Etwas unbemerkt von der Öffentlichkeit feierte der Parti communiste français (PCF) im Dezember 2020 sein 100-jähriges Bestehen. Die geringe Wahrnehmung lag zum einen an der medialen Dominanz der Corona-Pandemie. Zum anderen ist dies mit dem zunehmenden Bedeutungsverlust der einstmals größten französischen Partei zu erklären. In der letzten Parlamentswahl 2017 erreichte der PCF im ersten Wahlgang nur 2,7%, bei der Wahl zum Europäischen Parlament 2019 2,5% und in der letzten Präsidentschaftswahl stellten die Kommunisten gar keinen eigenen Kandidaten mehr auf, sondern unterstützten mit Jean-Luc Mélenchon den Kandidaten der Linkspartei La France insoumise. Lediglich von der ehemaligen ceinture rouge, dem Ende der 1970er-Jahre fast geschlossenen Gürtel kommunistisch regierter Kommunen um die Hauptstadt Paris, sind einige Gemeinden mit PCF-Mehrheit übrig geblieben1.

Politisch ist der PCF also auf dem Weg in die Bedeutungslosigkeit. Ende Dezember 1920 in Tours gegründet, gehörten die französischen Kommunisten von der Befreiung Frankreichs bis in die 1990er-Jahre zu den größten und einflussreichsten Parteien des Landes. Mehrmals stellten sie nach Wählerstimmen sogar die stärkste Partei, so in den Parlamentswahlen 1945, 1946 (November), 1956 und 1958. Im Gegensatz zu den meisten westlichen kommunistischen Parteien war der PCF auch in der Regierung vertreten, zuletzt als Teil der gauche-plurielle-Koalition unter dem sozialistischen Premierminister Lionel Jospin von 1997 bis 2002. In den 1960er- und 1970er-Jahren erreichte die Partei darüber hinaus eine kulturelle Dominanz unter französischen Intellektuellen.

Der PCF ist ein zentrales Thema der französischen Historiografie. Auf Basis eines liberalen Archivzugangs, noch lebender Zeitzeugen und einer Masse an Sekundärliteratur sind zahlreiche Studien entstanden, die selbst Randthemen des PCF wie die Baugeschichte der Parteizentrale abdecken2. Auch Gesamtdarstellungen, wie die hier besprochene, fehlen dabei nicht. Julian Mischis Monografie ist dabei eine der längsten und jüngsten. Das Buch ist keine originäre Forschungsarbeit, sondern ein Überblickswerk zur Geschichte des PCF, das primär auf publizierter Literatur und eigenen Vorarbeiten beruht. Der Autor ist ein Experte der französischen Kommunismusgeschichte und hat bereits mehrere Studien zum PCF vorgelegt3.

Da der PCF, anders als der Partito Comunista Italiano, (noch) keine abgeschlossene Geschichte darstellt, sondern bis in die Gegenwart eine, im Gegensatz zu vorherigen Jahrzehnten deutlich geschwächte, Kraft im politischen System Frankreichs ist, sind Synthesen, die die Phase seit der Jahrtausendwende mitaufgreifen, wissenschaftlich zu begrüßen.

Mischi konstatiert zu Beginn eine »ambivalence tragique d’un mouvement d’émancipations« (S. 14) für den PCF, dessen Mitglieder große Hoffnungen auf eine gerechtere, freiere und friedvollere Welt mit dem Kommunismus verbanden, dann jedoch häufig schwiegen, wenn es um massive Gewalt in den sozialistischen Diktaturen der Sowjetunion, Chinas und weiteren Staaten ging. Diejenigen, die dagegen protestierten, wurden entweder von der PCF-Führung aus der Partei ausgeschlossen oder traten, wie Emmanuel Le Roy Ladurie nach der Niederschlagung des Volksaufstands in Ungarn 1956, freiwillig aus. Auf der anderen Seite stellte der PCF, zumindest zeitweise, eine progressive Kraft dar, die soziale und gesellschaftliche Reformen forderte, unterstützte und umsetzte. Entsprechend differenziert beschreibt Mischi die Entwicklung des PCF.

