Das Phänomen einer ideologisch motivierten Kollaboration französischer Politiker und Militärs mit den deutschen Besatzern während des Zweiten Weltkrieges hat, so begrenzt es in seinem tatsächlichen Umfang auch war, über die Jahre hinweg immer wieder eine erhebliche Beachtung erfahren und die Geschichtswissenschaft beschäftigt. Die Folge eines solchen Interesses waren mitunter umfangreiche Publikationen, die insbesondre biografisch angelegt waren und sich mit den Werdegängen prominenter Vertreter des »collaborationnisme« – d. h. der Zusammenarbeit zwischen Besetzten und Besatzern aufgrund ideologischer Übereinstimmung – wie etwa Jacques Doriot oder Marcel Déat auseinandersetzten. Selbst einer mit der Thematik bereits grundsätzlich vertrauten Leserinnen- und Leserschaft dürfte jedoch der Name Joseph Laporte gänzlich unbekannt sein.
Vergegenwärtigt man sich dessen Lebensweg und die Rolle, die ihm als Unterstützer der deutschen Besatzungsmacht zukam, kann dies nicht überraschen. Jahrgang 1892, schlug Laporte nach dem Schulbesuch eine militärische Laufbahn ein und geriert im Ersten Weltkrieg in deutsche Kriegsgefangenschaft. Aus dieser 1918 zurückgekehrt, meldete er sich zum Dienst in den Kolonialstreitkräften in Französisch-Äquatorialafrika. In den 1930er Jahren entwickelte er sich zum Bewunderer Hitlers und der NS-Bewegung, die er nach der Besetzung Frankreichs durch deutsche Truppen im weiteren Verlauf des Zweiten Weltkriegs tatkräftig unterstütze.
Innerhalb der französischen Freiwilligenlegion gegen den Bolschewismus (Légion des volontaires français contre le bolchévisme, LVF), die als Einheit der Wehrmacht gegen die Rote Armee kämpfe, erreichte er den Rang eines Hauptmanns. Nach seiner gesundheitlich bedingten Entlassung aus der LVF im Mai 1942 schloss er sich der Miliz des Vichy-Regimes an, die im Auftrag der deutschen Besatzer die Widerstandsbewegung bekämpfte. Aus diesem Grund wurde Laporte unmittelbar nach der Befreiung durch ein Militärgericht im südfranzösischen Albi zum Tode verurteilt und erschossen.
Dass Philippe Secondy nun über diesen Mann eine Biografie vorlegt, ist keineswegs der historischen Bedeutung von Laportes Wirken geschuldet, die in ihrem Ausmaß als äußerst begrenzt bezeichnet werden muss. Der Grund für die Abfassung des Buches ist vielmehr in dem bloßen Umstand zu sehen, dass der Verfasser im Archiv des Departements Hérault auf eine größere Anzahl von Briefen und weiteren Unterlagen aus dem persönlichen Besitz Laportes gestoßen ist, die nach seiner Hinrichtung von örtlichen Gendarmen beschlagnahmt wurden und die Auskunft über seine Person geben.
Secondys Darstellung basiert folglich im Wesentlichen auf diesen Dokumenten, die er um die einschlägige, jedoch fast ausschließlich französischsprachige Forschungsliteratur über Kollaboration und deutsche Besatzung in Frankreich ergänzt. In drei Abschnitten, die die Jahre bis zum Ende des Ersten Weltkrieges, Laportes Dienstzeit in der französischen Kolonialarmee und zuletzt sein Engagement zugunsten NS-Deutschlands vor und während des Zweiten Weltkriegs behandeln, wird so der Werdegang eines dem Rang ebenso wie dem Einfluss nach alles in allem subalternen Kollaborateurs geschildert.
Secondy ist sich dieser Schwäche in der Konzeption seiner Arbeit durchaus bewusst und versucht daher, ausgehend von Laporte dessen Entwicklung als typischen Werdegang eines durch den Ersten Weltkrieg mit seinen Gewalterfahrungen geprägten Militaristen nachzuzeichnen, den seine Verachtung für das parlamentarische System der Dritten Französischen Republik in die Arme der deutschen Nationalsozialisten treibt. Beispielsweise zitiert er immer wieder aus den Schriften Ernst Jüngers, um einen solchen breiteren Zusammenhang herzustellen. Gerade hier vermag die Argumentation des Verfassers jedoch nicht zu überzeugen, weil konkrete Belege für derlei Thesen schlichtweg fehlen. Über die tatsächliche Gedankenwelt seines Protagonisten konnte Secondy nämlich nur wenig in Erfahrung bringen.
Zwar lässt sich Laportes Werdegang anhand der erhaltenen Unterlagen in seinen einzelnen Stationen nachvollziehen, jedoch sind offenkundig keine Memoiren, Tagebücher oder andere umfangreichere Aufzeichnungen von ihm erhalten, die tiefergehende Einblicke in die Beweggründe seines Handelns zugelassen hätten. Um entsprechende Lücken in seiner Darstellung zu schließen, verlegt Secondy sich daher immer wieder darauf zu spekulieren – wenn er beispielsweise mutmaßt, welche Gründe Laporte nach seiner Rückkehr aus deutscher Kriegsgefangenschaft zum Eintritt in die Kolonialstreitkräfte bewogen haben mögen. Den nicht zuletzt in seinem Titel angelegten Anspruch, an einem ausgewählten Beispiel den Prototypen des aus ideologischer Verbundenheit handelnden NS-Kollaborateurs in einer geistigen Entwicklung zu erfassen, kann das Buch daher nicht erfüllen. Was am Ende bleibt, ist vielmehr eine gut dokumentierte Darstellung des Lebensweges eines einzelnen französischen Hitlerunterstützers, die weitergehende Schlussfolgerungen jedoch kaum zulässt.
Zitationsempfehlung/Pour citer cet article:
Matthias Gemählich, Rezension von/compte rendu de: Philippe Secondy, Fabrication d’un collabo. Le cas Joseph Laporte (1892–1944), Paris (CNRS Éditions) 2019, 277 p., nombr. ill. et cartes, ISBN 978-2-271-12888-1, EUR 23,00., in: Francia-Recensio 2021/3, 19.–21. Jahrhundert – Histoire contemporaine, DOI: https://doi.org/10.11588/frrec.2021.3.83591