Küstenorte und Hafenstädte sind Räume kultureller Verknüpfung par excellence. Sie haben nicht nur für die regionale Wirtschaft und den Fernhandel eine besondere Bedeutung, sondern bieten unter kulturhistorischen Gesichtspunkten Begegnungsräume für Menschen unterschiedlicher geografischer, sozialer und professioneller Herkünfte. Ihnen hat sich die Forschung zur Frühen Neuzeit bereits in einigen Einzelstudien1 gewidmet, sie hat sonst aber auch Meere und Ozeane in ihrer Gesamtheit als Orte des Kulturtransfers betrachtet2.

Der hier besprochene Sammelband, der von den beiden Historikern François Brizay und Thierry Sauzeau der Universität Poitiers herausgegeben wurde, wirft nun einen geografisch breiten und zugleich durch seine Akteurszentrierung detaillierten Blick auf die vielzähligen Fremden an europäischen und mediterranen Küsten. Er geht aus drei von verschiedenen Forschungseinrichtungen (Laboratoire Criham-Poitiers, GiS Histoire & Sciences de la mer, CNRS/InSHS) getragenen Studientagen hervor und versammelt Beiträge von 13 Doktorandinnen und Doktoranden sowie Postdocs. In vier Kapiteln widmet sich die Publikation den Fragen der mehr oder weniger erfolgreichen sozialen, ökonomischen und kulturellen Integration von Fremden und will zeigen, wie sich diese von den Bewohnern der Küstenorte durch ihre Sprache, Religion und Traditionen unterschieden oder aber sich den Einheimischen anglichen (S. 10).

Nach der Einleitung (S. 7–18), die den Forschungsstand zu den Themen der Migration und des Kulturtransfers in Küstenregionen zusammenfasst sowie den Begriff des »Fremden« ausführlich definiert, folgt der erste Abschnitt zur Diaspora der Händler. Michel Bochaga zeigt in seiner Untersuchung spanischer Händler in Bordeaux am Beispiel von Pierre del Poyo (S. 23–32), welche Möglichkeiten sich hochprofessionalisierten fremden Wirtschaftsakteuren am Vorabend der Renaissance boten, in Frankreich anfängliches Geschäftsrisiko in wirtschaftlichen Erfolg umzuwandeln. Dem Autor gelingt es, einen durch den Handel von Pastel aus der Gegend um Toulouse erlangten doppelten Aufstieg del Poyos darzustellen: Denn der Aragonese erfuhr neben erheblichem wirtschaftlichen Gewinn auch soziales Prestige, erhielt das Bürgerrecht und die französische Staatsbürgerschaft, heiratete eine Bürgerstochter und behielt bei dieser sozialen Integration dank seines umfassenden Handelsnetzwerks enge Verbindungen zur spanischen Herkunftsregion.

Es folgt ein Beitrag von Bernard Michon, der den Salzhandel von Nantes mit Amerika in den Blick nimmt (S. 33–43). Im 17. Jahrhundert florierte der transatlantische Handel zunehmend und sorgte auch in der bretonischen Hauptstadt für einen Wandel der Sichtweise einheimischer Händler gegenüber Fremden. Wurden diese zuvor eher noch als Konkurrenten wahrgenommen, eröffneten sie nun mit ihren Netzwerken neue Handelswege und Absatzmärkte und brachten bretonisches Salz nach Amerika. Der ökonomische Erfolg von Briten und Iren spiegelt sich ebenso in den Einbürgerungsakten und Taufbüchern wider, wie dies Michon in beeindruckender Weise aktenkundig nachweisen kann.

Eine weniger erfolgreiche Integration vermittelt die Untersuchung von Pierrick Pourchasse zu den Gemeinschaften französischer Händler in den Häfen Nordeuropas im 18. Jahrhundert (S. 45–58). Darin zeigt er die gleichsam ökonomischen Schwierigkeiten insbesondere am Beispiel hugenottischer Wirtschaftsakteure im Refuge und fragt nach den Gründen ihres geringen Erfolgs. Pourchasse kann im Forschungskontext überzeugend darstellen, wie soziale Konflikte, insbesondere mit den lokalen Behörden, die Arbeit der hugenottischen Fremden behinderten und kommerzielle Stagnation nach sich zogen.

