Diese Studie über die Pariser Exilzeitschrift »Die Zukunft« stellt eine enorme Forschungsanstrengung dar; sie erfasst in mehr als 700 Seiten die Zeitschrift selbst sowie die Lebensläufe und weitere Entwicklung ihrer Beiträger (seltener Beiträgerinnen) über fast ein Jahrhundert. Die Autorin stellt die verbindende Linie mit dem Thema Europa her.
Den sehr langen Zeitraum erklärt die Verfasserin so: Die älteste in der »Zukunft« vertretene Bewegung, der katholische Sillon, sei 1899 gegründet worden, während die Impulse, die von der »Zukunft« ausgingen, gewissermaßen mit der Eröffnung des erstmals direkt gewählten Europäischen Parlament im Jahre 1979 in eine Vollendung mündeten, repräsentiert in der Person der »Zukunft«-Beiträgerin Louise Weiss. Im Verlauf der Arbeit wird indes deutlich, dass die Autorin die gesamte Vorkriegs-, Kriegs- und Nachkriegsgeschichte von Personen aufrollt, die in der »Zukunft« engagiert waren, als Beiträger oder als Unterstützer der Deutsch-Französischen Union. Damit spannt sie den Rahmen ihrer Arbeit sehr weit. Am Ende des Werkes stehen über 100 Seiten Tabellen mit den zusammengefassten Lebensläufen. Dagegen gibt es leider keinen Namenindex; er wäre fürwahr zu Orientierung in der enormen Textmasse nützlich gewesen! Es ist für den Rezensenten nicht immer leicht sich zurechtzufinden. In der Fülle der Lebensläufe und der politischen Vorgänge ertrinken denn auch die großen Linien.
Diese kritischen Bemerkungen sollen den umfangreichen Ertrag der Studie indes nicht schmälern. Annette Grohmann-Nogarède hat in einer großen Zahl von Archiven in verschiedenen Ländern gearbeitet. Hierdurch wird wohl zum ersten Mal die internationale Verzweigung der »Zukunft« und der ihr zugehörigen Deutsch-Französischen Union deutlich. Auch macht die Verfasserin wichtige Einzelergebnisse ausfindig, so Informationen, die »Zukunft«-Chefredakteur Werner Thormann im amerikanischen Exil mitteilte: so sei die Zusammenarbeit des früheren roten Pressezaren Willi Münzenberg mit dem Katholiken Thormann von außen auferlegt gewesen (S. 122), nämlich vom französischen Außenministerium angeregt.
Gleichwohl lässt sich eine politische und ideologische Linie erkennen, die aus der Fortsetzung des Bündnisses der Arbeiterbewegung mit aufgeschlossenen Liberalen und Christen bei gleichzeitiger anti-stalinistischer Wendung, also ohne die KP, resultiert. Es handelte sich um eine revidierte, jetzt antitotalitäre Volksfront nach der Volksfront von 1935/1936. Hinzu kommt die europäische Orientierung, die indes sehr viel mehr vom Chefredakteur Werner Thormann als von Willi Münzenberg verkörpert wird.
Die Arbeit breitet dabei eine Unzahl von Informationen aus, besonders zum Exil, von denen viele bereits bekannt sind; es wäre nicht immer unbedingt nötig gewesen, sie noch einmal zu referieren. Wohl nie zuvor allerdings ist die internationale Vernetzung der Zeitschrift und der mit ihr verbundenen europäischen Bewegung so detailliert geschildert worden. Die überaus verzweigten historischen Zusammenhänge legt Annette Grohmann-Nogarède frei, die ideengeschichtlichen Aspekte kommen allerdings wiederholt zu kurz. Der Rezensent war denn doch verblüfft zu sehen, dass in der Vorstellung der Forschungsarbeiten zum Thema weder die Studien von Anne-Marie Corbin-Schuffels über Manès Sperber (1996) – die Verfasserin arbeitet mit dem jüngeren Buch von Olivier Mannoni über Sperber (2004) – noch die Arbeiten des Rezensenten über die »Zukunft«, über Paul-Ludwig Landsberg und die deutsch-französischen Dritten Wege (1999, 2001) auftauchen; auch die Arbeiten von Ulrich Bröckling und Karl Prümm über Linkskatholiken fehlen, wie auch die Ergebnisse des Münzenberg-Kongresses der Rosa-Luxemburg-Stiftung von 20151. Diese Arbeiten hätten der Autorin insbesondere bei der ideengeschichtlichen Aufschlüsselung geholfen. Sowohl bei den »Renegaten« des Kommunismus (nur ein Beispiel: die Bedeutung von Theorien Alfred Adlers für Sperber) wie bei den Nonkonformisten (hier besonders die personalistische Denkform etwa von Landsberg, Thormann und Siegfried Marck) hätten solche Aspekte es erlaubt, das besondere Profil der Zeitschrift offenzulegen.
