Lange Zeit hat man den böhmischen König Johann von Luxemburg vor allem als ebenso umtriebigen und verschwenderischen wie letztlich erfolglosen Vater eines größeren (und haushälterischeren) Sohnes betrachtet. Erst in den letzten drei Jahrzehnten hat sich die Forschung verstärkt darum bemüht, Persönlichkeit und Herrscherhandeln des ersten luxemburgischen Böhmenkönigs jenseits solcher Wertungen genauer zu untersuchen. Einen wichtigen Ausgangspunkt dieses Unterfangens stellen einschlägige Forschungen an der Universität Luxemburg dar. Auf den in diesem Rahmen erschlossenen Quellenbeständen beruht auch ein wichtiger Teil der hier vorzustellenden Münchener Dissertation von Johannes Abdullahi.

Der Verfasser hat es sich zum Ziel gesetzt, einen Kernbereich von Johanns Herrscherhandeln neu auszuleuchten und besser zu verstehen: seinen »je nach Perspektive sehr verschwenderische[n] oder großzügige[n] Umgang mit Geld« (S. 20). Gerade die böhmischen Chroniken werfen dem Luxemburger vor, das Königreich finanziell ausgesaugt zu haben, um seine »in Gallien und am Rhein« aufgehäuften Schulden zu bezahlen (S. 7), während literarische Zeugnisse aus dem französischen und niederländischen Raum die Freigebigkeit des Königs preisen. Die ältere Forschung begründete mit diesen Belegen ihr letztlich negatives Urteil über den prunkliebenden Verschwender Johann.

Abdullahi schlägt demgegenüber vor, das Finanzgebaren des Luxemburgers nicht auf der Grundlage moderner politischer Rationalitätspostulate zu bewerten. Gemessen an den Maßstäben der Zeitgenossen seien Johanns »auffälliges politisches Agieren im Allgemeinen und […] [sein] große[r] Geldbedarf im Besonderen« (S. 19) keineswegs als dysfunktional zu verstehen. Vielmehr stelle sein Umgang mit Geld eine Reaktion auf die »strukturellen Herausforderungen« dar, die sich aus »seinem Status als Kaisersohn« sowie seiner Stellung »als gleichzeitiger Landesherr von Böhmen und Luxemburg« ergaben (S. 19).

Um diese These zu erhärten, nimmt Abdullahi drei Aspekte in den Blick. Zum einen analysiert er die Funktion der höfischen Feste und Turniere, die der Luxemburger in Böhmen, Frankreich sowie im Westen des Reiches veranstaltete (S. 48–130). Zum anderen untersucht er dessen »Zuwendungen für rheinische ›Hansel‹« (S. 131–150) und vergleicht diese in einem knappen Ausblick mit Johanns Einnahme- und Ausgabepraxis in Böhmen (S. 150–163). Mit dem Begriff der »rheinischen ›Hanseln‹« (Rinenses henkini) greift der Verfasser eine polemische Formulierung aus der Autobiografie Karls IV. auf, in der dieser (potenzielle) Geldzahlungen seines Vaters an »rheinische« Unterstützer geißelt (S. 131). Im kurzen letzten Untersuchungskapitel rückt Abdullahi die unter Johann erstmals erfolgte Prägung böhmischer Goldmünzen in den Fokus (S. 264–293). Ein knapper Überblick über »das konträre Urteil der narrativen Quellen« bildet das Fundament der Untersuchung (S. 35–47), die mit einem pointierten Resümee schließt (S. 294–303). Auf dieses folgen nach Quellen- und Literaturverzeichnis noch vier Anhänge: 1. eine Übersicht über 22 (fast immer historiografisch nachgewiesene) Feste und Turniere des Luxemburgers (S. 334f.); 2. ein prosopografischer Nachweis von Beziehungen zwischen Johann und weiteren Adligen, die in drei literarischen Texten gemeinsam mit ihm auftreten (S. 335–338); 3. eine »Rangliste der höchsten Manngeldbeträge«, die Johann im Rahmen der Herstellung neuer Lehnsbeziehungen gezahlt hat (S. 338); sowie 4. ein Verzeichnis der nachweisbaren Vasallen und Burgleute Johanns.