Der zweite Teil bündelt Beiträge zu Handwerkern und Seeleuten, die in der Hoffnung nach neuer Arbeit in andere Regionen migrierten. Olivier Raveux stellt die Ansiedlung armenischer Baumwollfabrikanten aus Konstantinopel in Marseille in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts dar (S. 63–76). Nach einer umfangreichen Darstellung der Akteure kommt er zum Ergebnis, dass die Ursachen ihrer Migration nicht nur in der Vermeidung hoher Importsteuern zu finden seien, sondern ebenso darin gründeten, den politischen Risiken und den Gefahren der maritimen Transportrouten vorzubeugen.

Marie Cloutour betrachtet Herkunft und Modalitäten des Aufenthalts fremder Schiffsleute in der westfranzösischen Küstenregion Saintonge (S. 77–90). Als »Rädchen« (S. 61) im Salz-, Wein- und Branntweinhandel machten die zumeist aus Nordwesteuropa stammenden Kapitäne und Mannschaften nur Station und erhielten während ihres befristeten Aufenthalts prekäre und rudimentäre Hütten (sog. cayennes, S. 88) an den Küsten. Die naturgemäß schwierige Quellenlage, so die Autorin selbst, könnte durch die Betrachtung etwa von Rats- und Gerichtsakten ergänzt werden. Dies würde zudem ein besseres Verständnis der Begegnung fremder Seeleute und der lokalen Bevölkerung erlauben.

Den Fremden auf den Piratenschiffen Saint-Malos um 1700 widmet sich Philippe Hroděj (S. 91–108). Seine mit zahlreichen Tabellen und Abbildungen untermauerte quantitative Untersuchung stellt überzeugend dar, wie die stets im einstelligen Prozentbereich angeheuerte fremde Schiffsbesatzung zwar erfahrenere Seeleute versammelte, ihre Integration in die französischen Besatzungsmannschaften jedoch kaum erfolgte.

Im dritten Teil werden Beiträge zu Migranten jeweils spezifischer nationaler oder konfessioneller Herkünfte versammelt. So untersucht Mathieu Grenet die Gräber türkischer Migranten in Livorno im Jahr 1762 (S. 113–124) und zeigt, wie die Bestattung von Muslimen fernab ihrer Herkunftsregion für die christlichen Autoritäten eine erhebliche Herausforderung darstellte. Auf einem ehemaligen jüdischen Friedhof am Strand wurden diese lange Zeit außerhalb der Stadt beerdigt, auch noch, als dieser »hors lieu« (ein »Ort außerhalb«, S. 124) längst von der auswachsenden Stadt umschlossen war. Einen anderen Segregationsprozess betrachtet Sylviane Llinares, indem sie die Ausgrenzung englischer, irischer und schottischer Fremder in bretonischen Hafenorten während des Siebenjährigen Kriegs in den Blick nimmt (S. 125–133).

Die zumeist perfekt integrierten katholischen Bewohner von Nantes, Saint-Malo und zahlreicher anderer Orte wurden aus politischen Gründen in heute noch gut dokumentierten Listen erfasst und als potenzielle Spione des Landes verwiesen. In umgekehrter Richtung, aber aus ähnlichen Beweggründen, verlief die Migration französischer Kolonisten aus Saint-Domingue nach Nantes und Bordeaux, wie dies Corentin Arial nachzeichnet (S. 135–153). Infolge des Sklavenaufstands (1791) über Philadelphia nach Frankreich geflohen, fanden diese in den Küstenstädten Zuflucht und sogar finanzielle Unterstützung, wurden allerdings von den Revolutionären als mögliche Royalisten beäugt. Neben diesen waren es auch Migranten meist afrikanischer, seltener amerikanischer Herkunft, wie der Beitrag von Olivier Caudron am Beispiel von La Rochelle für das 17. Jahrhundert anschaulich darstellt (S. 155–164). Die von ihm erschlossenen 52 »exotischen« Personen waren zumeist als Diener von Händlern und Seeleuten angestellt.

