Mit diesem Band ist in den »Medieval Church Studies« eine weitere Publikation erschienen, die explizit Bischöfe in den Mittelpunkt stellt. Hervorgegangen aus der Ende Mai 2017 an der Universität Aberdeen veranstalteten Abschlusstagung des Projekts »A Prosopographical Study of Bishops’ Careers in Northern Europe«, versammelt der Band neben einer Einleitung 13 Aufsätze, die die Forschungsinhalte des Projekts, das sich insbesondere den mittelalterlichen Bistümern der britischen Inseln, des nördlichen Atlantiks und Skandinaviens gewidmet hatte (S. IX, 1f.), nicht nur aufnehmen, sondern auch in einen größeren europäischen Kontext stellen. Ziel ist es somit, Studien mit umfangreichen Vergleichsmöglichkeiten zum episkopalen Wirken, zu Karrierewegen von Prälaten und ihren Netzwerken vorzulegen.

Dies geschieht, indem Beispiele aus England, Frankreich (Meaux), Portugal, Kastilien/León (Sigüenza, Burgos, Salamanca), Zentral-/Norditalien (als ganze Regionen, ferner Volterra), Skandinavien (Nidaros, Schweden), Polen, Kroatien/Dalmatien (Split) beleuchtet werden. Die Beiträge decken insgesamt den Zeitraum vom 12. bis zum beginnenden 16. Jahrhundert ab, wobei der Schwerpunkt auf dem 13. bis 15. Jahrhundert liegt. Vier Sektionen gliedern die Forschungen nach methodischen Herangehensweisen und spezifischen Untersuchungsfragen.

Die erste Sektion mit dem Titel »Cohorts of Bishops« umfasst vier Aufsätze, die sich alle mit prosopografischen Mitteln jeweils einer regional und zeitlich umrissenen Gruppe von Kirchenfürsten nähern. Katherine Harvey blickt auf den »Courtier Bishop in Thirteenth-Century England« und weist mit ihrer Untersuchung der damaligen Neubesetzungsvorgänge der englischen Bischofsstühle nach, dass Geistliche mit Verwaltungserfahrung und Kontakten zum Königshof die Anforderungen des geistlich wie weltlich ausgerichteten Bischofsamtes trotz zeitgenössischer Kritik oftmals besonders gut erfüllten. Hermínia Vasconcelos Vilar widmet sich dem schwierigen Verhältnis der Könige von Portugal zur Kirche zwischen 1268 und 1289, indem sie den Rückzug der meisten portugiesischen Bischöfe an die Kurie, ihre dortigen Beschwerden über König Alfons III. und die folgenden Verhandlungen thematisiert. Im Mittelpunkt des Beitrags von Stefano G. Magni steht der Episkopat der nord- und zentralitalienischen Diözesen Padua, Pisa, Siena, Parma, Gubbio und Asti, wobei deutlich wird, dass dort Adelsfamilien Abkömmlinge als Bischöfe installierten, die dann ihre Dynastiemitglieder mit Gütern, Benefizien oder kirchlichen Ämtern förderten und somit soziale Mobilität ermöglichten (S. 68f.). Am Beispiel der Bischöfe von Meaux erörtert Christine Barralis, wie zwischen 1197 und 1510 die Bischofswahlen des Domkapitels von päpstlichen Provisionen unter königlichem Einfluss abgelöst wurden, woraufhin sich das Profil der Oberhirten und letztlich auch der Status der Diözese wandelte.

Im Zeichen der Netzwerkforschung steht die zweite Sektion »Episcopal Networks«: Eingangs behandelt Jacek Maciejewski die familiären Verbindungen, die Adelsdynastien aufbauten und nutzten, um ihren Mitgliedern den Weg auf Bischofsstühle der polnischen Kirche zu ebnen ‒ eine geistliche Karriere bis zum Bischofsamt war oft vor allem dann möglich, wenn Verwandte, die bereits als Kirchenfürsten oder in einem Domkapitel wirkten, ihre Unterstützung einbrachten. Bezogen auf das Kathedralkapital von Sigüenza zeichnet Aída Portilla González ein ähnliches Bild: Sie beleuchtet mit anschaulich präsentiertem Datenmaterial zu 300 Provisionsvorgängen und den Netzwerken beteiligter Kleriker den Aufstieg von Geistlichen und zeigt, dass Mitglieder des Kapitels von Sigüenza ‒ ähnlich wie in anderen Diözesen jener Zeit ‒ teils eine große Nähe zu hochrangigen kirchlichen Akteuren der Region oder auch des königlichen Hofs und der Kurie hatten (S. 138). Steinar Imsen widmet sich der Metropolitangewalt der Erzbischöfe von Nidaros und den Beziehungen zu ihren Suffraganen einschließlich der Frage, woher die in der Kirchenprovinz eingesetzten Prälaten stammten und wie sie in ihre Ämter gelangten. So entsteht ein anschauliches Bild erzbischöflicher Netzwerke und Einflüsse bis hin nach Island und in den nördlichen Atlantik.

