Für den heute noch erhaltenen Handschriftenbestand der Zisterzienserprimarabtei Clairvaux ist bislang kein vollständiger Handschriftenkatalog mit modernen wissenschaftlichen Beschreibungen verfügbar. 1979 erschien eine Edition des Bibliothekskatalogs von 1472 als erster Band des mehrbändigen Werkes »La bibliothèque de l’abbaye de Clairvaux du XIIe au XVIIIe siècle«. Ein moderner Handschriftenkatalog wird den als »Manuscrits conservés« bezeichneten zweiten Band dieses Werkes bilden, doch ist bisher erst ein Teilband veröffentlicht worden: im Jahr 1997. Für die verbleibenden 515 Handschriften sind vier weitere Teilbände geplant, deren zweiter zuerst erschienen und hier zu besprechen ist. Er stellt damit den insgesamt dritten der voraussichtlich fünf Teile des Handschriftenkatalogs dar und wird deshalb als Band 2,3 des Gesamtwerks gezählt.

Der vorliegende Teilband enthält die Beschreibungen von 143 Handschriften der Signaturengruppen O, P und Q des Katalogs von 1472. Diese Manuskripte, die vor allem Predigten und Predigthilfen überliefern, werden heute größtenteils in der Bibliothèque municipale von Troyes aufbewahrt, einige aber auch in Berlin, Florenz, Montpellier oder Paris. Wie es sich Forscherinnen und Forscher von einem neuen Handschriftenkatalog erhoffen dürften, konnte auch für diesen eine Reihe von Texten identifiziert werden, deren Überlieferung in den bekannten Handschriften der Abteibibliothek von Clairvaux bisher gänzlich unbekannt war oder kaum Beachtung fand. Dankenswerterweise bietet gleich die Einleitung (S. 13–32) auf den S. 15–17 eine nach Themenbereichen (»Théologie«, »Droit canonique«, »Morale et ascétique«, »Prédication«, »Philosophie et sciences«) geordnete Liste der überraschend vielen neu identifizierten Textzeugen mit den zugehörigen Alt-Signaturen der Handschriften aus dem Katalog von 1472, in denen sie überliefert sind. Überhaupt ist die Einleitung, neben dem detaillierten Register am Ende des Bandes, ein zweites nützliches Instrument zur Benutzung des Bandes. So finden sich dort neben der erwähnten Liste vormals unbekannter Textzeugen eine kurze Übersicht über die in den vergangenen Jahren an anderer Stelle in der Forschungsliteratur berichteten Identifikationen und Zuschreibungen von Texten aus den Handschriften der Abteibibliothek, ein Paragraf zu den in diesem Katalog erstmals detailliert beschriebenen Predigtsammlungen und ein Überblick zu jüngeren umfangreicheren Publikationen über einzelne Handschriften. Ferner führt die Einleitung noch in die für diesen Teilkatalog relevanten Bestandsgruppen der Bibliothek ein und wirft ein besonderes Schlaglicht auf Codices mit hagiografischen Werken. Zum Abschluss folgen Hinweise zum Aufbau der Handschriftenbeschreibungen und zu weiteren Katalogisierungsprinzipien, die in dem Band zur Anwendung gekommen sind.

Der Hauptteil des Buches ist der eigentliche Handschriftenkatalog (S. 35–426), der strikt nach den Signaturen des spätmittelalterlichen Bibliothekskatalogs geordnet ist. Statt einer eigenen Konkordanz listet das Inhaltsverzeichnis (S. 501f.) in den aufeinanderfolgenden drei Rubriken »Cotes O«, »Cotes P« und »Cotes Q« hinter jeder Altsignatur aus Clairvaux gleich die derzeitige Signatur der den jeweiligen Codex heute verwahrenden Bibliothek und die Seitenzahl des Beginns der jeweiligen Beschreibung im vorliegenden Katalogband.

Inhaltlich bilden auch die noch erhaltenen Handschriften der Bibliothek, die in diesem Teilband beschrieben werden, die in einer Abtei wie Clairvaux zu erwartende Vielfalt an Werken ab – letztlich sogar eine noch größere Vielfalt, als man beim Titel dieses Teilbandes, »Sermons et instruments pour la prédication« vielleicht annehmen könnte. Da es sich oft um Sammelhandschriften handelt, finden sich alle möglichen Werke diverser theologischer, aber auch weiterer Themenbereiche zumindest in kurzen Auszügen oder als Florilegien in diesen Codices wieder. Selbst klassische Werke wie Ciceros »De amicitia« und »De senectute« (beide in diesem Katalogband neu identifiziert) sowie sowohl »De bello Iudaico« als auch die »Antiquitates Iudaicae« des Flavius Josephus in der Übersetzung von Rufin bzw. Cassiodor sind vertreten. Hier einen umfassenden Überblick zu geben, führte zu weit, diesen können sich Leserinnen und Leser ohnehin leicht über die umfangreichen Register verschaffen, über die später noch zu sprechen sein wird.

