Beim vorliegenden Buch handelt es sich um eine Übersetzung des »Epitaphium Arsenii« des Paschasius Radbertus, auch bekannt unter dem Titel »Vita Walae abbatis Corbeiensis et Bobiensis«, eines in Dialogform abgefassten, in zwei Bücher geteilten Epitaphs auf Abt Wala von Corbie und Bobbio (auch genannt Arsenius), das lediglich unikal1 überliefert ist. Das »Epitaphium« ist eine der zentralen Quellen für die Herrschaft Ludwigs des Frommen, dessen Bild vom sich (angeblich) vollziehenden Niedergang des Reiches bis heute Einfluss auf die Historiografie hat. Realisiert wurde die Übersetzung in einem Kooperationsprojekt von Mayke de Jong, der führenden Expertin für Paschasius Radbertus und das »Epitaphium Arsenii«, und dem Philologen für Mittellatein Justin Lake, seines Zeichens Spezialist für frühmittelalterliche Literatur. Die an Studierende wie Lehrende gerichtete Übersetzung ist als Teil der »Manchester Medieval Sources Series« erschienen.

Die gut lesbare, sich jedoch stellenweise wiederholende Einleitung bietet einen guten Überblick über das »Epitaphium« und seine Geschichte. Vor dem Hintergrund der Biografien Walas und Radberts führt sie in die unterschiedlichen Hintergründe der beiden Bücher des »Epitaphium« ein und weist auf den erheblichen Einfluss dieser Biografien auf die inhaltlichen Schwerpunkte der beiden Bücher sowie die Charakteristika ihrer sprachlichen Gestaltung hin. So widmet sich das nach dem Tod Walas 836 entstandene erste Buch dessen Ausbildung und Aufstieg. Die Rebellionen gegen Ludwig den Frommen werden dagegen weitgehend ausgeklammert und Wala als Ideal eines Mönches und Abtes dargestellt. Das zweite Buch wiederum umfasst die Zeit von den späten 820er Jahren bis zu Walas Tod, stellt die Rebellionen ins Zentrum und war wohl als Streitschrift gegen Walas Gegner intendiert.

Den Einstieg in das »Epitaphium« erleichtern die Ausführungen zu Radberts Entscheidung, die Bücher in Dialogform abzufassen und für die von ihm beschriebenen Personen sprechende Pseudonyme zu benutzen: So wird Ludwig der Fromme zu Justinian, die von Radbert abgelehnte Kaiserin Judith zu Justina, einer Gegnerin des Ambrosius von Mailand, Lothar I., dem Wala nach Italien folgte, zu Honorius, dessen Erzieher wiederum ein gewisser Arsenius war. Wichtig für die Einordnung der Übersetzung sind die Ausführungen zu Sprache und Stil Radberts: Vollkommen zurecht wird auf die Schwierigkeiten von Radberts Sprache2 hingewiesen, die auf den ausweichenden Stil des ersten Buches, Radberts zahlreiche literarische Anspielungen sowie die Verfremdung der Ereignisse durch Umschreibungen, den Gebrauch von Pseudonymen und fehlende chronologische Indikatoren zurückzuführen sind.

Ergänzung findet die Einleitung durch eine Reihe weiterer nützlicher Hilfestellungen in Form von Stammbäumen, Karten und einer hilfreichen Zusammenstellung von Kurzbiografien, welche die Entschlüsselung der im »Epitaphium« verwendeten Pseudonyme auch unabhängig von der Einleitung möglich macht. Den Einstieg in die Forschungslandschaft erleichtert ein umfangreiches Quellen- und Literaturverzeichnis, in das neben der englischsprachigen auch eine erfreuliche Zahl einschlägiger französisch- und deutschsprachiger Arbeiten Eingang gefunden haben und in welches neben den einschlägigen Editionen auch die englischen Übersetzungen aufgenommen wurden (angemerkt sei der Lapsus, für die »Annales Bertiniani« auf die Freiherr-vom-Stein-Ausgabe statt auf die Edition von Félix Grat, Jeanne Vielliard und Suzanne Clémencet zu verweisen).

Knapp gehalten ist der Index, der neben Personen und Orten auch von Radbert zitierte Werke und Bibelpassagen sowie Schlüsselereignisse, -begriffe und -themen umfasst. Hervorragend ist schließlich der umfangreiche, der Übersetzung in Form von Fußnoten beigegebene Kommentar: Neben Hinweisen zur Einordnung von Personen und Ereignissen sowie für die Interpretation des Textes gibt er auch Erläuterungen zur Herkunft von Zitaten und Passagen, oft mit Zitierung des Originaltextes (immer wieder auch mit dessen Übersetzung). Darüber hinaus finden sich hier auch wiederholt Anmerkungen zur Dümmlerschen Edition des Quellentextes.

