Jean Bodins »De la Démonomanie des Sorciers«nimmt im Ranking der Zeitgenossen und der Geschichtswissenschaft einen Spitzenplatz unter den dämonologischen Werken der Frühen Neuzeit ein. Das hat seinen Grund nicht zuletzt im Renommee eines Autors, dessen »Les six livres de la République« von 1576 als eine der wichtigsten staatstheoretischen Schriften der Epoche gelten und dessen Engagement gegen die teuflische Hexensekte man kaum als persönlichen Spleen oder mangelnde Intellektualität abqualifizieren konnte, anders als etwa im Fall des notorischen Hexenhammers. Nun hat unser Wissen über alles, was mit dem Hexenwesen zusammenhängt, im Zuge einer europaweiten Forschungskonjunktur in den letzten Jahrzehnten fast exponentiell zugenommen. Auch das Werk von Bodin wurde in diesem Zusammenhang oft zum Thema, wie der einleitende, gut informierte Überblick des Autors über die deutsch-, französisch- und englischsprachige Forschungslandschaft verdeutlicht. Lattmann verfolgt in seiner 2017 an der Universität Zürich verteidigten Dissertation mit seinem dezidiert rechtsgeschichtlichen Konzept einen Ansatz, der bislang nach seiner Auffassung eher unterbelichtet geblieben ist. Er identifiziert drei rechtswissenschaftlich bedeutsame Themenkomplexe, die er untersuchen will: erstens Bodins besondere Religiosität als »ideologische Basis« seines Rechtsdenkens; zweitens die materiellrechtliche Bestimmung des crimen magiae; und schließlich drittens die prozessualen Bestimmungen, wie ein Hexenprozess zu führen sei.

Damit sind direkt die Grenzen der Untersuchung angesprochen. Es geht um eine werkimmanente Rekonstruktion, die Bezüge zur Rechtspraxis weitgehend ausblendet und auch nur sehr gelegentliche Seitenblicke auf das Gesamtœuvre Bodins wirft. Zwar wird direkt am Beginn der Untersuchung dargelegt, dass nach Bodins eigener Darstellung der Strafprozess gegen Jeanne Harvillier vom Frühjahr 1578 den Anlass für die Abfassung seines Traktates gegeben hatte. Aber obwohl dieser Prozess im Weiteren gelegentlich als Informationsquelle Erwähnung findet, werden die eigenen Erfahrungen des Autors kaum näher thematisiert. Auch die Rezeption seines Traktates wird ausgeblendet – verständlich aus arbeitspragmatischen Gründen bei einer nebenberuflich entstandenen Dissertation, gleichwohl bedauerlich. Lattmann legt seiner Analyse eine online verfügbare französische Ausgabe aus dem Jahr 1587 zugrunde, deren Inhalte er in einer einleitenden Hinführung kurz Revue passieren lässt. Das ist, zumal für eine deutschsprachige Arbeit, ein prinzipiell guter Ansatz; die zeitgenössische Übersetzung aus der Feder von Johann Fischart, bereits ein Jahr nach der französischen Erstausgabe erschienen, ist bekanntermaßen eine eher freie Übertragung und verlangt deshalb nach separater Bearbeitung – momentan bereitet ein Team um Tobias Bulang in Heidelberg eine moderne Edition vor. Bedauerlicherweise gibt Lattmann jedoch keine weitere Rechenschaft darüber, warum er gerade diese Ausgabe zugrunde legt bzw. ob und wie sie sich von anderen Ausgaben inhaltlich unterscheidet. Ausgeklammert wird überdies die am Ende des vierten Buches stehende »Réfutation des opinions de Jean Wier«, in der der Franzose die skeptischen Argumente des niederrheinischen Arztes und Humanisten Johannes Weyer auseinandernimmt. Der knappe Hinweis darauf, die Kontroverse sei ausreichend untersucht, überzeugt nicht vollends, spielen doch einige zentrale Themen, die von Lattmann behandelt werden (etwa die Frage des Hexenpaktes) in dieser Kontroverse eine wichtige Rolle.

Im ersten Hauptteil der Studie »Weltbild und Recht« erörtert Lattmann die Rolle der drei am Hexenwesen beteiligten Hauptakteure. Im Zentrum seines theokratischen Weltbildes steht ein überragender alttestamentlicher Gott als Quelle allen Rechts und als letzter Adressat einer Justiz, die den Zorn des Schöpfers durch ihr Tun abzuwenden hat. Als Kontrahent der Rechtspflege fungiert der Teufel, dem Gott im Rahmen seiner unergründlichen Providenz Böses zu tun erlaubt, und als ihr Objekt fungiert der Mensch, der im Rahmen seiner Willensfreiheit einen Vertrag mit dem Teufel eingehen kann und dafür bestraft werden muss. So weit, so konventionell. Deutlich wird jedoch, dass Bodin hier mit seinen »puristisch-alttestamentlichen Überzeugungen« einen vergleichsweise extremen Standpunkt einnimmt, nach dem etwa schon einfache abergläubische Handlungen wie die Verwendung von Amuletten einen Rechtsvertrag mit dem Satan begründen können.