Bestimmte Strömungen – linker und personalistischer Katholizismus; die dritte Linke zwischen reformistischer SPD und stalinisierter KPD, also der ISK (Internationaler Sozialistischer Kampfbund), Neu-Beginnen, die KPO und SAPD; die Renegaten der KP wie Münzenberg und Sperber – hätte die Verfasserin systematischer erfassen können. Für die dritte Linke zwischen reformistischer Sozialdemokratie und KP wäre beispielsweise ein Blick auf die Autobiografie von Hans Mayer nützlich gewesen.
Unterbelichtet ist auch die mehrheitlich geteilte Ablehnung oder doch Skepsis gegenüber der Parteiendemokratie, wie sie für den in der »Zukunft« breit vertretenen Nonkonformismus charakteristisch ist. Die Verdächtigungen eines Zeev Sternhell mögen zu pauschal sein, die Frage ist, ob man Zweifel und Kritik an diesen Positionen ganz übergehen kann. Annette Grohmann-Nogarède erfasst zwar Anhänger des katholischen Ständestaats (die Autorin nennt Klaus Dohrn; auch der Beiträger Joseph Roth und der junge Kogon, den die Autorin erst im Kontext des Nachkriegs erfasst, gehören in diese Richtung). Aber auch in der Gruppe um Münzenberg (Walter Oettinghaus) und bei den Personen des Spektrums der dritten Linken (Richard Löwenthal, Anna, Hans und August Siemsen) bestanden erhebliche Widerstände gegen den Reformismus der SPD und gegen die liberale Parteiendemokratie. Auch Personalisten wie Thormann, Marck, Landsberg und Emmanuel Mounier hegten Vorbehalte gegen das liberale System, den ihm zugrundeliegenden Begriff des Individuums und das kapitalistische Wirtschaftssystem.
Nicht wirklich hervorgehoben ist, wie unterschiedlich ausgeprägt der Schock des Hitler-Stalin-Pakts war (S. 230): Münzenbergs Ausruf »Der Verräter, Stalin, bist Du!« wird von Sperber und Arthur Koestler geteilt. Aber andere wie Richard Löwenthal hatten nie an Stalin und die bolschewistische Sowjetunion geglaubt. Löwenthal erscheint im Buch mit Münzenberg, Sperber und Koestler bei den Renegaten (S. 219), dabei kam er von Neu Beginnen. Auch Landsberg wie Thormann waren schon immer gegen die bolschewistische Spielart des Kommunismus eingestellt. Thormann ist bestimmt nicht »centre-droit« (S. 233), sondern personalistischer Linkskatholik, der bereits zusammen mit Walter Dirks in der »Rhein-Mainischen Volkszeitung« für die sozialstaatliche Demokratie, auch für die Verstaatlichung der Banken und der Schwerindustrie eintrat. Der Begriff »personalistisch« kommt in der Arbeit vor, ist aber weder erklärt noch unterschieden vom Begriff »christdemokratisch«. Dies gilt auch für den vereinzelten Hinweis auf »non-conformiste« (S. 197). Dass zu dieser Orientierung nicht nur die beiden personalistischen Gruppen Esprit und L’Ordre Nouveau gezählt werden, sondern auch Vertreter der Jeune Droite bzw. Konservativen Revolution, die etwa ständestaatliche Konzepte propagierten, wird nicht deutlich. Mit Paetel war ein nationalrevolutionärer Vertreter des Nonkonformismus in der Zukunft tätig.
