine Mouquin de Garidel). Die abwertende Kritik legte den an ihrer Ehre gekränkten Frondeuren einen Zwang zur Klarheit auf. Wie hatte es so weit kommen können? Aus der Desillusionierung entstand der Wille zu ihrer autobiografischen Geschichtsschreibung.

Die starken Persönlichkeiten der Frondeure, die aber zum koordinierten politischen Handeln nicht in der Lage waren, haben sich auf jeweils unterschiedliche Weise dieser Befragung gestellt. Kardinal de Retz ging sehr grundsätzlich an das Problem des Individuums in der Geschichte heran (Frédéric Briot, Olivier Leplâtre) und fragte entsprechend: Was vermag der Einzelne im Strom der Ereignisse? La Rochefoucauld verlegte sich in der »Apologie du Prince de Marcillac« auf eine juristische Rechtfertigungsstrategie (Christine Pilaud), die auch in seinen Memoiren durchscheint (Éric Tourrette).

Persönlichkeiten aus der zweiten Reihe der Frondeure, wie der im Gefolge des Herzogs von Orléans auftauchende Nicolas Goulas, bemühten sich angesichts eines sinnlosen und blutigen Treibens nachträglich um eine philosophische Betrachtungsweise und betonten überzeitliche humanistische Werte im Geist Montaignes, um sich von der Last der Geschichte nicht brechen zu lassen (Jean Garapon).

Gab es auch eine Fronde der Frauen? Mehrere Beiträge im Band widmen sich dem Bild der Frondeurinnen in der Literatur (Sophie Vergnes, Nadine Kuperty-Tsur). Für die Zeitgenossen lag es nahe, dieses weibliche Engagement in Politik und Krieg in die Nähe der legendären Amazonen zu rücken. Ein aus dem zeitlichen Rahmen gefallener Frondeur war schließlich der Herzog von Saint-Simon, selbst ein großer Memoirenschreiber, der ein Vierteljahrhundert nach den Ereignissen geboren wurde, aber die Werte der Rebellen von 1650 zu teilen schien (Damien Crellier).

Neben den Personen muss es freilich auch um die Ereignisse gehen. Einen ereignisgeschichtlichen Knoten bildete das Gefecht von Bléneau im April 1652, in dessen Verlauf den Frondeuren kein Kriegsglück beschieden war, mit für sie weitreichenden Folgen. Wie bildete sich diese militärische Entscheidung in ihren Memoiren ab (Myriam Tsimbidy)? Die gleiche Frage lässt sich auch für die für den Beginn der Wirren ganz wesentlichen journées des Barricades in Paris, im heißen August 1648, stellen (Christian Jouhaud).

Der Band leistet somit einen wesentlichen Beitrag zur Bewertung und Einordnung der Fronde, regt aber auch zur weiteren Beschäftigung mit der Memoirenliteratur des 17. und des 18. Jahrhunderts an. Laut Saint-Simon handelte es sich um einen »Bürgerkrieg der Zungen« (und erst recht der Federn!), bei dem die nachträglichen Wortgefechte um die Beurteilung des Geschehens den Lärm der Barrikadenkämpfe und der militärischen Scharmützel noch übertönten. Mit ihrem Bemühen, als Besiegte doch noch das letzte Wort zu behalten, haben die Frondeure die europäische Memoirenliteratur um einige besonders eingängige Beispiele bereichert.

1 Françoise Hildesheimer, Le Testament politique de Richelieu ou le règne terrestre de la Raison, in: Annuaire-Bulletin de la Société de l'histoire de France (1994), S. 17–34, hier S. 25.

Zitationsempfehlung/Pour citer cet article:

Thomas Nicklas, Rezension von/compte rendu de: Marc Hersant, Éric Tourrette (dir.), La Fronde des Mémoires (1648–1750), Paris (Classiques Garnier) 2019, 338 p. (Rencontres, 395), ISBN 978-2-406-08616-1, EUR 42,00., in: Francia-Recensio 2021/1, Frühe Neuzeit – Revolution – Empire (1500–1815), DOI: https://doi.org/10.11588/frrec.2021.1.79688