Die Diagnosen zum Zustand und zu den Aussichten der Demokratie als Regierungs- und Lebensform fallen derzeit eher düster aus. Der relativierende Hinweis, dass die Klage über die Krise der Demokratie so alt sei wie diese selbst (Wolfgang Merkel), verfängt kaum. Von einer »Verwahrlosung« der Demokratie ist die Rede, von ihrem »Zerfall« oder gar von ihrem »Ende«. Obwohl die Autoren dreier neuer Bücher zum Thema dramatisierende Töne dieser Art vermeiden – dass die Demokratie weltweit in Gefahr ist, stellen sie nicht in Abrede. Die ebenso unaufgeregten wie profunden Analysen der vier Politikwissenschaftler lassen Leserinnen und Leser allerdings nicht mit einem Gefühl der Ohnmacht zurück. Vielmehr räumen sie ein, dass es gute Gründe gibt, mit dem Funktionieren demokratischer Systeme unzufrieden zu sein – und zeigen zugleich, wie die vielfältigen Gefährdungen überwunden werden könnten.

Adam Przeworski, ein in Polen geborener und an der New York University lehrender Politikwissenschaftler, hat das für Historiker wahrscheinlich interessanteste Buch vorgelegt. Er geht nämlich ausführlich auf die »historischen Erfahrungen« solcher Demokratien ein, die »zu einer bestimmten Zeit als stabil betrachtet werden konnten, weil sie mindestens zwei friedliche Machtwechsel infolge von Wahlen erlebt hatten« (S. 34), und vergleicht zwei Beispiele für das Scheitern der Demokratie – die Weimarer Republik zwischen 1928 und 1933, Chile zwischen 1970 und 1973 – sowie zwei für deren Überleben – Frankreich in den 1950er Jahren und 1968, die Vereinigten Staaten zwischen 1964 und 1974. Wichtige Voraussetzungen einer funktionierenden Demokratie – ein »gewisses Maß an wirtschaftlichem Wohlstand, ausreichendes Vertrauen der Bürger in die politischen Institutionen oder ein Minimum an öffentlicher Ordnung« (S. 12) – waren in Deutschland und Chile nicht mehr vorhanden. Zugleich betont er die Rolle einzelner Protagonisten, deren Wahrnehmungen und Handlungen »am Ende […] über den Ausgang einer Krise entscheiden« (S. 96). Sein ernüchterndes, gleichwohl zutreffendes Zwischenfazit am Ende des »historischen« Teils lautet, dass »wir nur sehr beschränkte Lehren aus der Geschichte ziehen können« (S. 97).

Nach diesem Blick in die Vergangenheit wendet sich Przeworski im zweiten Teil des Buchs der Gegenwart zu. Als Anzeichen für die Krise der Demokratie identifiziert er eine »rasch voranschreitende Erosion« traditioneller Parteiensysteme, den »Siegeszug fremdenfeindlicher, rassistischer und nationalistischer Parteien« und eine »schwindende Zustimmung zur ›Demokratie‹ in Meinungsumfragen« (S. 102). Hier kann er mit interessanten empirischen Befunden etwa zur »Volatilität der Parteipräferenzen« (S. 104) oder zur »Krise der Repräsentation« (S. 120) aufwarten. Als wichtige Erklärungen dieser Krisenphänomene nennt er wirtschaftliche Faktoren wie eine Verlangsamung des Wachstums, Einkommensstagnation und Ungleichheit, sowie politische wie Polarisierung, Rassismus und zunehmende Feindseligkeit gegenüber Andersdenkenden. Irgendwelche unumstößlichen Kausalketten möchte er aus seinen Beobachtungen indes nicht ableiten: »Wir können lediglich darüber spekulieren, welche Überlebenschancen die Demokratie unter den beobachteten Bedingungen hat« (S. 166).