Es sei an dieser Stelle vorweggenommen, dass Abdullahis Werk wichtige Einsichten in die Rahmenbedingungen spätmittelalterlicher Herrschaft vermittelt und der Verfasser an vielen Stellen abgewogen und reflektiert argumentiert. Auch hält der Rezensent dessen Grundthese insgesamt für plausibel. In der Tat dürfte Johanns Politik ebenso wie sein herrscherlicher Umgang mit Geld durch die strukturellen Herausforderungen geprägt sein, die sich aus der Zweiteilung der luxemburgischen Herrschaft ergaben. Zugleich ist sehr wahrscheinlich, dass sich der Kaisersohn (und König!) gerade in seiner linksrheinischen Heimat mit anderen Erwartungen konfrontiert sah als »normale« Fürsten und Herren und deshalb auch anders auftreten konnte (und musste).

Gleichwohl hat sich der Rezensent während der Lektüre der ersten Hälfte des Buches immer wieder gefragt, ob die Prämisse der ganzen Untersuchung – nämlich die Annahme eines besonders ausgabeträchtigen Finanzgebarens König Johanns – nicht auf einer quellenkritisch unzulässigen Extrapolation aus relativ wenigen narrativen Zeugnissen beruht. Wie der Verfasser ausführt, ist keine Rechnungsüberlieferung erhalten, anhand derer wir die tatsächlich getätigten Ausgaben zumindest teilweise nachvollziehen könnten (S. 41). So bleibt zunächst nur der Rekurs auf historiografische und literarische Quellen. Deren Blick auf Johanns Finanzen ist freilich einem übergeordneten Darstellungsinteresse verpflichtet: Wer den König loben will, preist ihn für seine Freigebigkeit; wer ihn tadeln will, der geißelt Verschwendung und Schuldenmachen. Aber stellt Johann deshalb einen finanzpolitischen Ausnahmefall dar? Gegen die dem Rezensenten besser vertrauten französischen Könige sind regelmäßig dieselben Vorwürfe erhoben worden – und mit Münzmanipulationen, Einführung neuer Abgaben und weiteren Umtrieben, die man Johann zur Last legte (S. 10), kannten sie sich ganz gewiss aus.

Da nun der tatsächliche Umfang von Johanns Ausgaben nicht verlässlich abzuschätzen ist, hat der Verfasser die Lehnsurkunden des Böhmenkönigs ausgewertet. Tatsächlich hat Johann eine große Zahl von Geldlehen ausgegeben, für die im Gegenzug meist Allod aufgetragen wurde. Im Blick auf diese Belehnungen kann man daher zumindest teilweise nachvollziehen, in welche Kanäle Johanns Geld geflossen ist. Das einschlägige Teilkapitel 4.3 (»Die ›Hansel‹ und ihre Zuwendungen in den Lehnsurkunden«) (S. 177–250) weitet sich dabei zu einer multiperspektivischen Untersuchung von Johanns »rheinischem« Lehnshof – und ab hier findet der Rezensent Abdullahis weitere Untersuchungen ausgesprochen interessant. Deren Ergebnisse können nur auszugsweise referiert werden. Verglichen mit anderen lokalen Hochadligen gab Johann tatsächlich sehr große Summen für Geldlehen aus; der Verfasser zieht zum Vergleich die von Spieß untersuchten Pfalzgrafen bei Rhein heran, die in 200 Jahren nur etwa halb so viel Geld dafür aufwandten wie Johann in seiner Lebenszeit (S. 198). Ausweislich der Lehnsurkunden dienten Johanns Geldlehen weniger dem Anwerben neuer Unterstützer als vielmehr der Investition in bereits bestehende politisch-soziale Verbindungen; insofern kann man die Vergabe der Lehen mit Abdullahi durchaus als Akt der Freigebigkeit deuten. Schließlich nutzt der Verfasser die Untersuchung von Johanns Lehnsbeziehungen auch zu einer Auseinandersetzung mit einem gängigen Narrativ der Territorialisierungsforschung, demzufolge die feodale Durchdringung der spätmittelalterlichen Herrschaftswelten unter dem Druck der werdenden Landesherren erfolgte. Abdullahi kann demgegenüber plausibel machen, dass die jeweiligen Lehnsauftragungen ebenso den Interessen der Vasallen wie denen des Herrn entsprachen – ja dass wichtige Elemente der luxemburgischen Territorialisierungspolitik wie der Ausbau des antitrierischen Festungsriegels weniger auf Johann selbst als vielmehr auf die durch »das aggressive Vorgehen des Erzbischofs […] bedrängten Adligen« der Region zurückzuführen seien (S. 248).

