Bei dem zu besprechenden Band handelt es sich um eine Dissertation, die im Rahmen des Tübinger Sonderforschungsbereichs 923 »Bedrohte Ordnungen« entstand. Schmidt untersucht in seiner Arbeit die kirchlichen Reformen Josephs II. und deren innerösterreichische Auswirkungen. Im Gegensatz zu zahlreichen anderen Publikationen nimmt er dabei nicht die Wiener Zentralperspektive ein, sondern nähert sich dem Thema aus der Perspektive Innerösterreichs, das die Herzogtümer Steiermark, Kärnten und Krain umfasste.

Der Josephinismus und die damit verbundenen Reformen waren für die Zeitgenossen gleichermaßen Verheißung wie Bedrohung. Im Zentrum des vorzustellenden Bandes steht die Kommunikation dieses breiten Reaktionsspektrums. Wie wurden Reformen von Wien in die Peripherie kommuniziert, wie reagierten die weltlichen und geistlichen Verantwortungsträger vor Ort, wer war konkret wie betroffen, und was ist der zeitgenössischen Publizistik zu entnehmen, die nach Lockerung der Zensur unter Joseph II. aufblühte.

Einleitend gibt Schmidt einen exzellenten und sehr detaillierten Überblick über die Forschung seit dem 18. Jahrhundert zu den Themenfeldern Josephinismus, aufgeklärter Absolutismus, katholische Aufklärung und Innerösterreich. Anschließend stellt er den breiten publizistischen Diskurs in Österreich zu den josephinischen Reformen vor, mit einem Fokus auf den Publikationen zu Innerösterreich und der Universität Graz. Dabei nimmt er zahlreiche zeitgenössische Autoren unter die Lupe, die sich zu den Reformfeldern äußerten.

Die zweite Gruppe handelnder und reagierender Personen, die Schmidt untersucht, sind die Bischöfe Innerösterreichs der vier bzw. drei Diözesen der Region. Kurz geht er auf die Neuordnung der Diözesen unter Joseph II. ein und das dadurch sich neu ordnende Beziehungsgeflecht der Diözesen untereinander, dann stellt er die in der Zeit Maria Theresias und Joseph II. eingesetzten Bischöfe und deren Haltung zu den Reformen vor. In einer vertiefenden Fallstudie zu Bischof Joseph Adam von Arco wird deutlich, dass die Haltung der Bischöfe zu den Reformen weder untereinander gleich, noch zeitlich gleichbleibend war. Vielmehr wandelten sie sich von einer stabilen Basis für die kirchlichen Reformen zu kritischen Beobachtern und teilweise auch Gegnern.

In einem weiteren Teil analysiert Schmidt Situation und Haltung des Ordensklerus. Während seiner Regierungszeit löste Joseph II. in Innerösterreich etwa die Hälfte der dortigen Klöster auf. Die Proteste dagegen kamen – wie Schmidt herausarbeitet – vor allem von betroffenen Gemeinden und der Weltgeistlichkeit, weniger von den direkt betroffenen Orden selbst, die harte Sanktionen zu befürchten hatten. Als konkrete Fallstudie wird das Augustiner-Chorherrenstift Stainz genauer untersucht, das nach vorhergehenden Disziplinarverstößen 1785 aufgelöst wurde. Im Ergebnis wird festgehalten, dass das klösterliche Leben durch Aufklärung, staatliche Reformen und Aufhebungen von mehreren Seiten bedroht war und dass die Aufhebungen die unterschiedlichen Orden ganz unterschiedlich trafen.

Der letzte großen Themenblock der Arbeit ist der Volksfrömmigkeit und der Haltung der Gemeinden gegenüber dem Josephinismus gewidmet. Besonders ausgeprägt war der Widerstand gegen die Reformen bei der Landbevölkerung, was die detailliert ausgearbeitete Fallstudie zum Vellach- und Jauntal eindrucksvoll belegt. An dieser Fallstudie sowie an den untersuchten Beispielen der Glaubenspraxis (Wetterläuten, Statuen, Reliquien, Prozessionen und Wallfahrten) wird klar, wie sehr die josephinischen Reform in Gegensatz zur ländlichen Volksfrömmigkeit trat. Schmidt arbeitet die besondere Rolle von Frauen im Widerstand gegen die Reformen heraus, verdeutlicht die problematische Stellung von Pfarrern zwischen Obrigkeit und Gemeinden, zeigt die Ausstrahlungskraft der in seiner Fallstudie dargestellten Widerstände und problematisiert die Neuordnung der Diözesen, die nicht überall klar umgesetzt wurde und dadurch Zuständigkeitslücken verursachte. Der Widerstand richtete sich durchweg gegen die Reformen und setzte sich für den Schutz der alten Ordnung ein. Der Kaiser wurde nicht als Urheber der ungeliebten Reformen angefeindet, die Schuld wurde vielmehr bei den lokalen Beamten gesehen.

In seinem Resümee betont Schmidt, wie hoch die Bedeutung der Kommunikation in den josephinischen Reformen einzuschätzen ist. Kippmomente lassen sich klar an einer Verdichtung der Kommunikation ablesen, durch eine Bedrohungskommunikation sollten Reformen stabilisiert werden. Grundsätzlich war die Haltung der Geistlichkeit nicht einheitlich, sondern heterogen und veränderte sich über die Zeit des Josephinismus. Als Hauptmotivation für fast alle manifesten Widerstandsformen benennt Schmidt die Volksfrömmigkeit. Abschließend ordnet er seine eigenen Ergebnisse in die bisherige Forschung zum Josephinismus ein.

Die Arbeit wird ergänzt durch ein Verzeichnis der Klöster Innerösterreichs, das einerseits eine Gesamtübersicht bietet und andererseits alle Veränderungen während des Untersuchungszeitraums erfasst und darstellt. Darauf folgen ein Quellen- und Literaturverzeichnis sowie ein Orts- und Personenregister.

Schmidt bietet eine exemplarische Studie zur Umsetzung des Josephinismus am Beispiel Innerösterreichs. Klug ausgewählte Beispiele werden in Fallstudien vertieft, lassen so manches deutlich greifbarer werden und belegen die Gesamtargumentation der Arbeit gut. Nur anhand solcher Studien kann übergreifend beurteilt werden, in wieweit Joseph II. mit seinen Reformen scheiterte oder Erfolg hatte. Viele Erkenntnisse Schmidts sind neu für die Forschung oder werden bisherige Forschungserkenntnisse relativieren. Als Beispiele seien nur der bisher eher als defensiv bewertete Charakter des Widerstands genannt oder die oft zu lesende Beurteilung, der Josephinismus sei im kirchlichen Bereich gescheitert. Viele Forscherinnen und Forscher werden auf Schmidts Arbeit aufbauen und ihm so eine verdiente Reichweite verschaffen können.

Zitationsempfehlung/Pour citer cet article:

Joachim Brüser, Rezension von/compte rendu de: Dennis Schmidt, Bedrohliche Aufklärung – Umkämpfte Reformen. Innerösterreich im josephinischen Jahrzehnt 1780–1790, Münster (Aschendorff) 2020, XV–621 S., Tab., ISBN 978-3-402-24651-1, EUR 58,00., in: Francia-Recensio 2021/4, Frühe Neuzeit – Revolution – Empire (1500–1815), DOI: https://doi.org/10.11588/frrec.2021.4.84988