Das »Epitaphium Arsenii« zu übersetzen ist, wie die Anmerkungen zu Radberts Sprache deutlich gemacht haben sollten, eine Herausforderung. Wie bei jeder Übersetzung ist auch hier zwischen möglichst großer Nähe zum Originaltext und Lesbarkeit in der Zielsprache abzuwägen. Mayke de Jong und Justin Lake scheinen – tatsächlich fehlt es in der Einleitung an einer Darlegung der Übersetzungsrichtlinien – den Fokus auf die Zielsprache zu legen, was einerseits dem Verständnis hilft, gelegentlich aber auch den Wortlaut der Quelle zu verschleiern droht. Ein Beispiel mag dies verdeutlichen: Das lateinische Original lautet: [Paschasius:] Fortassis ergo et tu ita infectus plurium infamiis, ut non queas de hoc aliam iam recipere fidem, quem plures ita laniant, et vulgi imperitia conrodit. [Adeodatus:] Nonne recolis illud Catonis, quod multi multa locuntur, et ideao rara est fides? (ed. Dümmler, S. 31).

De Jong und Lake (S. 82) übersetzen dies mit »Paschasius: Perhaps you, too, have been so tainted by many people’s accusations that you cannot believe anything else about this man, who is so maligned by many and abused by the ignorance of the masses. – Adeodatus: Don‘t you recall the saying of Cato that many people say many things, and for this reason trust (fides) is hard to come by?«

Verloren geht hier die Verwendung von fides bei Paschasius, die in der Erwiderung des Adeodatus von den Übersetzern als zentraler Begriff durch den Verweis auf den Terminus des Originaltextes noch hervorgehoben wird. Dies sind allerdings die (unlösbaren) Probleme, die mit jeder Übersetzung einhergehen, und schmälert keineswegs die durchweg hohe Qualität der Übersetzung, die die ältere von Allen Cabanniss3 ablöst.

Dies führt zum Abschluss noch zu einem Kritikpunkt: Die »Manchester Medieval Sources Series« verzichten leider darauf, ihren Übersetzungen den lateinischen Text beizugeben. Dies ist dank der Digitalisierung zu verschmerzen, ist doch der edierte Text häufig in digitaler Form nur einen Klick entfernt. Leider jedoch versäumen es de Jong und Lake mitzuteilen, welche Ausgabe ihrer Übersetzung zugrundeliegt. Verweise auf Korrekturen gegenüber der Edition Dümmlers (etwa S. 51, Anm. 15; S. 93, Anm. 190; S. 105, Anm. 242 mit Verweis auf eine bessere Lesart bei Mabillon) deuten auf diese hin, während die erste Fußnote der Übersetzung auf die Handschrift selbst rekurriert.

Die Kapiteleinteilung folgt, wie auch bereits Dümmler, der Ausgabe von Mabillon. In der Übersetzung selbst ist, wiederum sehr hilfreich, die Paginierung der Dümmlerschen Edition angegeben. Dies weist auf die intensive Auseinandersetzung des Übersetzerteams mit der Handschrift und ihren Editionen hin und macht das Fehlen von Ausführungen zu diesen umso unverständlicher. Das mindert nicht den großen Wert der Übersetzung, auf die man gern zurückgreifen wird, erschwert allerdings die Arbeit mit dieser auf unnötige Art und Weise.

1 Paris, Bibliothèque nationale de France, ms. lat. 13909. Das Werk wurde ediert von Ernst Dümmler, Radbert's Epitaphium Arsenii, Berlin 1900. In: Abhandlungen der Königlichen Preußischen Akademie der Wissenschaften zu Berlin 2 (1899/1900), S. 1-98.
2 Vgl. auch ebd., S. 8f.: »Seine Rede ist oft dunkel, schwerfällig und hart, bisweilen incorrect.«
3 Charlemagne's Cousins. Contemporary Lives of Adalard and Wala. Translated by Allen Cabaniss, Syrakus 1967, S. 83–223.

Zitationsempfehlung/Pour citer cet article:

Horst Lößlein, Rezension von/compte rendu de: Paschasius Radbertus, Confronting Crisis in the Carolingian Empire. Paschasius Radbertus’ Funeral Oration for Wala of Corbie. Translated and annotated by Mayke de Jong and Justin Lake, Manchester (Manchester University Press) 2020, 264 p., 2 maps (Manchester Medieval Sources), ISBN 978-1-5261-3484-4, GBP 19,99., in: Francia-Recensio 2021/2, Mittelalter – Moyen Âge (500–1500), DOI: https://doi.org/10.11588/frrec.2021.2.81704