In kurzen Abständen erschienen wieder zwei Bände der »Fasti Ecclesiae Gallicanae«. Derjenige zu Évreux behandelt – nach Rouen (1998) und Sées (2005) – die dritte Diözese der Kirchenprovinz Rouen, derjenige zu Clermont – nach Rodez (2002) und Mende (2004) – die dritte der Kirchenprovinz Bourges. Auf einen darstellenden Teil folgt jeweils der umfangreichere prosopografische mit Angaben zu den Bischöfen, Dignitären und Domkanonikern.

Es ist eine Stärke der »Fasti«, im ersten Teil keinem festen Schema zu folgen, sondern die Themen zu behandeln, die für die jeweilige Diözese von besonderem Interesse sind. Im Band zu Évreux sind dies, neben der »Notice institutionnelle« (S. 3–25), »La cathédrale d’Évreux et son environnement« (S. 27–44), »Le quartier cathédral dans la ville médiévale« (S. 45–62), »Évêques et chanoines d’Évreux dans les verrières de la cathédrale« (S. 63–78) sowie »Les stalles de la cathédrale« (S. 79–85). Es folgt eine Übersicht über die Quellen und die Literatur (S. 87–107). Zu ergänzen wäre hier die Arbeit von Harald Müller, Päpstliche Delegationsgerichtsbarkeit in der Normandie (12. und frühes 13. Jahrhundert), Bd. 1–2, Bonn 1997 (Studien und Dokumente zur Gallia Pontificia, 4). Der zweite Teil, »Notices biographiques« (S. 109–423), umfasst Kurzbiografien der Bischöfe von Garinus de Cierrey (1193–1201) bis zu Radulphus du Fou (1479–1511) sowie Angaben zu mehr als 700 Dignitären, Domkanonikern und Geistlichen im Umfeld des Bischofs.

Als ersten Bischof von Évreux rühmt seine im 9. Jahrhundert verfasste Vita den hl. Taurinus, der in der zweiten Hälfte des 4. Jahrhunderts die Region christianisiert habe. Über seinem Grab vor den Mauern der Stadt entstand die Abtei Saint-Taurin. Im ausgehenden Mittelalter kam die Legende auf, er sei bereits von Papst Clemens I. (88–97) getauft worden, der hl. Dionysius sei sein Pate gewesen und habe ihn zur Mission nach Évreux gesandt. Tatsächlich ist der erste sicher bezeugte Bischof von Évreux Maurusio, der 511 am Konzil von Orléans teilnahm. Die Diözese erstreckte sich über das Territorium der civitas Ebroicorum, der Eburoviken, eines keltisch-gallischen Volksstamms. Sie war von geringer Ausdehnung und umfasste nur ca. 500 Pfarreien. Im Nordosten trennte die Seine sie vom Bistum Rouen, im Westen die Charentonne von Lisieux, im Süden die Avre von Chartres, während es im Südwesten keine natürliche Grenze zu Sées gab.

Seit der zweiten Hälfte des 11. Jahrhunderts sind drei Archidiakone belegt, die zunächst in enger Abhängigkeit vom Bischof fungierten. Eine genaue territoriale Abgrenzung ihrer Amtsbezirke dürfte erst im 13. Jahrhundert erfolgt sein; sie waren in 12 Dekanate gegliedert. Ein bischöflicher Offizial ist erstmals 1208 bezeugt.

Die Kathedrale lag stets intra muros. Die Abfolge der Bauten ist allerdings umstritten. Vielleicht wurde bereits im 6. Jahrhundert eine Marienkirche mit Baptisterium und domus episcopalis im Südwesten nahe der römischen Stadtmauer errichtet. Belegt ist, dass 1076 eine Kathedrale geweiht wurde. Sie wurde 1119 zerstört, als der englische König Heinrich I. die Stadt belagerte und niederbrennen ließ. Der sofort in Angriff genommene Neubau war spätestens 1138/39 vollendet. Im 13. und 14. Jahrhundert erfolgte eine gotische Neugestaltung, weitere Arbeiten wurden bis ins 17. Jahrhundert vorgenommen. Bemerkenswert ist, dass sich im 14. und 15. Jahrhundert mehrere Bischöfe und Kanoniker zu Lebzeiten auf (heute noch erhaltenen) Kirchenfenstern abbilden ließen, um so ihre Memoria zu sichern.

