Der Eiserne Vorhang war eine für Menschen nahezu unüberwindliche Grenze, gleichwohl beeinflusste das menschliche Handeln auf einer Seite des Vorhangs teils erheblich die Lebensbedingungen auf der anderen Seite. Wie eng verbunden die beiden deutschen Staaten trotz des militarisierten Grenzregimes waren, hat Astrid M. Eckert aus umwelthistorischer Perspektive bereits 2014 in einem Aufsatz zu den Grenzgewässern eindrücklich gezeigt1. Dieser Ouvertüre folgt nun das Hauptwerk, das neben ökologischen Gesichtspunkten auch politische, soziale und ökonomische Aspekte umfasst.

Die als associate professor an der Emory University in Georgia lehrende Verfasserin ist selbst in jenem deutsch-deutschen Grenzgebiet aufgewachsen, das auf westlicher Seite als Zonenrandgebiet bezeichnet wurde. Diese biografische Nähe steht einem überzeugenden methodischen Ansatz und einem klaren analytischen Blick nicht im Wege, erleichtert aber stellenweise die dichte atmosphärische Beschreibung. Eckert sieht das Zonenrandgebiet als vom Kalten Krieg geschaffenen Raum an, der sich in herausragender Weise eigne, die Geschichte der »alten« Bundesrepublik zu erspüren. Der Blick richtet sich vom Grenzgebiet daher immer nach Ost und West.

Im ersten von sechs Kapiteln, die jeweils einen Aspekt abgeschlossen behandeln, arbeitet Eckert minutiös heraus, wie sich dieser Raum dann als zu förderndes Grenzgebiet erfand, das die Lasten der deutschen Teilung in besonderer Weise zu tragen habe und daher auch die Solidarität der übrigen Bundesbürger verdient habe. Es waren letztlich aber nicht ökonomische Argumente, die dazu führten, eine spezielle Zonenrandförderung einzuführen, sondern dezidiert politische. Die Überlegenheit des kapitalistischen Wirtschaftsmodells sollte gerade an der Grenze demonstriert werden, in Sichtweite des sozialistischen Gegenmodells. Mit Subventionen wurden daher Überalterung, Verfall und Arbeitslosigkeit bekämpft, um den Zonenrand als aufgehübschtes Schaufenster des Westens zu präparieren. Hier zeigt sich die besondere Verflechtung des Grenzraums, denn die DDR war dazu gezwungen, die in Sichtweite der Grenze gelegenen Dörfer und Gebäude vorrangig mit Baustoffen zu versehen, um ihrerseits die Leistungsfähigkeit des Sozialismus zu demonstrieren.

Besonders deutlich treten die wechselseitigen Reaktionsmuster im dritten Kapitel zu Tage. Seit den 1950er Jahren entwickelte sich der Eiserne Vorhang zu einem Touristenziel. Der Anblick der gesicherten Grenze und des inhumanen Grenzregimes sollte Schüler gegen kommunistische Propaganda immunisieren und der ganzen Welt vor Augen führen, dass die DDR ihre Bürger einsperrte. In der Folge gestaltete die DDR die eigentliche Grenze immer unspektakulärer und verlegte die Grenzsicherung soweit ins Innere, dass versuchte Grenzdurchbrüche außer Sicht- und Hörweite des Westens stattfanden. Neben unzufriedenen Touristen, die sich den Eisernen Vorhang ›ikonischer‹ vorgestellt hatten, produzierte diese Praxis einen breiten Streifen »Niemandsland«, in dem sich jahrzehntelang Fauna und Flora ungestört entwickelten konnten und der nach der Wende zum Ausgangspunkt des heutigen Grünen Bandes wurde.

Das vierte Kapitel, das sich mit der grenzüberschreitenden Umweltverschmutzung befasst, zeigt eindrucksvoll, wie wenig sich Umweltgifte durch eine noch so gut gesicherte Grenze aufhalten ließen. Die Laugen aus dem Kalibergbau erreichten den Westen nicht nur über die Werra und sorgten noch in der Weser regelmäßig für Fischsterben, sondern auch die in Ost und West geübte Praxis der Verpressung der Laugen in alten Salzstöcken führte aufgrund der grenzüberschreitenden geologischen Formationen dazu, dass das Salzwasser auf der anderen Grenzseite wieder an die Oberfläche drückte.