Mit dem »materiellen Strafrecht« befasst sich der zweite Hauptteil der Studie. Eine umfassende normative Fixierung des Hexereidelikts existierte bislang in der französischen Gesetzgebung nicht, und es war das Anliegen Bodins, durch die umfassende Sichtung aller möglichen rechtlichen Traditionen eine solche umfassende Deliktbestimmung zu leisten. Grundlage bildete einmal mehr das alttestamentliche ius divinum, aus dem Bodin allein fünfzehn Delikttatbestände der Hexerei ableitet, vom religiösen Hochverrat über den Götzendienst bis hin zu Vergehen gegen Leib und Leben. Aber auch das ius naturale wird zur Begründung herangezogen, findet Bodin doch bei allen Völkern zu allen Zeiten eine Kriminalisierung des crimen magiae, die seine Rechtsauffassung stützt. Anders als die äußerst knappe Definition eines Zauberers bzw. einer Hexe (»…jemand, der mit teuflischen Mitteln wissentlich etwas zu erreichen sucht«) nahelegen könnte, steht der Schadenszauber weniger im Zentrum von Bodins Deliktkonzeption. Vielmehr sind die anderen Aspekte des kumulativen Hexenbegriffs zentraler, insbesondere der Teufelspakt, aber auch die Teufelsbuhlschaft, der Hexenflug und der Hexensabbat. Insgesamt entfaltet Bodin so systematisch wie kaum irgendjemand den Straftatbestand der Hexerei – wer nach einer materiellrechtlichen Begründung für Hexenprozesse suchte, wurde hier fündig.

Aber auch darüber, wie ein solcher Hexenprozess zu führen war, informierte Bodin, und folgerichtig stellt das »prozessuale Hexenrecht« den dritten Hauptteil dar. Grundlage dafür bildete der Inquisitionsprozess in seiner französischen Variante, wie er in der Ordonnance de Villers-Cotterêts von 1539 vergleichsweise knapp fixiert worden war. Das Verfahren gegen Hexen, wie es Bodin in der »Démonomanie« festhält, unterscheidet sich in vielen Aspekten von diesem regulären Strafprozess. Nach Auffassung von Lattmann entspricht das ganz der Perhorreszierung von Vaganten, Mordbrennern und anderen Staatsfeinden, die schon die »Sechs Bücher« beherrscht hatte. Von diesem Ausgangspunkt her gelangt Bodin zu seiner Qualifikation der Hexerei als crimen exceptum. Zwar erfand er diese Lehre von den Ausnahmeverbrechen nicht, konzipierte aber in einzigartiger Konsequenz die Hexerei als ein solches Sonderdelikt, das angemessen nur im Rahmen eines besonderen Verfahrens rechtlich bearbeitet werden müsse: »Im Hexereiverfahren der Démonomanie werden die prozessualen Hindernisse des geltenden Rechts in aller erdenklichen Weise abgetragen« (S. 339). Das betrifft die Einleitung des Verfahrens, etwa durch anonyme Denunziationen, ebenso Erleichterungen hinsichtlich des Beweisrechts und der Regularien von Zeugenvernehmungen und Folteranwendung, und schließlich auch die entschlossene Verhängung härtester Strafen und die Verengung von Spielräumen für mildernde Umstände – »ein Sonderrecht durch und durch« (S. 344). Hier, wie in den meisten anderen Teilen seiner Arbeit, bestätigt Lattmann weitgehend das Urteil der bisherigen Forschung. Obwohl seine Untersuchung wenig wirklich Neues bringt, ist seine unvergleichlich systematische Rekonstruktion eines zentralen frühneuzeitlichen Rechtshandbuchs zur Hexerei doch wertvoll. Sie wird für künftige vergleichende Forschungen ein unverzichtbarer Referenzpunkt sein.

Zitationsempfehlung/Pour citer cet article:

Gerd Schwerhoff, Rezension von/compte rendu de: Christopher Lattmann, Der Teufel, die Hexe und der Rechtsgelehrte. Crimen magiae und Hexenprozess in Jean Bodins »De la Démonomanie des Sorciers«, Frankfurt a. M. (Vittorio Klostermann) 2019, XVI–390 S. (Studien zur europäischen Rechtsgeschichte, 318), ISBN 978-3-465-04389-8, EUR 69,00., in: Francia-Recensio 2022/2, Frühe Neuzeit – Revolution – Empire (1500–1815), DOI: https://doi.org/10.11588/frrec.2022.2.89111