Es ist eine wichtige, notwendige und verdienstvolle Arbeit, bereits innerhalb der MGH edierte Texte unter Einbezug neu aufgefundener Handschriften, revidierter Forschungsmeinungen oder hinsichtlich festgestellter ungenügender Qualität der Erstedition einer erneuten Bearbeitung zu unterziehen. Als neuestes Werk unter diesen »Updates« liegt nun die in besonderem Maße für die Geschichte der Wettiner unentbehrliche, dem Priester mit Namen Konrad zugeschriebene Chronik des Lauterbergs vor (»Chronica Sereni Montis«), die ursprünglich von Ernst Ehrenfeuchter 1874 herausgegeben worden ist (MGH SS 23, S. 130–226). Der Zeitraum zwischen der Forderung nach einer erneuten Edition und der Umsetzung eines solchen Ansinnens mag bisweilen ein sehr langer sein. Bereits 1917 formulierte Willy Hoppe im Neuen Archiv für Sächsische Geschichte 38 den Wunsch nach einem »handliche[n], brauchbare[n] und gut kommentierte[n] Duck« der Chronik (S. 417). Nach nunmehr 103 Jahren ist dieses Unternehmen in einer Form umgesetzt worden, die nicht nur die Hoffnungen Willy Hoppes erfüllt, sondern auch die Nutzerinnen und Nutzer unserer Zeit ohne Einschränkungen zufriedenstellen dürfte.

Die hohe Qualität der Edition ist selbstverständlich dem (End)bearbeiter zuzuschreiben, der bereits in der Vergangenheit durch umfangreiche und hochwertige Editionen hervorgetreten ist; zu nennen sind hier der »Annalista Saxo« sowie die zuvor vielleicht sogar noch länger erhoffte Neuedition des »Codex Udalrici«. Der Editor übernahm die Arbeit an der Chronik Konrads vom Hallenser Altphilologen und Mittellateiner Wolfgang Kirsch, der, mit der Arbeit seit 1997 betraut, diese krankheitsbedingt nicht zu einem Abschluss bringen konnte. Die Notwendigkeit einer Neuedition begründet der Bearbeiter mit gleich mehreren Argumenten (S. 57): Aufgrund falscher Annahmen der Zusammenhänge zwischen den überlieferten Handschriften habe Ehrenfeuchter »editorisch falsche Entscheidungen« getroffen, zudem sei »der Apparat der Ausgabe […] unvollständig und fehlerhaft, Kommentar und Register sind mangelhaft«. Der über Jahrzehnte ruhenden Forschung zum Werk, die erst im aktuellen Jahrtausend wieder zum Leben erwacht ist, soll für eine zukünftige intensivere Auseinandersetzung mit diesem wichtigen Werk die Grundlage bereitet werden.

Dem eigentlichen Text der Chronik stellt der Bearbeiter eine umfangreiche Einleitung voran, versehen mit einem aktuellen Quellen- und Literaturverzeichnis. Der Anhang enthält eine Edition des Mirakels von Aschersleben aus den verlorenen »Ilsenburger Annalen«, die Erstedition der für die Textrekonstruktion bedeutsamen »Gesta Syfridi abbatis Pygaviensis«, eine Liste der Pröpste des Stifts Lauterberg sowie eine Stammtafel der in der Chronik genannten Wettiner. Der Band schließt mit einem Handschriften-, Stellen-, Namen- und Sachregister sowie acht fotografischen Abbildungen aus verschiedenen Handschriften.

Die Einleitung untergliedert der Bearbeiter in zehn Unterkapitel, um damit einerseits zum Teil lange bekannte Zusammenhänge und Erkenntnisse zusammenzuführen, aber auch bereits modifizierte oder neue Ansichten zum Werk zu ergänzen. Neben der Frage nach dem gemäß der Überlieferung korrekten Namen des Textes sowie der Überlieferungssituation wird entgegen früherer Bemühungen der überzeugende Versuch angetreten, den Lautenberger Kanoniker und Priester Konrad als Verfasser des Textes zu identifizieren und diesen mit einem Lautenberger Schreiber gleichen Namens in Übereinstimmung zu bringen (S. 7–15).

Im Weiteren werden knapp die Abfassungszeit genauer präzisiert (S. 19: Grundstock um 1223/1224), dem Inhalt sowie der Arbeitsweise des Autors nachgespürt und die Tendenz des Werkes präzisiert. Der Text sei aufgrund des geschilderten Niedergangs des Stiftes und des dafür in besonderem Maße verantwortlichen Propstes Dietrich »eine Abrechnung mit der Waffe der Geschichtsschreibung« (S. 28). Besondere Aufmerksamkeit wird dann den verwendeten Vorlagen gewidmet (S. 28–54). Die Einleitung schließt mit knappen Angaben zur Nachwirkung des Textes, dessen Editionsgeschichte sowie kurzen Bemerkungen zur Textgestalt.

Die der Edition zugrunde gelegten drei Handschriften hatte bereits Ehrenfeuchter 1874 für seine Ausgabe verwendet, dabei jedoch die Abhängigkeitsverhältnisse falsch beurteilt und daraus resultierend fehlerhafte Entscheidungen getroffen. Die genannten weiteren Texte, die Ehrenfeuchter zum Teil noch unbekannt waren, besitzen für die Texterstellung unterstützende Funktion. In den textkritischen Apparat sind neben den üblichen Varianten sinnvollerweise auch Abweichungen gegenüber der Textgestalt bei Ehrenfeuchter integriert worden. Zusätzlich hätte die vergleichende Aufnahme der ursprünglichen Paginierung der alten MGH-Edition zum Zwecke einer schnelleren Benutzbarkeit erwogen werden können. Die Sachanmerkungen sind knapp gehalten, umfassen aber alle relevanten Informationen. Der Editionstext selbst weist durch Petitsatz Abhängigkeiten zu Vorlagen oder durch Ableitungen rekonstruierte verlorene Vorlagen aus. Die mithin auf hohem Standard gearbeitete Edition lässt keine Wünsche offen und wird die Grundlage aller weiteren Bemühungen der Forschung um die Chronik des Lauterbergs darstellen.

Zitationsempfehlung/Pour citer cet article:

Matthias Weber, Rezension von/compte rendu de: Priester Konrad, Chronik des Lauterbergs (Petersberg bei Halle/S.), hg. von Klaus Naß, Wiesbaden (Harrassowitz Verlag) 2020, VI–410 S., 8 Abb. (Monumenta Germaniae Historica. Scriptores rerum Germanicarum in usum scholarum separatim editi, 83), ISBN 978-3-447-11386-1, EUR 68,00., in: Francia-Recensio 2021/3, Mittelalter – Moyen Âge (500–1500), DOI: https://doi.org/10.11588/frrec.2021.3.83621