Wenigstens Beispiele für die Kerninhalte laut dem Titel des vorliegenden Buches seien aber genannt. An Verfassern von Predigten begegnen uns bekannte Größen wie Bonaventura, Pierre Roger (der spätere Papst Clemens VI.), Jacques de Vitry, Guibert de Tournay und natürlich Bernhard von Clairvaux. Aber auch von den Predigten, die in Schneyers »Repertorium der lateinischen Sermones des Mittelalters« Jean d’Aulnay, einem Kanoniker aus Saint-Victor de Paris, zugeschrieben wurden, waren Kopien in Clairvaux vorhanden, von denen im vorliegenden Katalogband zwei neue identifiziert werden konnten. Hinzu kommen Predigten und Predigtsammlungen vieler weiterer namentlich bekannter Autoren, aber auch viele anonym überlieferte einzelne Predigten und Kollektionen. Exempelsammlungen wie der »Dialogus miraculorum« des Caesarius von Heisterbach fehlen ebenso wenig wie die »Ars praedicandi« des Alanus ab Insulis (in zwei bisher nicht bekannten Kopien), diverse Tugend- und Lastertraktate oder Legendensammlungen wie die »Legenda aurea«, von der in Clairvaux gleich neun lateinische Exemplare früher Redaktionen vorhanden waren, und weitere hagiografische Werke. Exemplare der »Forma praedicandi« Roberts of Basevorn, der »Ars componendi sermones« von Ranulph Higden oder des »Processus negociandi themata sermonum« von Jean de la Rochelle (von dem aber Predigten und andere Werke in der Abteibibliothek von Clairvaux standen) scheinen dagegen nicht vorhanden gewesen zu sein. Es ist freilich ebenso denkbar, dass sich diese Werke in Handschriften anderer Bestandsgruppen der Bibliothek außerhalb der in diesem Teilkatalog behandelten befinden oder heute nicht mehr erhalten sind. Neu identifiziert werden konnten neben den schon angesprochenen Werken beispielsweise auch bisher unbekannte Kopien eines vermutlich Jean de la Rochelle zuzuschreibenden Sentenzenkommentars, von dessen »Tractatus de divisione multiplici potentiarum animae«, des »Chronicon« Ados von Vienne, der »Proverbia« von Wipo, von Bonaventuras »Breviloquium« oder von Nicolas’ de Gorrans »Themata de sanctis«.

Den 500-seitigen Band be- und erschließen sechs Indices (S. 427–499): Dem Index der beschriebenen und zitierten Handschriften folgt ein Register der Autoren und Werke, ein Index von hagiografischen Werken, ein Initienregister, das nacheinander die Incipits der Predigten, der weiteren (lateinischen) Texte und der französischsprachigen Texte auflistet, ein Register der Personen- und Ortsnamen und schließlich ein Exlibrisverzeichnis, das zuerst chronologisch und, innerhalb der einzelnen Datierungsperioden, nach Signaturen geordnet ist.

In der Summe und im Einzelnen haben wir es mit einem äußert reichhaltigen Katalogband zu tun. An Details mangelt es nicht, so umfasst etwa die Beschreibung der Handschrift O36 an die 30 Seiten in dem knapp an das DIN-A4-Format heranreichenden Buch. Es ist ihm und seinen künftigen Nutzerinnen und Nutzern zu wünschen, dass der Band trotz seines stattlichen Preises und der zunehmend knapperen Budgets wissenschaftlicher Bibliotheken in möglichst vielen Handschriftenlesesälen zu finden sein wird. Zu hoffen bleibt schließlich, dass bis zum Erscheinen des nächsten Teilkatalogs nicht wieder 25 Jahre vergehen werden.

Zitationsempfehlung/Pour citer cet article:

Björn Gebert, Rezension von/compte rendu de: Jean-Pierre Rothschild, Caroline Heid (dir.), La bibliothèque de l’abbaye de Clairvaux du XIIe au XVIIIe siècle. Tome 2: Les manuscrits conservés. Troisième partie, Sermons et instruments pour la prédication: Manuscrits des cotes O, P, Q, Paris (CNRS Éditions) 2021, 502 p. (Documents, études et répertoires. Série »Histoire des bibliothèques médiévales«, 91), ISBN 978-2-271-13787-6, EUR 120,00., in: Francia-Recensio 2022/1, Mittelalter – Moyen Âge (500–1500), DOI: https://doi.org/10.11588/frrec.2022.1.87471