Es gelingt Abdullahi zu zeigen, dass Johanns Investitionen in sein »rheinisches« Netzwerk zwar nicht dem Idealbild einer strikten Territorialisierung entsprechen, aber gerade vor dem Hintergrund zeitgenössischer Wertmaßstäbe keineswegs als dysfunktional zu bezeichnen sind. Im »Ausblick« des vierten Kapitels wendet der Verfasser den Blick dann noch einmal zurück nach Böhmen und fragt, ob dort vergleichbare Praktiken der Herrschaftsintegration zu beobachten seien. Lehnsbeziehungen sind in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts noch kaum nachweisbar. Wie aber müssen die zahlreichen Verpfändungen gedeutet werden, die Johann in Böhmen vornahm? Könnte es sinnvoll sein, diese analog zur Geldlehensvergabe weniger als Ausdruck unsolider Finanzpraktiken denn als »freigebige« politische Integrationstechnik zu verstehen, die es dem König ermöglichte, sich mächtige Unterstützer zu verpflichten? Zumindest an einem Beispiel kann Abdullahi aufzeigen, dass es oft wohl nur auf die Perspektive ankam, ob ein Herrscher Königsgut durch Verpfändung verschleuderte oder für die Krone zurückgewann. So rühmt sich Karl IV. in seiner Autobiografie, dass es ihm gelungen sei, eine ganze Anzahl der von seinem Vater verpfändeten Burgen wiederzuerlangen (S. 252). Hinsichtlich der davon betroffenen Burg Pürglitz lässt sich indes urkundlich nachweisen, dass Karl diese nur auslöste, um sie nebst einer weiteren Besitzung seinen eigenen Geldgebern zu verpfänden (S. 255). Was Karl von seinem Vater unterscheidet, ist also wohl weniger das tatsächliche Vorgehen als vielmehr die Art der (Selbst-)Darstellung.

Nicht nur mit dieser Beobachtung leistet Abdullahi einen wichtigen Beitrag zur Dekonstruktion gängiger Narrative über Johann von Böhmen. Das Buch sei daher lebhaft zur Anschaffung empfohlen – auch deshalb, weil der Verfasser an mehreren Stellen einen kundigen Überblick über aktuelle Arbeiten zu Johann gibt und mit seinen Ergebnissen zugleich deutlich macht, dass dieser Gegenstand noch lange nicht »ausgeforscht« ist.

Zitationsempfehlung/Pour citer cet article:

Georg Jostkleigrewe, Rezension von/compte rendu de: Johannes Abdullahi, Der Kaisersohn und das Geld. Freigebigkeit und Prachtentfaltung König Johanns von Böhmen (1296–1346), Luxembourg (CLUDEM) 2019, 368 S., 8 Abb. (Publications du CLUDEM, 47), ISBN 978-2-919979-34-9, EUR 39,00., in: Francia-Recensio 2021/2, Mittelalter – Moyen Âge (500–1500), DOI: https://doi.org/10.11588/frrec.2021.2.81693