Es arbeitete eine erhebliche Anzahl von Nonkonformisten, gekennzeichnet durch die Opposition zur liberalen Parteiendemokratie, am Projekt »Die Zukunft« mit. Die Verfasserin setzt Personalismus mit L’Ordre Nouveau, und vor allem mit Mounier von der »Esprit«-Bewegung gleich. Sie thematisiert indes nicht die irritierende Tatsache, dass die Personalisten des Ordre Nouveau nicht am Projekt der »Zukunft« teilnahmen, obwohl Denis de Rougemont und Alexandre Marc prominente Theoretiker des föderalen Europas sind. Sie legt auch nicht die deutsch-französische Dimension, etwa Landsbergs Übertragung von personalistischen Konzepten frei, die der »Esprit«-Chef Mounier aufgriff. Dagegen taucht Mounier bei den keynesianischen Liberalen auf (S. 105), ein Widersinn.
Einige Formulierungen sind missverständlich und tragen zu schwammigen Aussagen bei. Dafür ein Beispiel auf Seite 184: »Landsberg participe au Collège de sociologie […] avec les personnalistes de la revue ›Esprit‹ … Les manifestations du Collège […] sont fréquentées par Drieu La Rochelle et Walter Benjamin.« Hier wird das Lesepublikum in die Irre geführt. Landsberg und Benjamin haben zwar beide an Sitzungen des Collège de sociologie teilgenommen, beide sprachen sich freilich gegen dessen nietzscheanische Orientierung aus. Mit dem Faschisten Drieu gibt es überhaupt keine Gemeinsamkeit.
Dagegen war die europafreundliche Orientierung durchweg Konsens, und zwar mehrheitlich die föderale Variante. Für Thormann war die europäische Föderation das Gebot der Stunde (S. 267), so im letzten Heft der »Zukunft« (siehe auch das Thormann-Zitat Seite 595). Allerdings verbergen sich hinter diesem Begriff sehr große Unterschiede. Die Autorin selbst erwähnt (S. 491), dass auf Thormanns Liste für Politiker Nachkriegsdeutschlands Walter Dirks von der früheren linkskatholischen Rhein-Mainischen Volkszeitung und inzwischen Redakteur der Frankfurter Hefte (S. 502) stand. Dirks war Mitgründer der CDU, aber diese CDU war noch eine andere. Dies hebt die Verfasserin auch hervor (S. 507). Eugen Kogon hingegen, auch er Redakteur der »Frankfurter Hefte«, war kein christdemokratischer Freund von Thormann, er war bis 1938 ständestaatlich orientiert.
An anderer Stelle benutzt die Autorin den Begriff »christdemokratisch« zu unspezifisch. Georges Bidault vom christdemokratischen Mouvement républicain populaire (MRP), von der Verfasserin als »personnaliste« (S. 452) gekennzeichnet, gerät in den 1950er Jahren ins ultrarechte Fahrwasser und damit in Gegnerschaft zu den Personalisten von »Esprit«. Ideengeschichtliche Defizite zeigen sich auch in der einseitigen Darstellung des Personalismus, die Informationen bezieht die Verfasserin nur von »Esprit« (S. 513), etwa von Jean-Marie Domenach.
Antikapitalistische und antiliberale Elemente kamen bei Christen von rechts (Ständestaat) und von links vor. Der Propagandist des Ständestaats Klaus Dohrn veränderte indes seine Orientierung, wie auch Kogon. Da ein gewisser Antiliberalismus zur Grundausstattung der »Zukunft« gehört, ist der Bezug zum Ordoliberalismus nicht erwartbar. Bei der Vorstellung des Ordoliberalismus (S. 509) fehlt allerdings das entscheidende: die freie Preisbildung, wenig Staat, kein Protektionismus, Abbau der Zölle, die unerlässliche Konkurrenz. Dass der frühere Mitarbeiter von »Esprit« und »Zukunft« Daniel Villey sich der neoliberalen Société du Mont Pèlerin anschließt (S. 586), ist dabei sehr untypisch.
Die Verfasserin stellt dankenswerterweise Personen, insbesondere Fürsprecher des föderalen Europas heraus, die ungerechterweise in Vergessenheit geraten sind, so Anna Siemsen (S. 316f., 466). Dagegen findet der tragische Lebenslauf ihres Bruders Hans, Kinospezialist und in der »Zukunft« verantwortlich für die Berichterstattung über den Widerstand in Nazi-Deutschland, so wenig nähere Erwähnung wie der des zweiten Bruders August: der frühere Reichstagsabgeordnete war für die »Zukunft« Berichterstatter aus Südamerika. Auch die Informationen über Aktionen von Mitarbeitern der »Zukunft« in Großbritannien und den USA während des Krieges dürften neu sein. Hier schält sich eine gemeinsame Tendenz in den Konzeptionen für ein Nachkriegsdeutschland heraus, die gegen die Kollektivschuldthese eines Robert Vansittart gerichtet waren und gegen die Zerlegung Deutschlands argumentierten.