Wie wenig ausgeprägt die Integration von Franzosen wiederum an den Küsten Nordafrikas war, zeigt der vierte Teil des Sammelbands. Die Franzosen in Tunesien des 16. Jahrhunderts, die v.a. im Korallenhandel aktiv waren, konnten trotz diplomatischer Unstimmigkeiten, so stellt es Valentin Rondeau anschaulich dar (S. 169–183), zwischen der französischen Krone und ihrer konsularischen Vertretung in Marseille auch in Abstimmung mit den lokalen muslimischen Autoritäten langsame Handelserfolge erzielen. Eine Integration in die islamische Gesellschaft erreichten sie allerdings nicht. Ebenso, gleichwohl mit besseren diplomatischen Voraussetzungen, verhielt es sich zweihundert Jahre später, wie Olivier Guesdon ausführt (S. 185–203): Die meist kurzen Handelsaufenthalte in Tunis machten eine Integration schwierig, auch wenn die Franzosen mittlerweile in eigenen Unterkünften in der Stadt verteilt lebten. Außerdem banden die politischen Ereignisse im revolutionären Frankreich deren Aufmerksamkeit zunehmend an das französische Festland. Analoge Beobachtungen macht Gilbert Buti, der am Beispiel von Alexandria im 18. Jahrhundert (S. 205–223) konstatiert, dass durch das Nichterlernen des Arabischen, das Tragen orientalischer Kleidung zum Zweck der Anonymität (oder eben gerade der Akkulturation?, Anm. des Rezensenten) und das Misstrauen gegenüber der einheimischen Bevölkerung, mit Ausnahme weniger Einzelfälle, unter den französischen Wirtschaftsakteuren kaum integrative Prozesse zu beobachten seien.

Der klug konzipierte Sammelband, dessen anschaulich bebilderte Beiträge aufeinander aufbauen und durch kurze Zusammenfassungen zueinander in Bezug gesetzt werden, enthält schließlich ein Resümee der beiden Herausgeber, das die wesentlichen Gemeinsamkeiten und Schwerpunkte der Autorinnen und Autoren zusammenbringt. Besonders fruchtbar ist dies, da durch die thematische Bündelung eine Verknüpfung von Mikrogeschichte und entangled history sichtbar wird – zwei Aspekte, die bisher auch das Konzept der histoire croisée zu vereinen versucht. Eine Einordnung in diesen theoretisch-methodischen Rahmen kommt im vorgestellten Band allerdings zu kurz und hätte die zahlreichen Quellenfunde auf einer weiteren Ebene des wissenschaftlichen Diskurses sicher bereichert. Darüber hinaus führt der gewählte akteurszentrierte Blick auf einzelne Regionen und Orte – der übrigens trotz Ankündigung (»hommes et […] femmes«, S. 8) in allen Beiträgen leider nur auf Beispiele mit Männern eingeht – zu einer überaus gelungenen Herausarbeitung der Modalitäten von sozialer Integration und professionellem Erfolg. Der lesenswerte Band bietet damit nicht nur zahlreiche migrations-, sozial- und kulturhistorische Anknüpfungspunkte, sondern auch Potenzial, die methodische Debatte zur Verflechtungsgeschichte weiter anzuregen, weshalb ihm eine breite Rezeption über Frankreich hinaus zu wünschen ist.

1 Für die deutsch-französische Verflechtung prägend etwa: Michel Espagne, Bordeaux ‒ Baltique. La présence culturelle allemande à Bordeaux aux XVIIIe et XIXe siècles, Bordeaux 1991.
2 Bspw. Otfried Czaika, Heinrich Holze (Hg.), Migration und Kulturtransfer im Ostseeraum während der Frühen Neuzeit, Stockholm 2012.

Zitationsempfehlung/Pour citer cet article:

Christian Gründig, Rezension von/compte rendu de: François Brizay, Thierry Sauzeau (dir.), Les étrangers sur les littoraux européens et méditerranéens. À l’époque moderne (fin XVe–début XIXe siècle), Rennes (Presses universitaires de Rennes) 2021, 238, VI p. de pl. (Histoire), ISBN 978-2-7535-8029-9, EUR 22,00., in: Francia-Recensio 2021/3, Frühe Neuzeit – Revolution – Empire (1500–1815), DOI: https://doi.org/10.11588/frrec.2021.3.83485