Im dritten Teil wagt Przeworski einen Blick in die Zukunft. Ausgehend von der Überlegung, dass die Demokratie dann gut funktioniert, »wenn die politischen Institutionen alle gesellschaftlichen Konflikte strukturieren, absorbieren und regulieren« (S. 167), setzt er sich mit den verschiedenen Methoden zur Verarbeitung von politischen und gesellschaftlichen Konflikten auseinander. Falls die Intensität der Konflikte soweit ansteige, dass eine Polarisierung der Gesellschaft drohe, werde es »schwierig oder sogar unmöglich, Maßnahmen zu ergreifen, die für alle wichtigen politischen Kräfte akzeptabel sind« (S. 196). Wie könnte der Sturz eines demokratischen Regimes bewerkstelligt werden? Nachdrücklich warnt er vor einer »Rückentwicklung« in einem »Prozess der graduellen Erosion der demokratischen Institutionen und Normen« (S. 198) durch »bestimmte Schritte« einer »antidemokratischen« Regierung, die »allesamt nicht offen verfassungswidrig oder undemokratisch sind, in ihrer Gesamtheit« jedoch schon (S. 210). Zwar glaubt Przeworski nicht, dass »in den meisten Ländern das Überleben der Demokratie an sich auf dem Spiel steht« (S. 236) – doch für die Überwindung der gegenwärtigen Unzufriedenheit mit der Demokratie hat er keine einfachen Rezepte parat.

Armin Schäfer, Professor für Politikwissenschaft in Münster, und Michael Zürn, Direktor am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung und Professor für internationale Beziehungen an der FU Berlin, wählen einen anderen Zugriff auf die Thematik. Sie sind überzeugt, dass sich die »Qualität der demokratischen Regierungsform auch in vermeintlich konsolidierten Demokratien verschlechtert« habe (S. 12). Wie schon andere Forscher vor ihnen verwenden sie dafür den Begriff der »demokratischen Regression«. Mit diesem Begriff wollen sie eine »doppelte Entfremdung« fassen: »die abstrakte Entfremdung der Praxis vom demokratischen Ideal und die konkrete Entfremdung der Bürgerinnen von den demokratischen Institutionen« (S. 11). Sie konstatieren, dass nicht »alle gesellschaftlichen Gruppen […] gleich gut repräsentiert« werden (S. 17) und nicht die »gleiche Chance« haben, »dass ihre Anliegen gehört und politisch umgesetzt werden« (S. 19). Diese realen »Schwächen der demokratischen Praxis« begünstigten den Aufstieg des »autoritären Populismus«, der beanspruche, den »Interessen der einfachen Menschen und stillen Mehrheiten wieder Geltung« zu verschaffen (S. 22). Um den Zusammenhang zwischen der Krise der Demokratie und dem »neuen« Populismus geht es denn auch hauptsächlich in ihrem Buch.

Nach der Erörterung der Frage, welche Merkmale eine Demokratie definieren, und einer kritischen Bestandsaufnahme der Ursachen der demokratischen »Erfolgsgeschichte« nach dem Zweiten Weltkrieg mit dem Zwischenfazit, dass sich ein »säkularer Trend zugunsten der Demokratie […] nicht nachweisen« lasse (S. 57), gehen sie vorrangig der Frage nach, warum sich auch einige »altehrwürdige« Demokratien als »anfällig für den Rechtspopulismus erwiesen, obwohl sie zu den reichsten Staaten der Welt gehören und seit Jahrzehnten als liberale Demokratien eingeordnet werden« (S. 59). Ihre im Einklang mit neueren Forschungen stehende These: eine »zentrale Ursache« sei die »mangelnde Repräsentativität in den wichtigsten Entscheidungsorganen der Demokratie« (S. 61). Den Populismus, und hier setzten sie sich von der Forschung deutlich ab, begreifen Schäfer und Zürn keineswegs als »dünne Ideologie«, sondern als »Set von substanziellen politischen Positionen und Ideen« (S. 64): Populismus hege eine »homogene Volksvorstellung«, sei »nationalistisch«, »dezionistisch« und habe eine »mehrheitsfixierte Komponente« (S. 65 f.). Mit anderen Worten, der »gegenwärtige Populismus« sei »zwar kein dominantes und historisch gewachsenes Skript, aber eine vollwertige politische Ideologie, die durch mehr als nur eine Gegenüberstellung von ›korrupten Eliten‹ und ›reinem Volk‹ gekennzeichnet« sei (S. 68).

