Nachdem 1994 der erste Band des großangelegten Werkes »Hagiographies« von Guy Philippart herausgegeben wurde, sind inzwischen 26 Jahre vergangen, bis der hier zu besprechende achte Teil vorlag. Das Konzept war von Anfang an so angelegt, dass die sukzessiv eintreffenden Beiträge zu unterschiedlichen Ländern und Gebieten des lateinischen Westens und zu verschiedenen Epochen möglichst rasch publiziert werden, ohne Rücksicht auf das Inhaltsverzeichnis, das insgesamt 16 verschiedene »Länder« ausweist. Dieser achte Band komplettiert nun das Panorama mit weiteren handbuchartigen Beiträgen für folgende Gegenden: Marianna Cerno und Maddalena Betti zur lateinischen Hagiografie in Böhmen und Mähren (S. 15–139) sowie dann vor allem zur Gallia im frühen Mittelalter (S. 750–950), das nach einem Beitrag von Joseph-Claude Poulin zu Alkuin (S. 145–184) nach Regionen und Kirchenprovinzen bzw. Diözesen behandelt wird: Joseph-Claude Poulin zur Bretagne (S. 89–242), Lucile Trân Duc und Charles Mériaux zu Le Mans und Angers (S. 243–257), Lucile Trân Duc zu Rouen (S. 261–286), Joseph-Claude Poulin zur Basse-Normandie (S. 287–309), Marie-Céline Isaïa zu Reims, Soissons und Laon (S. 315–365), Paul Chaffenet und Michèle Gaillard zu Noyon (S. 367–377), Klaus Krönert und Michèle Gaillard zu Châlons-en-Champagne (S. 379–387), Charles Mériaux zu Senlis und Beauvais (S. 389–407), Fernand Peloux zu Amiens (S. 409–450), Michèle Gaillard zu Sens, Troyes und Nevers (S. 453–471), Anne-Marie Bultot-Verleysen zu Auxerre (S. 473–492), Hélène Caillaud zusammen mit Michèle Gaillard und Klaus Krönert zu Orléans (S. 493–514), Klaus Krönert zu Paris (S. 515–590), Marie-Céline Isaïa zu Lyon (S. 593–598), Michèle Gaillard und Alain Rauwel zu den Suffraganen Lyons (S. 599–610), Anne-Marie Bultot-Verleysen zu Vienne (S. 613–638), Fernand Peloux zu den Suffraganen von Vienne (S. 639–680), Éric Chevalley zur Passio der Genfer Heiligen Victor und Ursus (S. 681–694), Éric Chevalley zur Tarentaise (S. 695–720) und Anne Wagner zu Besançon (S. 721–727). Zum deutschen Sprachraum steuert Klaus Krönert für die Jahre 750 bis 1100 noch ein Supplement bei (S. 731–764).

Die einzelnen Beiträge von ausgewiesenen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern sind kenntnisreich verfasst und konzentrieren sich zumeist auf die Überlieferung und Zusammenstellung bestimmter hagiografischer Dossiers. Dies bringt es mit sich, dass der weitere Blick zur Wirkung der jeweiligen hagiografischen Texte eher ausgeblendet wird. Auch könnten die Werke der »Hagiografen« zumindest in Bezug auf die Autoren breiter gewürdigt werden: Ado von Vienne oder Hinkmar von Reims sind vor allem als »Nichthagiografen« bekannt, bieten aber in ihren anderen Schriften durchaus Spuren von dem, was Marc van Uytfanghe als den »discours hagiographique« bezeichnet hat. Hier sollte man sich der neueren Forschung stärker öffnen. Auch Traditionen wie diejenigen zu Kyrill und Method (S. 59–63) waren politisch zu wirkmächtig, sodass man sich auch hier einen Seitenblick in die »Bohemia-Moravia Pontificia« oder die Papstregesten der »Regesta Imperii« gewünscht hätte. Zum Beitrag über den heilige Vinzenz (S. 540–550) hätte die tiefgehende Monografie von Sofia Meyer (Der heilige Vinzenz von Zaragoza, Stuttgart 2012) herangezogen werden können, um auf dem neuesten Stand zu sein.

Je weiter das Werk fortschreitet, desto unübersichtlicher wird es leider auch. Inzwischen wünscht man sich für jeden Band (oder besser für alle) wenigstens ein Verzeichnis der behandelten Heiligen, so wird der soeben genannte Vinzenz nicht nur in diesem Band, sondern auch im Spanienteil behandelt. Dass Michèle Gaillard im Anschluss an das Supplement von Klaus Krönert noch einen verdienstvollen Beitrag zur heiligen Odile beisteuert (S. 765–769) lässt sich nicht aus der table générale erkennen, es findet sich nur im detaillierten Inhaltsverzeichnis am Schluss des Bandes, das aber lediglich den Beginn des Großkapitels erkennen lässt. Für die Präsentationsformen bleiben also Wünsche offen. Jedoch darf die Forschung dankbar sein, dass neben der böhmischen auch die frühmittelalterliche Hagiografie der aire française nun gründlich aufgearbeitet wurde, in diesem Fall nach Diözesen, ein Prinzip, das für die anderen Länder nicht angewandt wurde.

Zitationsempfehlung/Pour citer cet article:

Klaus Herbers, Rezension von/compte rendu de: Michèle Gaillard, Monique Goullet (dir.), Hagiographies. Histoire internationale de la littérature hagiographique latine et vernaculaire en Occident des origines à 1550 / International History of the Latin and Vernacular Hagiographical Literature in the West from its Origins to 1550, Turnhout (Brepols) 2020, 789 p. (Corpus Christianorum. Hagiographies, 8), ISBN 978-2-503-58912-1, EUR 295,00., in: Francia-Recensio 2022/2, Mittelalter – Moyen Âge (500–1500), DOI: https://doi.org/10.11588/frrec.2022.2.89145