Das Buch von Isabel Blumenroth, eine Aachener Dissertation von 2018, beschäftigt sich mit dem Alexandrinischen Schisma, der großen, langanhaltenden Kirchenspaltung zwischen Friedrich Barbarossa (bzw. seinen Päpsten) und Alexander III. – genauer gesagt: mit der Spiegelung dieser Spaltung in den Schriften zweier bedeutsamer zeitgenössischer Beobachter, Johannes von Salisbury und Arnulf von Lisieux. Die Untersuchung widmet sich dabei zunächst (I) den beiden Protagonisten und ihrer Ideenwelt, ein Kapitel, in dem es auch um Genese, Überlieferung und Quellenwert der entsprechenden Sammlungen und Texte geht (S. 123–130 und 268–290). Dabei stehen vor allem im Falle Johannes’ nicht nur seine zwei Briefsammlungen (eine frühe, 135 Stücke umfassende Sammlung aus der Zeit von 1153 bis 1161 und eine spätere, auf die Jahre 1163–1180 zurückgehende), sondern auch die – von Blumenroth so genannten – »schismabezogenen Schriften« im Mittelpunkt (»Entheticus maior«, »Policraticus«, »Metalogicon«, »Historia pontificalis«).

Kapitel II untersucht unter dem Oberbegriff »Orientierung und Obödienzwerbung« die Klärung der Papstfrage (1159–1160). Dabei geht es zunächst um die Einordnung der durch das Schisma ausgelösten kirchlichen Krise und um das Bild der Kontrahenten, sodann um die Einordnung der staufischen Politik und das Bild Kaiser Friedrich Barbarossas, bevor abschließend die Schismapolitik Heinrichs II. Plantagenet in den Blick gefasst wird. Kapitel III (»Appell und politische Instrumentalisierung«) stellt das Schisma zur Zeit des Becketkonflikts (1164–1170) in den Mittelpunkt, wobei es zunächst um die Einordnung der Kirchenkrise und der päpstlichen Kontrahenten, um Sichtweisen auf die »Rollen« Kaiser Friedrich Barbarossas und höfischer Akteure sowie – spiegelbildlich dazu – um die Sichtweisen auf die Rollen Heinrichs II. Plantagenet und seiner Akteure geht. Ein Anhang stellt die wichtigsten Briefzeugnisse in einem chronologischen Überblick dar, wobei sich vor allem die Kurzbeschreibungen der Briefe zur ersten Orientierung als überaus hilfreich erweisen (S. 773–779).

Auf überzeugende Weise gelingt es Blumenroth zu zeigen, wie sehr das Alexandrinische Schisma in der schriftlichen Kommunikation zwischen Arnulf von Lisieux und Johannes von Salisbury immer wieder ein Thema war, wie intensiv die seit 1159 offene Papstfrage im England der Zeit rezipiert wurde und vor allem: wie lebendig das Schismabild der beiden Protagonisten, das nahezu bei jedem Wendepunkt des Konflikts reflektiert und aktualisiert wurde (S. 747), gewesen ist. Besonders deutlich kann gezeigt werden, wie der seit 1164 aufbrechende Konflikt um Thomas Becket, den 1170 ermordeten Erzbischof von Canterbury, im Disput um den richtigen Papst eine wesentliche Rolle spielte und wie sich die beiden Konflikte überlappten und verzahnten. Die Wahrnehmung der beiden Konflikte habe sich gegenseitig bedingt (S. 747); zwischen dem Schisma und dem Becketkonflikt sei eine »geradezu providentielle Beziehung« (S. 561) hergestellt worden. Das wirft ein erhellendes Licht auf die Gestalt dieser Konflikte. Briefgeschichtlich betrachtet wird – im Falle Arnulfs – auf Tendenzen zu Verzerrung und Manipulation (S. 133) ebenso hingewiesen wie – im Falle Johannes’ – auf die bedeutsamen Unterschiede seiner beiden Sammlungen, die in ihrem ganzen Gedankenreichtum und ihrer sprachlichen Kunst eindrucksvoll hervortreten.

Eindeutig hat das Buch Überlänge! Die Autorin folgt damit einem allgemeinen (eher unguten) Trend von Dissertationsschriften, den sie nicht ausgelöst hat und den man ihr als solchen nicht zum Vorwurf machen kann. Dennoch sind 850 Seiten im Druck keine Geschmacksfrage mehr, sondern haben wesentlich damit zu tun, wie man wissenschaftliche Ergebnisse präsentieren will – und in dieser Hinsicht wäre weniger mehr gewesen. Symptomatisch dafür ist bereits der Einstieg mit dem Brexit, der für Blumenroth als Analogie für die Frage der Zugehörigkeit Englands zum Kontinent im 12. Jahrhundert gilt (S. 15). Das betrifft auch die ausführliche Wiedergabe der Biografie Johannes’ von Salisbury (S. 135–180), die in dieser Form für die Arbeit unnötig ist; eine Biografie ist eine Biografie, und eine Perzeptionsgeschichte ist eine Perzeptionsgeschichte. Zur Aufblähung tragen vor allem die vielen ausführlichen Textparaphrasen bei, inklusive – eingeschoben als eigene Absätze im Petitdruck – langer wörtlicher Zitate aus Quellen und Forschungsliteratur; vor allem letztere sind höchst entbehrlich.

