Die vorliegende Monografie, die sich als Entwurf eines »grand narrative« (S. XVIII) verstanden wissen möchte, verfolgt das ambitionierte Ziel, die vielfach widersprüchlichen christlich-muslimischen Beziehungen (S. XI–XII) des (europäischen) Mittelalters in einen breiten historischen Kontext (S. XXI), nämlich zeitlich von den Ursprüngen des Islam mit Muḥammad bis zum Leben und Wirken Dantes Alighieri, zu betten. Die Bezugnahmen des Autors auf die Traditionen der reichen Forschung zur Iberischen Halbinsel, die vor allem in anglo-amerikanischen Kontexten florierende Kreuzzugsforschung sowie die Erforschung theologischer Traktat- bzw. Kommentarliteratur weisen auf die inhaltlichen Schwerpunkte des Buches voraus; sie deuten zugleich die Fülle an thematischen Dimensionen, geschichts- bzw. kulturwissenschaftlichen Ebenen und Schauplätzen an, die Michael Frassetto zusammenführt.

Mitunter werden diese jedoch notgedrungen stark verkürzt und stehen im Kontrast zu ausgiebigen Quellendiskussionen. Im Hinblick auf die Gesamtkomposition muss daher vorweggenommen werden, dass eine Beschränkung, ob geografisch-territorialer oder inhaltlicher Natur, dem Argumentationsgang und damit dem temporal weit gespannten Bogen des Buches zu größerer Stringenz verholfen hätte. So liegt die maßgebliche Stärke der Arbeit bezeichnenderweise in den quellennahen Analysen, die der zentralen Fragestellung nach der Ausformung und Profilierung von Eigen- und Fremdbildern im Zusammenhang mit interreligiösen Kontakten und der Beschäftigung mit dem religiösen Gegenüber (S. XXI) nachgehen. Eine methodisch-theoretische Reflexion etwa der Praktiken des othering und der Alteritätsforschung der vergangenen Jahre hätte gleichwohl die Leitfrage zusätzlich analytisch differenzieren können.

Frassetto gliedert seine Studie zugleich chronologisch und systematisch in neun inhaltliche Kapitel. Es gelingt eine insgesamt überzeugende Anordnung der Themen und des Materials. Ein solider Grundstein wird mit dem ersten Kapitel gelegt, in dem quellenkritisch die konstitutive Phase des Islam und die Einflüsse des Christentums – und en passant auch des Judentums – auf das Leben und Denken Muḥammads erörtert werden. Frassetto legt dar, inwiefern im Zuge der frühen Ausformung des Islam aus dem theologischen und rituellen Repertoire des gemeinsamen abrahamitischen Erbes geschöpft wurde, eben dieses jedoch für beide Seiten im Folgenden eine stets zu aktualisierende Abgrenzung erforderlich machte.

Auf Basis dieses ersten Kapitels widmet sich der Autor im Weiteren Etappen christlicher Reaktionen und Standortbestimmungen im Kontext verschiedener interreligiöser Kontaktphasen. Ausdrücklich positiv sind die Quellennähe und die Berücksichtigung verschiedenster Gattungen sowohl aus der Feder – freilich überwiegend – christlicher sowie muslimischer Autoren hervorzuheben. Die besondere Expertise des Autors tritt in den Diskussionen theologischer Traktate zutage.

Das zweite Kapitel untersucht initiale Reaktionen von christlicher Seite auf die dynamische islamisch-arabische Expansion. Wesentliche Argumente des Buches werden hier grundgelegt, insofern als in der betrachteten Phase »not only the success of Islam but also its very existence« (S. 27) erstmalig verhandelt werden mussten. Dessen schriftlicher Niederschlag, wie etwa die von Frassetto eingehend erörterte Apokalypse des Pseudo-Methodius, sollte Folgegenerationen als Referenzpunkt eigener Erörterungen dienen.

Frassetto betont, dass das Bild der Muslime und des Islam maßgeblich aus präislamischen patristischen und alttestamentlichen Charakterisierungen der Araber hergeleitet wurde. Ferner werden zwei zentrale Merkmale, die in unterschiedlicher Intensität die schriftliche Auseinandersetzung von lateinisch-christlicher Seite mit dem Islam bis zum 13. Jahrhundert prägten, ebenfalls bereits im zweiten Kapitel formuliert: zum einen die heilsgeschichtliche Ausdeutung des Islam und seiner Expansion im eschatologischen Kontext, zum anderen die pejorative Verortung der Muslime im Zusammenhang mit Juden, Häretikern und Heiden – über die Jahrhunderte und je nach Autor in unterschiedlicher Gewichtung.

Gerade die Gemeinsamkeiten, Unterschiede und Spezifika christlicher antimuslimischer und antijüdischer Polemiken verdienten freilich eine genauere Bestimmung. Die Verflechtung von Apologetik und Polemik, aber auch die Zusammenhänge des sog. Bilderstreites, machen darüber hinaus klar ersichtlich, dass Fremddarstellungen stets zugleich der eigenen Profilierung dienten, religiöse und kulturelle Identität also jeweils maßgeblich durch die Auseinandersetzung mit dem Anderen konstruiert wurde.