Anschließend setzen sich die beiden ausführlich mit der »Krise der Repräsentation« oder, anders gewendet, der Unzufriedenheit großer Teile der Bevölkerung weniger mit bestimmten Politiken, sondern vielmehr mit dem politischen System insgesamt und den Entscheidungsträgern und -trägerinnen. Besonderes Augenmerk widmen die Autoren der »undemokratischen« Rolle »nichtmajoritärer Institutionen« (S. 103 ff.) wie Verfassungsgerichten, Zentralbanken oder der Europäischen Union. Ein eigenes Kapitel widmen Schäfer und Zürn den Krisen in der Demokratie, also beispielsweise der Finanz- und Eurokrise, der »Flüchtlingskrise« und der Coronakrise – Krisen, in denen sich die »konsolidierten Demokratien […] als vergleichsweise gute Krisenmanager« zeigten (S. 136). Paradoxerweise, so ihre Beobachtung, sei das Vertrauen in sie zurückgegangen, während populistische Parteien etwa von der Coronakrise profitieren konnten, obwohl sie »beim Krisenmanagement kläglich versagt« (S. 164) hätten. Die beiden Politikwissenschaftler leiten daraus die These ab, dass die »Herrschaft der autoritären Populisten« in »kaum einer Hinsicht die Qualität der Demokratie« verbessert habe, vielmehr führe sie »in fast allen Dimensionen zu einer Verschlechterung« (S. 177). Gleichwohl fordern sie dazu auf, »darüber nachzudenken, ob das von den autoritären Populisten attackierte ›System‹ nicht tatsächlich Defizite« aufweise; nötig sei »nicht nur eine Kritik der Unzulänglichkeiten der autoritären Populisten, sondern auch eine Kritik des demokratischen Systems« (S. 196). Sie schließen ihr Buch mit zehn teils allgemeinen, teils konkreten Empfehlungen, wie die Demokratie wiederbelebt und dem Problem des autoritären Populismus damit begegnet werden könnte.

Philip Manow, Professor für Politikwissenschaft an der Universität Bremen und 2018 bereits mit einer Studie zur politischen Ökonomie des Populismus in Erscheinung getreten, konzentriert sich erneut auf den Populismus. In ihm, so seine zentrale These, bündelten sich »zwei Prozesse«: »Der Populismus unserer Gegenwart konfrontiert uns mit der widersprüchlichen Gleichzeitigkeit, aber auch mit dem latenten Zusammenhang von zwei Entwicklungen, die ich Demokratisierung und Entdemokratisierung der Demokratie nennen möchte« (S. 13, Hervorhebung im Original). Im Anschluss an Cas Mudde und Cristóbal Rovira Kaltwasser deutet er Populismus im Wesentlichen als eine »illiberale demokratische Antwort auf undemokratischen Liberalismus« (S. 18). Denn die »Demokratie, wie wir sie bislang kannten, funktioniert nicht mehr richtig«, und man könne sie schlecht gegen ihre »Herausforderer« verteidigen, »wenn man ihre gegenwärtigen Schwächen nicht thematisiert, weil man sich darin eingerichtet hat, Ursache und Folge zu verwechseln« (S. 23). Den Begriff der Demokratisierung möchte er übrigens »rein analytisch, nicht normativ« verstanden wissen: »Er bezeichnet schlicht die Ausweitung von Partizipationschancen bzw. den Kollaps tradierter Exklusionsmechanismen« (S. 24).

Derart aufgeklärt, können Leser und Leserinnen Manows mitunter durchaus provozierenden Überlegungen folgen, zunächst zum Problem der »Demokratisierung der Demokratie«, anschließend zu dem der »Entdemokratisierung der Demokratie«. Er erinnert daran, dass der Begriff »Demokratie« bis weit ins 19. Jahrhundert hinein eine »Verfallsform politischer Herrschaft« bezeichnete (S. 30) und die Demokratie als »Gefahr für das Gemeinwesen« (S. 31) begriffen worden sei. Ausführlich beleuchtet er die Unterscheidung zwischen »Volk« und »Pöbel« und verweist darauf, dass »die Demokratie 1789 inmitten der wildesten Hetzreden und der gröbsten Obszönitäten auf die Welt kam […], vorangetrieben von einer Menge, die dann ja oft doch nur ein Lynchmob war« (S. 56). Das dürfte gewiss stimmen, doch was besagt das für den aktuellen Umgang mit dem Phänomen des Populismus?