Störend fällt auf, dass die Autorin dazu neigt, Johannes von Salisbury, sicherlich einer der herausragenden Intellektuellen seiner Zeit, auf ein Podest zu stellen; eine Mischung aus Memoiren, philosophischem Traktat und geschichtlichem Bericht, wie ihn die »Historia pontificalis« darstellt, ist in der mittelalterlichen Geschichtsschreibung nicht so »einzigartig« (S. 189). Schwerlich dem Stil einer wissenschaftlichen Arbeit angemessen sind immer wieder vorkommende, allzu dramatische Zuspitzungen (»Barbarossas erneuter Zug nach Reichsitalien fiel wie ein Funke auf Zunder«, S. 526; die im Lande »wütende« Kirchenspaltung, S. 746 etc.) oder hingeworfene Aphorismen (»Johann von Salisbury war nicht weltfremd«, S. 72), die weniger für Lebendigkeit sorgen als dass sie einen ruhigen, konzentrierten Gedankenfluss verhindern.

Die Ausdrucksweise ist zuweilen recht blumig: Was ist eine »niedergelegte Vorstellung« (S. 27), was eine »vorbildliche Chiffre« (S. 193), was ein »Kaiserpapst« (S. 514) (der etwas anderes ist als ein »kaiserlicher Papst«), was eine «Respektstellung« (S. 156)? Unfreiwillig komisch ist es, von »Friedrichs Ausstoß aus der Kirche« (S. 409) zu reden, wenn seine Exkommunikation bzw. umgangssprachlich sein »Hinauswurf« gemeint ist. Manchmal gelingen bemerkenswerte Stilblüten: »In fachlicher Hinsicht hinterließ der englische Magister seinen Fingerabdruck als tonangebender Stimulus in einer rheinischen Blüte kirchenrechtlicher Studien« (S. 532, in Replik auf ein zuvor gebrachtes Zitat von Herkenrath). Irreführend ist es, »Rom« als Synonym für die Papststadt zu verwenden (S. 290): Eine solche terminologische Verengung unterschlägt das wichtige kommunale Element, das sich gerade im Zeitalter Alexanders III. mit Vehemenz äußerte und von dem speziell dieser Papst ein Lied singen konnte.

Schwerlich kann man heute noch sagen, dass das staufische Kaisertum in den 50er-Jahren auf der Basis »des Gedankens einer Renovatio Imperii die spätrömische christliche Kaiserzeit als politisches und konstitutionelles Vorbild der Reichspolitik« hatte (S. 625) – was die Rompolitik des Kaisertums, bei aller Bedeutung des Gegenstands, überstrapaziert und gerade für das Konstitutionelle explizit nicht gilt. Auch sollte man nicht mehr von einer »staufischen Reichs- oder Herrschaftsideologie» (S. 16) reden; eine solche »Ideologie« hat es als generationenumspannendes Spezifikum einer Familie nicht gegeben. Ähnlich skeptisch wäre ich bei der »staufischen sacrum imperium-Idee des 12. Jhs.« (S. 601), die das individuelle, notarsabhängige Element des Begriffs verkennt.

Es wäre angesichts der Quellen- und Literaturmassen, die das Buch bewältigt, kleinlich, der Autorin das Fehlen des einen oder anderen Titels vorzuhalten, dennoch wundert es, dass beim Überblick über die – für die moderne Rezeption des Schismas zentrale – Barbarossaliteratur (S. 17, Anm. 11) ausgerechnet die Barbarossa-Biografie von Knut Görich fehlt. Ebenso wenig lässt sich nachvollziehen, dass beim Hoftag von Besançon von 1157 die Forschungsgeschichte bei Heinemeyer1 aufhört und nicht bis Weinfurter2 oder Hehl3 ausgezogen wird. Im Hinblick auf die Erörterungen über Romanum imperium und Romanorum imperator (S. 623) wäre – bei aller Bescheidenheit – ein Blick in meine Arbeit »Herrscher- und Reichstitel bei Kaisertum und Papsttum im 12. und 13. Jahrhundert« (2003) nützlich gewesen.

Dennoch: Das Buch stellt einen wichtigen Beitrag dar zur Geschichte der römischen Kirche, der Briefe, der Perzeptionstechniken und der Verflechtungen der europäischen Intellektualität des 12. Jahrhunderts diesseits und jenseits des Kanals und ist als Diskussionsgegenstand zukünftiger Forschung uneingeschränkt zu begrüßen, wenn es auch zuweilen etwas ungeformt erscheint und nicht in allem überlegt zu Ende gedacht wurde.

1 Walter Heinemeyer, »beneficium – non feudum sed bonum factum«. Der Streit auf dem Reichstag zu Besançon, in: Archiv für Diplomatik 15 (1969), S. 155–236.
2 Stefan Weinfurter, Die Päpste als »Lehnsherren« von Königen und Kaisern im 11. und 12. Jahrhundert?, in: Karl-Heinz Spieß (Hrsg.), Ausbildung und Verbreitung des Lehnswesens im Reich und in Italien im 12. und 13. Jahrhundert, Ostfildern 2013 (Vorträge und Forschungen, 76), S. 17–40.
3 Ernst-Dieter Hehl, Beneficium – wohlwollend interpretiert. Der Hoftag von Besançon 1157, in: Janus Gudian u. a. (Hrsg.), Erinnerungswege. Kolloquium zu Ehren von Johannes Fried, Stuttgart 2018 (Frankfurter historische Abhandlungen, 49), S. 135–156.

Zitationsempfehlung/Pour citer cet article:

Jörg Schwarz, Rezension von/compte rendu de: Isabel Blumenroth, Das Alexandrinische Schisma in Briefen und Ideenwelt des Arnulf von Lisieux und Johannes von Salisbury, Wien, Köln (Böhlau) 2021, 847 S., 2 s/w. Abb. (Papsttum im mittelalterlichen Europa, 10), ISBN 978-3-412-52207-0, EUR 110,00., in: Francia-Recensio 2021/4, Mittelalter – Moyen Âge (500–1500), DOI: https://doi.org/10.11588/frrec.2021.4.85038