In der Darstellung des »nouveau monde politique« nach 1945 (S. 444) unterscheidet die Autorin nicht reale Neugründungen wie den Europarat und die NATO von den Konzepten und Wünschen der Beiträger der »Zukunft«. Während der Europarat Vorstellungen von Nonkonformisten eher entgegenkam, war dies bei der NATO eher nicht der Fall.
Die Beiträger der »Zukunft« hatten es immer wieder schwer während der Trente Glorieuses bzw. der Wirtschaftswunderzeit. Manès Sperber taucht im Kapitel über den Wiederaufbau Frankreichs auf (S. 451), dann auch im Kapitel über den Wiederaufbau Westdeutschlands. Seine antitotalitäre Zeitschrift »Umschau« wurde als zu links verboten, bezeichnenderweise von einer Regierung unter Beteiligung von Bidaults MRP (S. 500). Hier wünscht sich der Leser mehr Informationen.
Ähnliche Spannungen kennzeichnen Konflikte zwischen dem Congress for Cultural Freedom (CCF, S. 527) und Intellektuellenbündnisse wie dem Rassemblement démocratique révolutionnaire von David Rousset und Jean-Paul Sartre (S.527), die in das Auseinanderbrechen in ein antitotalitäres und ein kommunismusfreundliches Lager (»Esprit«, »Les Temps modernes« von Sartre) mündeten. Der antitotalitäre CCF war freilich keine Veranstaltung rechter Antikommunisten, denn der wegen seiner verheimlichten Subventionierung durch die CIA in Verruf geratene antitotalitäre Kongress kämpfte auch gegen Mc Carthy. Viele Autoren der »Zukunft« fanden sich in antitotalitären Organisationen wieder, die Linkskatholiken von »Esprit« (S. 593) hingegen lehnten den Antikommunismus ab. Ihr antikapitalistischer und anti-amerikanischer Affekt war stärker als der anti-sowjetische. Dies bedeutet faktisch: frühere Beiträger wurden Gegner. Annette Grohmann-Nogarède kommt erst auf Seite 533f. auf den »philocommunisme« von Sartre zu sprechen. Ob Sartre in den CCF zu integrieren gewesen wäre (»occasion manquée« heißt es auf S. 539), wagt der Rezensent denn doch zu bezweifeln.
In Hinblick auf das Frankreich der Nachkriegszeit spielt nicht nur der andauernde Vertrauensverlust der überkommenen Parteien – von MRP, SFIO bis Parti Radical – eine Rolle bei der fortgesetzten Heimatlosigkeit von früheren Mitarbeitern der »Zukunft«. Sie wurden auch in den anderen Mainstreams der Zeit, dem Parti communiste und dem gaullisme (S. 568), nicht heimisch. Die Autorin weist allerdings auf die Aufnahme von Impulsen der »Zukunft« in der »deuxième gauche« hin, die die Sozialisten von der SFIO herausforderte. Ihr Ziel, ein vereintes Europa mit gemischter Wirtschaftsordnung, mit einem starken Sozialstaat und auch Elementen der Selbstverwaltung, fand besonders in Frankreich und Großbritannien ein Echo.
Angesichts dieser ideengeschichtlichen Gemengelage hätte man viele Beiträger der »Zukunft«, nicht zuletzt die deutschen, nach dem Krieg eher in einem Zwischenfeld – zwischen den Befürwortern der Verwestlichung und den Anhängern einer Volksdemokratie mit planwirtschaftlichen Elementen – vermutet. Einige wie Karl Otto Paetel auch in einem Raum zwischen liberaler Demokratie und Konservativer Revolution. Dies ist aber mehrheitlich nicht so. Bemerkenswert an den Lebensläufen nach 1945 ist in der Bundessrepublik die Distanz von Ludwig Marcuse, Richard Löwenthal und Herbert Weichmann zum Pazifismus, zur Frankfurter Schule und zur 68er-Bewegung (S. 572). Ein verblüffendes Fundstück bietet Frau Grohmann-Nogarède mit der weitgehend unbekannten Vorgeschichte der FAZ, an der Otto Klepper und Babette Gross (S. 502ff.), die Witwe Münzenbergs, teilhatten. Es kann kein Zweifel daran bestehen, dass frühere Mitarbeiter der »Zukunft« zu Galionsfiguren der Verwestlichung wurden.
