Was war die Fronde? Eine anarchische Revolte gegen den Disziplinierungsdruck der Monarchie, die vor allem der Bevölkerung großes Leid brachte? Ein letztes Aufbegehren gegen den »Absolutismus«, den von Richelieu und Mazarin konsequent vorangetriebenen Aufbau eines zentralistisch regierten Frankreichs? Oder eine Revolution, die Frankreich auf den englischen Weg einer konstitutionellen Monarchie gebracht hätte? Die von David Parrott vorgelegte Studie über die Ereignisse des Jahres 1652 schließt sich keinen dieser traditionellen Interpretationen der Fronde an. Vielmehr hat er sich von einem Klassiker der englischen Geschichtsschreibung inspirieren lassen: »The Roman Revolution« (1939) von Ronald Symes, in dem der Übergang von der Republik zum Prinzipat als Kampf der Individuen, Eliten und Netzwerke erklärt wird.

Parrot greift Symes Deutung auf und stellt seine beiden Protagonisten, Mazarin und Condé, ins Zentrum seiner »Ereignisgeschichte« des Jahres 1652, dem Moment der »Krisis« dieses Machtkampfes mehrerer Clans um den dominierenden Einfluss auf die Regierung des Königreiches. Ziel ist es, den Sieg Mazarins über Condé nicht als unvermeidlichen Sieg des »Absolutismus« zu deuten, sondern die Offenheit der Situation herauszuarbeiten und dem historischen Zufall seinen Raum zu geben.

Dies verbindet Parrott mit einer genauen Analyse der klimatischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen des Jahres, die einen nicht unerheblichen Einfluss auf die Ereignisse hatten. Der Höhepunkt der klimatischen Extreme der »Kleinen Eiszeit« fiel in die Jahre der Fronde. Die bereits durch fortwährend schlechte Ernten und seit Jahrzehnten unter steigenden Steuerforderungen leidende Landbevölkerung wurde nun – erstmals seit den Religionskriegen – auch im Inneren des Königreiches von den Auswirkungen frühneuzeitlicher Kriegsführung getroffen. Als Ursprung der Fronde identifiziert Parrott das seit den 1630er Jahren herrschende »système de l’extraordinaire«, mit dem versucht wurde, die ständig steigenden Kosten des Krieges aufzufangen (S. 21f).

Nachdem es der Krone, und besonders Mazarin, nach 1649 nicht gelang (und er auch nicht willens war), Condé, der Mazarin bei der Überwindung der Fronde parlementaire unterstützt hatte, in die Regentschaftsregierung zu integrieren, führte dessen Gefangennahme zu jenem Bürgerkrieg, der 1652 seinen Höhepunkt erlebte.

Parrott zeigt Mazarin und Condé als »Warlords«, die in erster Linie eigene Interessen verfolgten. Das Bild Mazarins als kluger Vollender von Richelieus Außenpolitik wird dekonstruiert. Schon 1648 habe Mazarin letztlich versäumt, auf die spanische Friedensbereitschaft einzugehen – mit katastrophalen Folgen. Denn parallel zum Bürgerkrieg ging der Krieg gegen Spanien weiter, mit dem Ergebnis, dass Frankreich alle seine militärischen Erfolge, die es seit 1635 errungen hatte, binnen eines Jahres verlor. Das Jahr 1652 leitete eine Serie von Niederlagen gegen Spanien ein. Erst 1658, durch den Erfolg in der Schlacht »in den Dünen« vor Dünkirchen, konnte das Blatt wieder gewendet werden.

Mazarin war 1651 ins Exil geschickt worden, womit eine der wichtigsten Forderungen der Fronde erfüllt wurde. Anfang 1652 drängte er nun auf Rückkehr, denn nur an der Seite der Königin konnte er seinen erworbenen Reichtum langfristig für seine Familie sichern. Mit Mazarin kam eine eigens von ihm ausgehobene Armee, womit er auch faktisch zu einem »Warlord« wurde. Kleinere und größere Zusammenstöße dieser sehr beweglichen, kleinen Armeen prägten das Jahr und brachten große Zerstörung und Leid über das Land. Ziel dieses Manöverkrieges war immer wieder die Kontrolle von strategisch wichtigen Festungen wie Rethel oder Sedan an der Grenze zu den Spanischen Niederlanden. Sedan und das Herzogtum Bouillon wurden zu Mazarins Machtbasis.