Bei einem Blick auf die Bischofsliste sucht man vergeblich nach großen Namen: Nur zwei von ihnen stiegen zum Kardinalat auf. Die jährlichen Einkünfte des Bischofs waren bescheiden. Mit ca. 2 500 Florentinern lagen sie weit unter denen der Vorsteher von Lisieux, Bayeux, Chartres und Rouen, die mehr als 4 000 Florentiner einnahmen. Sein weltlicher Besitz war gering, einen bedeutenden Lehnshof konnte er, wie auch die anderen normannischen Bischöfe, nicht aufbauen. In seiner Bischofsstadt verfügte er lediglich über die Niederjustiz, während die Hochjustiz in Händen des Grafen lag. Gegenüber dem Domkapitel nahm er hingegen eine starke Stellung ein. Er besetzte die Kanonikate, nur der Dekan, der erstmals 1032 oder 1080 belegt ist, wurde vom Kapitel bestimmt.

Das Kapitel besaß auch das Recht zur Bischofswahl. Es wurde von den Herzögen der Normandie aus dem Hause Plantagenêt respektiert und 1200 von König Philipp II. Augustus bestätigt. Während der Vakanz übte der König die weltlichen Rechte aus. Er bezog die Einkünfte und vergab die Domkanonikate. Die Ursprünge des Domkapitels reichen vielleicht schon in die Zeit vor den Normanneneinfällen zurück. Es umfasste zunächst acht Kanoniker, die auch in späterer Zeit eine besondere Gruppe bildeten. Neue Pfründen wurden erst in der zweiten Hälfte des 12. und im 13. Jahrhundert vom Adel, vor allem den Grafen von Évreux, gestiftet, der sich so die Möglichkeit schuf, Angehörige im Domkapitel unterzubringen. Eine Besonderheit dieses Gremiums war, dass ihm seit 1207 auf Geheiß des Bischofs auch der Abt von Le Bec-Hellouin angehörte, obwohl sein Kloster in der Diözese Rouen lag. Damit verbunden war eine Gebetsverbrüderung zwischen dem Domkapitel und dem Benediktinerkonvent.

Anders gesetzt sind die Akzente im Band zur Diözese Clermont. Um Überschneidungen mit dem Band aus der Reihe »La grâce d’une cathédrale1« zu vermeiden, konzentriert sich der erste Teil neben der »Notice institutionnelle« (S. 3–33) auf die Liturgie: »La cathédrale, lieu de la liturgie« (S. 35–46) und »La liturgie de la cathédrale et l’usage de Clermont« (S. 47–78). Aufgelistet werden zudem die Quellen und die Literatur (S. 79–106). Leider fehlt der Aufsatz von Rémy Rocques, Les modalités d’intégration de l’Auvergne au domaine royal, XIIe–XIIIe siècles, in: Francia 44 (2017), S. 79–97. Die »Notices biographiques« (S. 107–349) bieten Kurzbiografien der Bischöfe von Robert d’Auvergne (1196–1227) bis zu Charles II de Bourbon (1488–1505) sowie Angaben zu 654 Dignitären, Domkanonikern und Geistlichen im Umfeld des Bischofs. Insgesamt amtierten während des behandelten Zeitraums nur 19 Bischöfe, von denen namentlich Charles Ier de Bourbon (1476–1488) und Charles II de Bourbon einer sehr bedeutenden Familie entstammten. In der Liste der Generalvikare findet sich auch Guillaume de Grimoard, der spätere Papst Urban V. (S. 215 Nr. 331).

Als erster Bischof gilt der hl. Austremonius, der im frühen 4. Jahrhundert wirkte. Da sich die Diözese über die civitas der Arverner erstreckte, bezeichnete ihr Vorsteher sich zunächst als episcopus Arvernorum oder Arverniaesedis. Erst seit dem 12. Jahrhundert wich dieser Titel dem eines episcopus Claromontensis oder ecclesiae Claromontensis. Die Diözese gehörte zur Kirchenprovinz Bourges, unter deren Suffraganen sie den ersten Rang einnahm. Sie grenzte an die Bistümer Lyon, Autun, Bourges, Limoges, Cahors, Rodez, Mende und Le Puy. Durch die Errichtung der neuen Diözese Saint-Flour 1317/18 verlor sie mehr als ein Viertel ihrer Pfarreien. Auffallend ist die hohe Zahl an religiösen Gemeinschaften, Kanonikerstifte wie auch Klöster, unter ihnen so bedeutende Häuser wie Sauxillanges, Issoire, La Chaise-Dieu und Souvigny. Wenngleich es Archidiakone seit dem 11. Jahrhundert gab, wurden ihnen territoriale Zuständigkeiten erst im frühen 13. Jahrhundert zugewiesen. Im folgenden Jahrhundert übernahmen allerdings die Erzpriester ihre Aufgaben. Der Bischof besaß seit der Wende vom 12. zum 13. Jahrhundert die Herrschaft über die gesamte Bischofsstadt. 1212 ist erstmals ein Offizial belegt, 1234/37 ein Generalvikar.