Entsprechend müssten Wandlungsprozesse in den Blick kommen und es müsste analysiert werden, ob es sich hier eher um eine atlantische oder eine europäische deutsch-französische, kontinentaleuropäische Orientierung handelte. Überhaupt erscheint der Geschichtsverlauf in der Studie allzu sehr als Einlösung der in der »Zukunft« vertretenen Vorstellungen, eine positive Selffullfilling Prophecy gewissermaßen. Dies trifft aber nicht für alle zu. Die Verfasserin erwähnt selbst Werner Thormanns Hinweis auf die »Frankfurter Hefte« von Thormanns früherem Kollegen Dirks, die sehr skeptisch gegenüber der Westorientierung und der Wandlung der CDU in eine marktwirtschaftlich orientierte Partei waren. Auch Mouniers Zeitschrift »Esprit«, wenn auch für die deutsch-französische Aussöhnung engagiert, war doch ähnlich wie die »Temps modernes« von Sartre philokommunistisch und antiamerikanisch eingestellt.
Viele Impulse, die den Europa-Konzeptionen eine ethische, manchmal auch religiöse Grundlage geben, gingen in den vom Wirtschaftswunder bzw. den Trente Glorieuses geprägten Nachkriegsgesellschaften nicht auf. Was die Lektüre erschwert, ist das Dilemma, dass die Autorin überzeugend das Fortwirken zahlreicher Autoren in den verschiedensten, ja in fast allen politischen Familien nachweist, aber zugleich ein verbindendes Profil der Sammlungsbewegung behauptet. So ist eine Autorin wie Louise Weiss gaullistisch organisiert, aber es stimmt eben auch, dass der Impuls der »Zukunft« nicht im Gaullismus aufgehen konnte. Viele Unterzeichner der Deutsch-Französischen Union arbeiteten zwar in systemkonformen Parteien, im christdemokratischen MRP, in der SFIO und im Parti radical, für den engeren Kreis der Redakteure der »Zukunft« gilt dies eher nicht. Hier rächt sich, dass Annette Grohmann-Nogarède nicht konsequent zwischen den Beiträgern, die eine zum Teil gemeinsame, oft nonkonformistische Plattform vertraten, und dem weiteren, in der Deutsch-Französischen Union verbundenen Kreis der Unterstützer unterscheidet. Die Autorin zieht auch nicht den logischen Schluss, dass die philokommunistischen Phasen von »Esprit« einen Verrat an der anti-totalitären Zielsetzung der »Zukunft« darstellten.
Diese Studie stellt noch nicht die Summe dar, in der das Wesentliche zu der Exilzeitschrift »Die Zukunft« gesagt wäre. Der Rezensent hätte sich eine genauere Lektüre und Analyse von Artikeln sowie eine detailliertere Aufschlüsselung der ideengeschichtlichen Zusammenhänge gewünscht. In Hinblick auf Basisinformationen zur Zeitschrift, zu politischen Lebensläufen und zur internationalen Verflechtung der Zeitschrift, ihrer Autorinnen und Autoren wird die Arbeit aber eine reiche Fundgrube bleiben.
Zitationsempfehlung/Pour citer cet article:
Thomas Keller, Rezension von/compte rendu de: Annette Grohmann-Nogarède, L’hebdomadaire »Die Zukunft« (1938–40) et ses auteurs (1899–1979). Penser l’Europe et le monde au XXe siècle, Berlin, Bern, Bruxelles et al. (Peter Lang) 2021, 756 p. (Zivilisationen und Geschichte/Civilizations and History/Civilisations et Histoire, 62), ISBN 978-3-631-83639-2, EUR 114,95., in: Francia-Recensio 2021/3, 19.–21. Jahrhundert – Histoire contemporaine, DOI: https://doi.org/10.11588/frrec.2021.3.83474