In Umkehrung von Christoph Kleßmanns »asymmetrischer Verflechtung« spricht Eckert von »asymmetrischer Verwundbarkeit«, denn es war hier die BRD, die massiv unter dem umweltpolitischen Versagen der DDR zu leiden hatte. Diese Situation machte sich die DDR-Führungen in Verhandlungen zu Nutze und forderte von der Bundesrepublik Geld und Technologie für Reinhaltemaßnahmen. Je stärker sich in internationalen Verhandlungen jedoch das Verursacherprinzip durchsetzte, desto schwächer wurde die Position der DDR, die sich dennoch stur jeder Zusage von Änderungen verweigerte, weil sie schlicht und ergreifend keine Mittel für umwelttechnische Maßnahmen bereitstellen konnte. Eckert unterstreicht hier mehrfach, dass hier schon zu Beginn der 1980er Jahre das offensichtliche Scheitern der DDR-Wirtschaft zu erkennen gewesen sei, dies aber von den westdeutschen Unterhändlern nicht erkannt worden sei.

Welche Auswirkungen das Grenzregime auf die Landschaft hatte, ist Gegenstand des fünften Kapitels. Eckert spricht hier von »transboundary landscapes«, die ihre Ursache im speziellen militärischen Gepräge der Grenze hätten. Deportation im Osten und die aufgrund der Grenzlage schlechte ökonomische Situation im Westen führten zu einer sehr niedrigen Bevölkerungsdichte und einem niedrigen Nutzungsdruck. Nach und nach wurde die große Biodiversität des Grenzgebietes erkannt und rückte zunehmend auf die politische Agenda. Während die westdeutsche Seite in den 1980er Jahren Teile des Grenzgebietes unter Naturschutz stellen wollte und auch grenzüberschreitende Naturreservate einrichten wollte, reagierte die ostdeutsche Seite zögerlich. Zum einen sperrte sie sich aus sicherheitspolitischen Gründen gegen eine genaue Kartierung des Grenzgebietes, zum anderen war sie aufgrund der wirtschaftlichen Misere auf eine intensivere Nutzung des Gebietes angewiesen. Vor allem die Holzvorräte in der fünf Kilometer tiefen Sicherheitszone sollten intensiver genutzt werden. Allerdings stand sich die Sicherheitsbürokratie der DDR hier selbst im Wege.

Das sechste und letzte Kapitel handelt von der Wahl Gorlebens als Ort für eine westdeutsche Wiederaufbereitungsanlage und ein Atommüllendlager in den 1970er Jahren. Die niedersächsische Landesregierung sah das Wendland als idealen Standort an. Neben der geologischen Eignung war es die schwache sozio-ökonomische Situation der Grenzregion, die auf breite Akzeptanz des Industrieprojekts hoffen ließ. Die Bundesregierung wehrte sich zunächst gegen den Standort, da dieser unweigerlich zu Auseinandersetzungen mit der DDR führen würde. Tatsächlich warf die DDR der Bundesrepublik Externalisierungsbestrebungen vor und versuchte, daraus Kapital zu schlagen. Die Verhandlungsposition der DDR wurde aber erheblich geschwächt, als herauskam, dass sie ihr eigenes Endlager ebenfalls direkt an der Grenze in Morsleben erkundete. Aber auch die Hoffnungen der niedersächsischen Regierung erfüllten sich nicht. Die abgeschiedene Idylle des Grenzlandes hatte das Gebiet zu einem Rückzugsort von Künstlern und Intellektuellen aus Hamburg und Berlin werden lassen. Dieser Personenkreis formte den Kern der Bürgerinitiative Lüchow-Dannenberg. In den Auseinandersetzungen wurde die Grenze aktiv mit einbezogen, als 1982 Atomkraftgegnerinnen und -gegner das zur DDR gehörige Niemandsland für eine Protestaktion nutzten und die westdeutschen Grenztruppen nicht eingreifen konnten.

Der Anspruch, das Zonenrandgebiet als Linse heranzuziehen, um die westdeutsche Geschichte vor dem Hintergrund des Kalten Krieges besser zu verstehen, kann als erfolgreich erfüllt angesehen werden. Die über weite Strecken gut lesbare Studie überzeugt in ihrem Aufbau und in ihrer Argumentation, so dass kleinere Monita nicht weiter ins Gewicht fallen. Vor allem das Konzept der »transboundary landscapes« erweist sich als fruchtbarer Ansatz, umwelthistorische mit sozio-ökonomischen Fragestellungen zu verbinden.

1 Astrid M. Eckert, Geteilt aber nicht unverbunden. Grenzgewässer als deutsch-deutsches Umweltproblem, in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 62,1 (2014), S. 321–351.

Zitationsempfehlung/Pour citer cet article:

Tobias Huff, Rezension von/compte rendu de: Astrid M. Eckert, West Germany and the Iron Curtain. Environment, Economy, and Culture in the Borderlands, New York, NY (Oxford University Press) 2019, X–422 p., 3 maps, ISBN 978-0-19-069005-2, USD 99,00., in: Francia-Recensio 2021/3, 19.–21. Jahrhundert – Histoire contemporaine, DOI: https://doi.org/10.11588/frrec.2021.3.83475