Bei diesem Buch handelt es sich um das Ergebnis eines bereits seit zwei Jahrzehnten von Michael Lower verfolgten Projekts. Als Spezialist für Kreuzzüge des 13. Jahrhunderts1 und die christlich-muslimischen Beziehungen wendet sich Lower in dieser Studie dem zweiten Kreuzzug Ludwigs IX. und dessen Einfluss auf den Mittelmeerraum zu.

Bisher wurde der Kreuzzug hauptsächlich aus der Perspektive der Kreuzfahrer (Ludwig und Karl von Anjou) betrachtet. Lowers Ansatz ist insofern innovativ, als er einen multiperspektivischen und multikonfessionellen (S. 9) Ansatz aus globaler bzw. paneurasischer Sicht (S. 71f.) anstrebt und dabei nicht nur die Perspektive der Kreuzfahrer oder der arabisch-muslimischen Herrschaften (wie etwa Cobb oder Hillenbrand) einnimmt, sondern auch die von al-Mustansir, dem Herrscher von Tunis, und die von Baibars, dem Sultan von Ägypten.

Zudem werden die italienischen Seerepubliken, das Papsttum, das Ilkhanat und Byzanz berücksichtigt. Lower bemerkt, dass der Kreuzzug nach Tunis »not a European Crusade, but a Mediterranean Crusade« war, und moniert das »academic gerrymandering«, das in den vergangenen Jahrhunderten entstand und zu großen Teilen noch fortbesteht (S. 1f.). Dabei orientiert sich Lower mit diesem Ansatz offen an Nirenberg, Kafadar und Jackson.

Ähnlich wie die Protagonisten seiner Studie scheint Lower den bisherigen, teils binären Forschungsperspektiven (souls/money; confrontation/accommodation; spiritual/material) gegenüber eine ausgleichende Haltung einzunehmen: »Louis and Charles both found what they wanted in Tunis: it was a place where Muslim souls could be won and Hafsid money could be had; where Latin Christian commercial interests and missionary initiatives could be advanced; and where methods of militant confrontation and conciliatory diplomacy could be tried« (S. 5).

Das Buch ist folgendermaßen gegliedert: Auf die Einleitung folgt in Kapitel 1 die Vorstellung der beiden Akteure, Sultan Baibars und König Ludwig der Heilige, mit Rückbezug auf Ludwigs ersten Kreuzzug 1249/1250. Lower unterstreicht, dass beide ein Interesse an der Levante und dem Heiligen Land hatten (»self-sanctification«, re-Christianization vs. religious legitimation«, defense against the Mongols«, S. 7).

Kapitel 2 ist den Biografien und Strategien von al-Mustansir und Karl von Anjou sowie einer Vorgeschichte der kommerziellen und kriegerischen Beziehungen zwischen Sizilien und Tunis gewidmet (S. 7f.). Eine gewisse Konkurrenzsituation zwischen Baibars und al-Mustansir bleiben ebensowenig unerwähnt (S. 45f.) wie dessen Beziehungen zu anderen lateinisch-christlichen Mächten (S. 48f.).

In Kapitel 3 beschäftigt sich der Autor mit »Ablenkungsmanövern« und der Geheimhaltung des eigentlichen Kreuzzugsziels. Kapitel 4 bespricht die nicht reibungslosen Vorbereitungen zum Kreuzzug auf Tunis, die kleineren Gefechte sowie den Tod Ludwigs. Kapitel 5 behandelt die Friedensverhandlungen Karls nach dem Kreuzzug.

Kapitel 6 geht der Frage nach, weshalb man sich ein einziges Mal für einen Kreuzzug nach Tunis entschieden hat, anstelle der üblichen Ziele Levante oder Ägypten. Hier kommt es zu einer dezidierten Auseinandersetzung mit der älteren Forschungsliteratur (»Why Tunis?«). Der Autor hinterfragt das Bild des naiven Königs Ludwig und des berechnenden Königs Karls von Anjou (S. 244–273). Hervorzuheben ist die stärkere Berücksichtigung arabischer Quellen (S. 148f., 168, 172).

Im Abschlusskapitel geht es um die Nachwirkungen des Kreuzzugs im spätmittelalterlichen Mittelmeerraum.

Positiv anzumerken ist, dass die einzelnen Etappen des Kreuzzugs gegen Tunis klar erläutert werden (S. 107f.) und die Rolle von christlichen Söldnern in al-Mustansirs Heer dargestellt wird (S. 110f., 117f.). Überzeugend sind auch die Ausführungen zur Ambiguität, mit der Sultan Baibars dem Angriff auf Tunis gegenüberstand (S. 115f.).

Abschließend lässt sich sagen, dass es dem Autor gelungen ist, die unterschiedlichen Motive und Interessen der einzelnen Akteure herauszuarbeiten und damit ein differenziertes Bild des Kreuzzuges nachzuzeichnen.

1 Michael Lower, The Baron’s Crusade. A Call to Arms and Its Consequences, Philadelphia 2005 (The Middle Ages Series).

Zitationsempfehlung/Pour citer cet article:

Richard Knorr, Rezension von/compte rendu de: Michael Lower, The Tunis Crusade of 1270. A Mediterranean History, Oxford (Oxford University Press) 2018, XX–216 p., 4 b/w maps, ISBN 978-0-19-874432-0, GBP 63,00., in: Francia-Recensio 2021/3, Mittelalter – Moyen Âge (500–1500), DOI: https://doi.org/10.11588/frrec.2021.3.83629