Die Kapitel 3 und 6 widmet Frassetto der Iberische Halbinsel, wobei das populäre, wissenschaftlich jedoch mittlerweile weiterentwickelte Interpretament der »Convivencia« der verschärften Fronstellung seit dem Ende der Taifenzeit 1031 sowie der sog. Reconquista gegenübergestellt werden. Weniger wäre auch hier mehr gewesen: Gedrängt und dennoch nicht frei von Redundanzen bemüht sich Frassetto darum, Politik- und Militärgeschichte, den Umgang mit religiösen Minderheiten, Kulturtransferprozesse sowie die wechselseitigen Einflüsse zur Kreuzzugsbewegung dem Papsttum und Cluny abzuhandeln.

Dass der eigentliche Analysefokus, in Kapitel 3 etwa quantitativ auf den Quellenzeugnissen der sog. Märtyrerbewegung von Córdoba (vgl. S. 82–90), wiederum auf der theologisch-gelehrten Diskursebene liegt, hinterlässt bei der Rezensentin die Überzeugung, dass ein deutlich engerer Zuschnitt hätte gewählt werden sollen. Dieser hätte auch Raum dafür geboten, zentrale Konzepte wie die sog. Reconquista klarer zu profilieren.

Auch mit Blick auf die Kapitel 4, 5 und 7, die schwerpunktmäßig mit den mitteleuropäisch-christlichen Bildern von den Muslimen befasst sind, ist eine gewisse ereignisgeschichtliche Überfrachtung nicht von der Hand zu weisen. Dessen ungeachtet gelingt es dem Autor, den Wandel diskursiver Auseinandersetzungen seitens christlicher Autoren mit den Muslimen vom 8./9. bis zum beginnenden 12. Jahrhundert nachzuzeichnen. Quellennah lässt sich nachvollziehen, inwieweit bis ins 9. Jahrhundert ein politisch-wirtschaftlich geleiteter Blick auf die sich neu etablierende Macht im Mittelmeerraum dominierte, der erst sukzessive von einem Fokus auf einen religiösen Antagonismus verdrängt wurde und in einer Verteufelung und Dämonisierung des Gegenübers mündete. Indem Perspektivwechsel vollzogen werden, wird zudem immer wieder eine komparative Ebene geboten: Differenziert legt Frassetto etwa offen, dass die anfängliche Perzeption der Kreuzzugsbewegung noch weit von der erst im 12. Jahrhundert mehr und mehr virulent werdenden Konzeption des Ǧihād entfernt war.

Das achte und neunte Kapitel ist der sog. Renaissance des 12. Jahrhunderts und den neuartigen Kontakt- und Begegnungsformen wie dem Ansatz zur Mission durch Franziskaner und Dominikaner im 13. Jahrhundert gewidmet. Während der Blick einmal mehr auch auf kulturelle Transfers gerichtet ist, wird zugleich etwa konstatiert: »The relationship with Islam in the twelfth century was characterized by an intense hatred and fear« (S. 221). So leiten beide Kapitel zu dem übergeordneten Befund bzw. dem Tenor der Monografie über, der die christlich-muslimischen Beziehungen der untersuchten Jahrhunderte als Paradoxon fasst: fruchtbarer Austausch einerseits, polemische Abgrenzung und Feindschaft andererseits. Beispielsweise heißt es mit Bezug auf das Schaffen des Thomas von Aquin: »The work [...] also reveals the fundamental paradox of Muslim-Christian relations [...]. The Christian saint himself was deeply hostile to Islam and his writings include a defense of Christianity [...], but his work and the philosophical underpinning [...] was indeed indebted to generations of Islamic scholars« (S. 249). Dass religionsübergreifende Kontakte und auch zunehmend fundierte Kenntnisse über den Anderen mitnichten der Persistenz von Feindzuschreibungen und dezidierter Abgrenzung gegenüberstanden, eröffnet wohl kaum neue Perspektiven.

Dieser Befund bietet vielmehr lediglich einen Ausgangspunkt, um – so hat dies jüngst Brian Catlos meisterhaft in einem Werk zum mittelalterlichen Al-Andalus demonstriert – nach Triebkräften und deren Implikationen wie Opportunismus und Pragmatismus zu fragen und Spannungsverhältnisse zu bestimmen. Die unbestreitbar reichhaltige Quellengrundlage des Werkes und die vielfältigen Perspektiven werden in dieser Hinsicht nicht hinreichend ausgeschöpft; wünschenswert und sinnvoll wäre im Sinne des großen Narrativs außerdem eine Reflexion des zugrunde liegenden Mittelalter-Begriffs für beide untersuchten Kulturkreise gewesen.

Zitationsempfehlung/Pour citer cet article:

Sandra Schieweck, Rezension von/compte rendu de: Michael Frassetto, Christians and Muslims in the Middle Ages. From Muhammad to Dante, Lanham, Boulder, New York, London (Lexington Books) 2020, XXIV–288 p., ISBN 978-1-4985-7756-4, GBP 73,00., in: Francia-Recensio 2021/3, Mittelalter – Moyen Âge (500–1500), DOI: https://doi.org/10.11588/frrec.2021.3.83608