Mehr noch als Mazarin schildert Parrott Condé als einen Condottiere, der nur auf eigene Rechnung kämpfte. An seiner Qualität als militärischer Führer besteht kein Zweifel, doch war er unfähig – ein großer Nachtteil gegenüber Mazarin – politische Ziele konsequent zu verfolgen und sich eine loyale Gefolgschaft zu erhalten. Condés »Rollenmodell«, das Vorbildern wie Wallenstein und anderen Kriegsunternehmern des Dreißigjährigen Krieges entsprach (S. 214), führte ihn letztlich in spanische Dienste. Überhaupt Spanien: Überzeugend zeigt Parrott, wie es Madrid gelang, den Bürgerkrieg am Leben zu halten und davon militärisch zu profitieren. Condé wurde finanziell und mit Truppen unterstützt, wobei genau darauf geachtet wurde, kein zu großes Risiko einzugehen.

Mazarins Erfolg gründete auf zwei Pfeilern: Erstens gelang es ihm, die Gunst Anne d’Autriches und des jungen Königs zu bewahren, was ihm den Zugang zu Ressourcen, Ämtern und Finanzen ermöglichte; und zweitens auf der Bereitschaft der Klientel Condés, Mazarins Angebote anzunehmen. Verhandelt, oder besser, geschachert wurde das ganze Jahr, doch Condé war nicht in der Lage zu erkennen, wann er Angebote anzunehmen hatte.

Andere Adlige waren darin weitaus geschickter, wie Parrott am Beispiel des Herzogs von Harcourt zeigt. Harcourt stand das ganze Jahr loyal zur Krone, um am Ende die Forderungen für seine Treue bis zum Äußersten in die Höhe zu schrauben. Anders als Condé wusste er, wann er einlenken musste, und kassierte dann noch einmal. Mazarin wusste, wie er Condés Unterstützer im Adel auf seine Seite ziehen konnte: Durch Rangerhöhungen – 1652 kam es zu einer veritablen Inflation der Titel, allein 139 Beförderungen zum Maréchal de camp erfolgten (S. 262).

Am Ende des Jahres 1652 stand Mazarin als Sieger in diesem Kampf der »Clans« fest. Seine Position festigte er, indem er sich die Kontrolle über Schlüsselfestungen des Landes sicherte, wie La Fère (Picardie), Metz, Breisach, Philippsburg im Osten, Brouage, La Rochelle, Aunis, Oléron und die Île de Ré an der Atlantikküste wurden systematisch befestigt und gegen Handstreiche gesichert – sie würden in einem weiteren Bürgerkrieg als Rückzugsorte dienen. Fouquet verhielt sich mit dem Ausbau von Belle-Île zur Festung nicht anders. Dies würde 1661 als Hochverrat beurteilt werden.

Eine Fortsetzung der Studie ist geplant, Parrott will in der Tat die wenig erforschten Jahre zwischen Ende der Fronde und Regierungsantritt Ludwigs XIV. einer Neubewertung unterziehen. Parrott legt nicht nur eine überzeugende Deutung dieses Schicksalsjahres der Fronde vor, sondern demonstriert eindringlich und vorbildlich in Präzision und Quellennähe, wie eine problemorientierte Politik- und »Ereignisgeschichte« aussehen kann.

Zitationsempfehlung/Pour citer cet article:

Sven Externbrink, Rezension von/compte rendu de: David Parrott, 1652. The Cardinal, the Prince, and the Crisis of the »Fronde«, Oxford (Oxford University Press) 2020, 336 p., 12 black and white maps, ISBN 978-0-19-879746-3, USD 85,00., in: Francia-Recensio 2022/1, Frühe Neuzeit – Revolution – Empire (1500–1815), DOI: https://doi.org/10.11588/frrec.2022.1.87437