Das Adelsgeschlecht Coligny-Châtillon zählt ohne Frage zu jenen Familien, deren Geschichte aufs Engste mit der Geschichte Frankreichs in der Frühen Neuzeit verbunden ist. Diese Bedeutung lässt sich – exemplarisch – an ihrem wohl bekanntesten Mitglied ablesen: Gaspard II. de Coligny, seit 1552 amiral de France, der ab Ende der 1550er Jahre zu einer der zentralen Führungspersönlichkeiten der hugenottischen Partei aufstieg, die politische Entwicklung der Minderheit in den 1560er Jahren entscheidend beeinflusste und dessen Ermordung in der Nacht vom 23. auf den 24. August 1572 den Auslöser der Bartholomäusnacht bildete. Sein Vater, Gaspard I. de Coligny, hatte den französischen Königen Anfang des 16. Jahrhunderts als maréchal de France gedient; eine Position, die auch sein Enkel Gaspard III. de Coligny im 17. Jahrhundert bekleidete. Die Coligny-Châtillons gehörten damit zur engsten Funktionselite der Krone, und zwar insbesondere in jener für die Loyalitäten des französischen Hochadels herausfordernden Phase der frühneuzeitlichen französischen Geschichte, die von Reformation, calvinistischer Mission und Religionskriegen geprägt wurde. Wenngleich einzelne Mitglieder der Familie Coligny-Châtillon bereits im Fokus biografischer Untersuchungen gestanden haben, so stellte ihre Kollektivbiografie nach wie vor ein zentrales Forschungsdesiderat dar. An dieser Stelle setzt die vorliegende Studie von Nicolas Breton an, die aus einer an der Universität von Le Mans entstandenen und von Laurent Bourquin sowie Hugues Daussy betreuten Dissertation hervorgegangen ist. Breton geht von der treffend formulierten Beobachtung aus, dass die Coligny-Châtillons eine »maison paradoxalement bien connue, mais peu étudiée« (S. 23) bilden – eine Beobachtung, der in jedem Fall zuzustimmen ist. In seiner Studie fokussiert er auf sechs Generationen der Coligny-Châtillons, beginnend mit Jean III. de Coligny in der Mitte des 15. Jahrhunderts und endend mit Gaspard IV. de Coligny in der Mitte des 17. Jahrhunderts. In den Mittelpunkt des Erkenntnisinteresses stellt Breton dabei den Begriff des »engagement«, den er als Zugang zu den Ursachen und Folgen der individuellen sowie kollektiven Motivationsebene der Akteure konzeptualisiert und in synchroner sowie diachroner Hinsicht kontextualisiert. Im Kern geht es Breton also darum, die im Untertitel formulierten »itinéraires politiques et engagements religieux« der Coligny-Châtillons nachzuzeichnen und mit Blick auf das »capital identitaire« ihrer Angehörigen zu erklären, wobei Politik und Religion – auf dem Stand der Forschung – als verflochtene und aufeinander bezogene Sphären verstanden werden. Dieses Verständnis ist vor allem deshalb von Bedeutung, weil Breton den zentralen Stellenwert der religiösen Überzeugungen der von ihm untersuchten Akteure, insbesondere im Kontext der calvinistischen Mission und der Religionskriege, für ihre politischen Aktivitäten anschaulich nachweisen kann. Auch der lange Untersuchungszeitraum bildet, in diachroner Hinsicht, einen zentralen Schlüssel zum Verständnis dieser politischen Wege und religiösen Engagements, da Breton hier zwei Jahrhunderte in den Mittelpunkt stellt, die – für ihn – mit dem Zeitpunkt » de la construction de l’État moderne et de l’accroissement de l’appareil monarchique« (S. 26) korrespondieren. Diese Perspektive bzw. Ausrichtung auf die Krone ist zwar nicht frei von teleologischen Vorstellungen in Bezug auf Staatsbildungsprozesse, entfaltet aber in langfristiger Perspektive und mit Blick auf die Coligny-Châtillons ein überzeugendes Erklärungspotential, da Breton deutlich macht, dass eine enge Anbindung an die Krone und an einen als »werdend« verstandenen französischen Staat eine zentrale Leitlinie der Coligny-Châtillons bildete. Die Hinwendung zum Calvinismus und das Eintreten in und für die hugenottische Partei erscheinen deshalb auch nur auf den ersten Blick widersprüchlich, da ihnen letztlich eine providentialistische Perspektive in Bezug auf die als zwangsläufig erachtete Konversion von Krone und Land und die Überzeugung, auf der richtigen Seite der dogmatischen Wahrheit zu stehen, zu Grunde lag. Diese Ergebnisse seiner Analyse, die Breton auf eine breite, minutiös ausgewertete Quellengrundlage stellt, die insbesondere umfangreiche Korrespondenzbestände umfasst, entfaltet er im Rahmen von drei großen Kapiteln, die sich an zentralen Knotenpunkten orientieren: Im ersten Teil steht der Aufstieg des Hauses Coligny-Châtillon zwischen der Mitte des 15. Jahrhunderts und der Mitte des 16. Jahrhunderts im Mittelpunkt; eine Phase, die mit der unter Jean III. de Coligny eingeleiteten Loslösung der bis dahin unterhaltenen Allianzen und Verbindungen der Familie begann und die mit der Übernahme herausragender Funktionen innerhalb der königlichen Funktionselite, aber auch der Hinwendung zum Calvinismus Mitte der 1550er Jahre endete. Der zweite Teil fokussiert auf das Jahrzehnt zwischen 1562 und 1572 und nimmt damit das Engagement insbesondere Gaspards II. de Coligny während der beginnenden Religionskriege in den Blick; ein Engagement, das letztlich zur Ermordung des Hugenottenführers führte. Der dritte Teil ist mit »La reconquête« passend betitelt, da Breton die Bartholomäusnacht zwar als eine entscheidende Zäsur, aber gerade nicht als Ende der Coligny-Châtillons versteht, sondern als Anfang einer Rückeroberung jener Besitzungen und jener gesellschaftlichen Stellung, die 1572 massiv in Frage standen. Diese Rückeroberung wird bis zur Mitte des 17. Jahrhunderts verfolgt, als Gaspard IV. de Coligny 1643 zum Katholizismus konvertierte und schließlich, 1649, in der königlichen Grablege in Saint-Denis beigesetzt wurde. Alles in allem schließt Bretons fundierte, auf dem Stand der Forschung stehende, jederzeit argumentativ überzeugende und gut lesbare Studie das Desiderat einer Kollektivbiografie der Châtillon-Colignys auf überzeugende Art und Weise und leistet damit einen wichtigen Forschungsbeitrag.

Zitationsempfehlung/Pour citer cet article:

Christian Wenzel, Rezension von/compte rendu de: Nicolas Breton, Je les espreuve tous. Itinéraires politiques et engagements religieux des Coligny-Châtillon (mi XVe–mi XVIIe siècle), Genève (Librairie Droz) 2020, 587 p., 8 ill. (Travaux d’Humanisme et Renaissance, 612), ISBN 978-2-600-06049-3, CHF 73,80., in: Francia-Recensio 2022/2, Frühe Neuzeit – Revolution – Empire (1500–1815), DOI: https://doi.org/10.11588/frrec.2022.2.89097