Er wählt dabei einen besonderen methodischen Zugang, indem er eine »histoire sociale des engagements communistes« (S. 19) und keine klassische Parteigeschichte schreiben will. Dieser Schwerpunkt wird bereits im Titel deutlich: Nicht »Kommunistische Partei«, sondern »Partei der Kommunisten« steht dort. Mischi fokussiert demnach mehr auf die Mitglieder und die kommunistische Bewegung als auf die Partei, die dadurch heterogener erscheint als in anderen Gesamtdarstellungen. Er geht entsprechend nicht von der Spitze in Person des mächtigen Generalsekretärs aus, sondern konzentriert sich auf häufig vernachlässigte Aspekte wie die lokale Ebene, Gendergeschichte, Immigranten im PCF und den Zusammenhang zwischen Gewerkschaftsengagement und Parteimitgliedschaft. Demnach liegt der Schwerpunkt deutlich auf dem Verhältnis von französischer Gesellschaft und Kommunistischer Partei.

Kritisch anzumerken ist, dass dieser Fokus zulasten der Außenbeziehungen der Partei geht. Die internationale Bedeutung des PCF ging weit über die Beziehungen bzw. Nicht-Beziehung zur KPdSU hinaus. Im Zuge des Eurokommunismus beispielsweise erreichte die Partei zusammen mit den italienischen, spanischen und kleineren kommunistischen Parteien eine hohe internationale Strahlkraft, die jedoch bald verblasste und in die Rückkehr zu einem orthodoxen Verständnis des Marxismus-Leninismus mündete. In diesem Kontext wären Ausführungen über das Verhältnis zu den Reformkommunisten in Spanien und Italien, aber auch die Einschätzung der Nelkenrevolution in Portugal wichtig gewesen. Mischi fokussiert jedoch fast ausschließlich auf die innenpolitische Rolle des PCF und dessen Verhältnis zur Sowjetunion.

Im Hinblick auf die ansonsten gelungene Bottom-up-Perspektive ist zu kritisieren, dass nicht deutlich wird, warum einst mehrheitlich kommunistisch wählende französische Arbeiterinnen und Arbeiter seit Mitte der 1980er-Jahre in hohem Maße dem rechtsextremen Front national (seit 2018 Rassemblement national) ihre Stimme geben. Positiv wären mehr Abbildungen gewesen. Die Geschichte des PCF hat auch eine eigene visuelle Geschichte (Wahlplakate u. a.), die sich auf die hohe Anzahl von Künstlerinnen und Künstlern zurückführen lässt, die der Partei nahestanden oder, wie Pablo Picasso, Mitglied waren4.

Julian Mischi wartet nicht mit spektakulären Neuinterpretationen oder Thesen auf, schafft aber eine gut lesbare, dichte Zusammenfassung von 100 Jahren kommunistischer Geschichte in Frankreich. Positiv hervorzuheben sind der umfangreiche Index, die Chronologie und die Bibliografie, die alle zentralen französischen Werke, jedoch kaum englische und keine deutschen, spanischen oder italienischen Studien zum PCF aufführt. Julian Mischi hat ein Standardwerk zum Verständnis der internen Entwicklung des PCF, seiner Sozialstruktur und der innenpolitischen Rolle der Partei bis in die Gegenwart verfasst, während die Außenbeziehungen des PCF stärker hätten betont werden können.

1 Vgl. Benjamin Monnet, En Île-de-France, la banlieue rouge se serre la ceinture, in: https://www.liberation.fr/politiques/2019/10/09/en-ile-de-france-la-banlieue-rouge-se-serre-la-ceinture_1755396 (Abruf 1.2.21).
2 Vanessa Grossman, Le PCF a changé! Niemeyer et le siège du Parti communiste (1966–1981), Paris 2013.
3 Julian Mischi, Servir la classe ouvrière. Sociabilités militantes au PCF, Rennes 2010; Emmanuel Bellanger, Julian Mischi (Hg.), Les Territoires du communisme. Élus locaux, politiques publiques et sociabilités militantes, Paris 2013; ders., Le Communisme désarmé. Le PCF et les classes populaires depuis les années 1970, Marseille 2014.
4 Vgl. Lucie Fougeron, Propagande et création picturale. L'exemple du PCF dans la guerre froide, in: Sociétés & Représentations 12 (2001/02), S. 269–284.

Zitationsempfehlung/Pour citer cet article:

Nikolas Dörr, Rezension von/compte rendu de: Julian Mischi, Le parti des communistes. Histoire du Parti communiste français de 1920 à nos jours, Marseille (Hors d'atteinte) 2020, 720 p., 1 ill. (Faits & idées), ISBN 978-2-490579-59-4, EUR 24,50., in: Francia-Recensio 2021/1, 19.–21. Jahrhundert – Histoire contemporaine, DOI: https://doi.org/10.11588/frrec.2021.1.80031