Auffallend ist die starke Stellung des Domkapitels. Seine Anfänge reichen in das 10. Jahrhundert zurück, feste Strukturen nahm es im 12. Jahrhundert an; die Bezeichnung capitulum ist erstmals 1157 belegt. Bis zum 14. Jahrhundert besaß es das Recht zur Bischofswahl, vergab selbst die freiwerdenden Pfründen und repräsentierte in seinem Selbstverständnis die Kirche von Clermont. Bevor der neugewählte Bischof von seiner Diözese Besitz ergriff, wurde er in das Kapitel aufgenommen. 1207 wurde die Zahl der Pfründen auf 40 festgelegt. Sechs von ihnen blieben Priestern vorbehalten, die zur Residenz verpflichtet waren. Um Kanoniker zu werden, musste man mindestens 14 Jahre alt sein. Bis zum Beginn des 13. Jahrhunderts stand der Abt an der Spitze des Kapitels, bevor er vom Dekan auf den zweiten Rang verdrängt wurde. Die Kanoniker wohnten verstreut über die Stadt, ein eigenes Viertel gab es nicht.

Eine von Bischof Namatius erbaute Kathedrale ist vor 471 belegt. Sie befand sich an der Stelle der aktuellen Domkirche, die von der Mitte des 13. bis in die erste Hälfte des 14. Jahrhunderts im gotischen Stil errichtet wurde. Architektonische Ähnlichkeiten mit dem Kölner Dom, dessen Bau etwa zur selben Zeit in Angriff genommen wurde, sind nicht zu übersehen. Es spricht für die Bedeutung des Domkapitels, wenn die Finanzierung der Arbeiten im Wesentlichen von ihm getragen wurde. Der Bischof scheint sich nicht signifikant beteiligt zu haben. Im 14. Jahrhundert feierte er nur zwölf Messen im Jahr in seiner Kathedrale. Das Kapitel gilt auch als Auftraggeber der Chorfenster vom Ende des 13. Jahrhunderts, deren Ikonografie ohne Kenntnis der im Gottesdient der Kathedrale verwendeten liturgischen Texte nicht zu verstehen ist.

Aus unterschiedlicher Perspektive behandeln beide Bände für die Geschichte der Diözesen Évreux und Clermont wichtige Aspekte. Insbesondere gewähren sie einen zuverlässigen Überblick über Anfänge und Struktur der Bistümer sowie ihrer Domkapitel. Die Forschung darf sich auf die kommenden Bände der »Fasti« freuen.

1 Hippolyte Simon (Hg.), Clermont. L’âme de l’Auvergne, Straßburg 2014 (La grâce d’une cathédrale, 12).

Zitationsempfehlung/Pour citer cet article:

Rolf Große, Rezension von/compte rendu de: Vincent Tabbagh, avec la collaboration de Yves Gallet, Kristiane Lemé-Hébuterne, Jean-Michel Matz (†), Laurent Vallière, Pierre Wech, Fasti Ecclesiae Gallicanae. Répertoire prosopographique des évêques, dignitaires et chanoines de France de 1200 à 1500. T. 20: Diocèse d’Évreux, Turnhout (Brepols), 2020, XII–496 p., 31 ill. en n/b, ISBN 978-2-503-59136-0, 70,00 EUR. Henri Hours, avec la collaboration de Jean-Baptiste Lebigue, Fasti Ecclesiae Gallicanae. Répertoire prosopographique des évêques, dignitaires et chanoines de France de 1200 à 1500. T. 21: Diocèse de Clermont, Turnhout (Brepols), 2021, X–426 p., 11 ill. en n/b, ISBN 978-2-503-59274-9, 70,00 EUR. , in: Francia-Recensio 2022/2, Mittelalter – Moyen Âge (500–1500), DOI: https://doi.org/10.11588/frrec.2022.2.89152