Im Anschluss geht Manow der Frage nach, »was mit der repräsentativen Demokratie geschieht, wenn Parteien die in der repräsentativen Demokratie anfallenden multiplen politischen Koordinierungsfunktionen immer weniger zu erfüllen vermögen« (S. 69). In diesem Zusammenhang diskutiert er anhand der Fälle Corbyn, Trump und Macron auch das Problem der Führungsauslese: Das neue politische Führungspersonal, so sein Befund, suche sich »einfach neue Parteien« (S. 103). Diese Beobachtung trifft in den erwähnten Fällen zwar (teilweise) zu, doch ist die empirische Basis momentan noch zu schmal, um daraus einen Trend ableiten zu können.

Im zweiten, kürzeren Teil geht es um die Entdemokratisierung der Demokratie. Bedenkenswert erscheinen hier insbesondere Manows Überlegungen zur »Demokratiegefährdung durch Demokratiegefährdungsdiskurse« (S. 124), mit denen er gängigen Gefährdungsdiagnosen deutlich widerspricht. Hier plädiert er für mehr Gelassenheit, denn der »Streit über die Demokratie gehört […] in gewissem Sinne zu ihr« (S. 139): »Die beständige Gefahr besteht darin, dass die Feinde der Demokratie im Namen der Demokratie die Demokratie kapern könnten«. Heute lasse sich »nur noch ein als Demokratie legitimiertes Ende der Demokratie vorstellen« (S. 140). Wirklich beruhigend ist das nicht, zumal Manow sein Buch mit der These ausklingen lässt, »dass wir nicht nur mit keiner Krise der Demokratie konfrontiert sind, sondern ganz im Gegenteil mit einer Demokratisierung der Demokratie, die sie aus ihrer institutionellen und konstitutionellen, und das heißt auch aus ihrer internationalen Einhegung mehr und mehr hinausführt« (S. 174). Hatten Schäfer und Zürn im Gegensatz dazu gerade die Bedeutung spezifisch historischer Kontextbedingungen für die Ausbreitung der Demokratie hervorgehoben (Schäfer, Zürn, S. 57), möchte Manow diesen »Rahmen« offensichtlich loswerden.

Reichlich Stoff zum Nachdenken also. Wer sich auf breiter empirischer Grundlage und anhand der relevanten einschlägigen Literatur über den gegenwärtigen Zustand der Demokratie, ihre drängendsten Probleme und ihre Aussichten informieren möchte, dem sei die Lektüre der drei Bücher unbedingt empfohlen. Sie bieten eine Fülle von Daten, pointierte Überlegungen und teilweise auch Vorschläge, wie das Überleben der Demokratie gesichert werden könnte. Und ungeachtet des düsteren Themas bereitet die Lektüre durchaus intellektuelles Vergnügen.

Zitationsempfehlung/Pour citer cet article:

Werner Bührer, Rezension von/compte rendu de: Adam Przeworski, Krisen der Demokratie. Aus dem Englischen von Stephan Gebauer, Berlin (Suhrkamp) 2020, 256 S. (edition suhrkamp, 2751), ISBN 978-3-518-12751-3, EUR 18,00; Armin Schäfer, Michael Zürn, Die demokratische Regression. Die politischen Ursachen des autoritären Populismus, Berlin (Suhrkamp) 2021, 246 S. (edition suhrkamp, 2749), ISBN 978-3-518-12749-0, EUR 16,00; Philip Manow, (Ent-)Demokratisierung der Demokratie. Ein Essay, Berlin (Suhrkamp) 2020, 214 S. (edition suhrkamp, 2753), ISBN 978-3-518-12753-7, EUR 16,00., in: Francia-Recensio 2021/4, 19.–21. Jahrhundert – Histoire contemporaine, DOI: https://doi.org/10.11588/frrec.2021.4.85136