Demgegenüber thematisiert die dritte Sektion »Individual Bishops«: Jacopo Paganelli legt eine Fallstudie mit Edition bislang ungedruckter Quellen zum Bistum Volterra im Episkopat von Bischof Alberto Scolari (1261‒1269) vor und macht deutlich, dass auch hier Wechselwirkungen zwischen dem Oberhirten und seiner Dynastie ebenso wie Einflüsse größerer politischer Zusammenhänge beobachtet werden können. Fernando Gutiérrez Baños lenkt den Blick nach Salamanca, wo von 1310 bis 1324 Bischof Pedro Pérez de Monroy amtierte, und geht dieser Persönlichkeit nach, wobei einmal mehr die Bedeutung familiärer Relationen zutage tritt. Der nachfolgende Beitrag von Susana Guijarro bezieht sich ebenfalls auf die Iberische Halbinsel, steht doch Luis de Acuña im Mittelpunkt, der von 1456 bis 1495 äußerst lang als Bischof von Burgos amtierte, ebenfalls auf ein umfangreiches Netzwerk Verwandter und Vertrauter zurückgriff sowie je nach komplexer politischer Situation mit dem Königtum, Adligen und städtischen wie kirchlichen Akteuren interagierte.

Die höchste klerikale Ebene wird in der vierten Sektion »Bishops and the Papacy« behandelt. Fabrizio Pagnoni untersucht die Neubesetzung norditalienischer Bischofsstühle unter Papst Johannes XXII., wobei deutlich wird, dass das Papsttum bereits begonnene Entwicklungen beschleunigte und der Anteil kurial bestimmter Bischöfe massiv anstieg (S. 245–256), wodurch sich letztlich das Profil des norditalienischen Episkopats veränderte. Mit dem Aufsatz von Mišo Petrović zu den Erzbischöfen von Split und ihren geistlichen Karrierewegen zwischen 1294 und 1426 gelangt eine Region in den Fokus, in der der Einfluss der Prälaten kontinuierlich sank und Neubesetzungen ebenfalls Resultate hochgradig verschränkter Interessenlagen regionaler Akteure waren. Abschließend richtet Kirsi Salonen den Blick auf die Aufenthalte schwedischer Bischöfe an der Römischen Kurie zwischen ca. 1450 und 1527 und weist nach, dass diese skandinavischen Prälaten in hohem Maße kurienfern agierten, da ‒ aus vielfältigen politischen oder zeitlichen Gründen ‒ nur wenige Reisen nach Rom zum Empfang der Weihe und gleichfalls wenige ad limina-Besuche dokumentiert sind.

Der über einen Index erschlossene Band bietet damit ein breites geografisches Panorama zu mittelalterlichen Neubesetzungsvorgängen von Bischofsstühlen, zu klerikalen Netzwerken und episkopalen Karrierewegen, das mit seinen unterschiedlichen Analysebeispielen aufschlussreiche Parallelen rund um die Einflusssphären von Adel, Kathedralkapitel, Königtum und Kurie aufscheinen lässt. Interessant wäre es gewesen, in den präsentierten, fruchtbaren Analysedesigns auch einen Blick auf Diözesen des römisch-deutschen nordalpinen Reichs zu werfen, da sich hier weitere Vergleichsmöglichkeiten im europäischen Kontext aufgetan hätten. Insgesamt eröffnet der sehr informative Band aber mit seinem vorliegenden geografischen Spektrum äußerst lesenswerte, neue Einblicke in die mittelalterliche bischöfliche Geschichte Europas.

Zitationsempfehlung/Pour citer cet article:

Frederieke Maria Schnack, Rezension von/compte rendu de: Sarah E. Thomas (ed.), Bishops’ Identities, Careers, and Networks in Medieval Europe, Turnhout (Brepols) 2021, VIII‑312 p., 3 diagr., 6 b/w ill., 3 maps, 10 b/w tabl. ill. (Medieval Church Studies, 44), ISBN 978-2-503-57910-8, EUR 85,00., in: Francia-Recensio 2022/1, Mittelalter – Moyen Âge (500–1500), DOI: https://doi.org/10.11588/frrec.2022.1.87476