Ein merkwürdiges Gefühl ist es in einer Zeit, in der Covid-19 und der Krieg in der Ukraine die politischen Tagesthemen sind, ein Buch über Sterbedarstellungen von Kaisern und Königen im früheren Mittelalter zu lesen. An gegenwärtigen Bezugspunkten mangelt es der Studie, mit der Mike Janßen unter Betreuung von Matthias Becher im Wintersemester 2019/2020 an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn promoviert wurde, also nicht. Der Autor gibt in der Einleitung sogar einige Beispiele für die öffentliche Wahrnehmung von Sterben und Tod in der jüngeren Vergangenheit (S. 15–18).
Die Untersuchung von Janßen ist fast zeitgleich mit der von Manuel Kamenzin1 erschienen, und im Aufbau sind gewisse Ähnlichkeiten zu erkennen. Jedoch kann es als Gewinn betrachtet werden, dass nun die Todesdarstellungen der Kaiser und Könige vom 6. bis zur Mitte des 14. Jahrhunderts in zwei so profunden Studien analysiert wurden. Der Gestaltung des vorliegenden Bandes kommen zwölf farbige Abbildungen zugute, die die Interpretation sinnvoll illustrieren.
Die Arbeit ist in sechs Abschnitte mit unterschiedlicher Länge unterteilt. In der Einleitung (S. 15–42) beleuchtet der Autor den Forschungsstand und führt präzise in seine Fragestellung sowie den Aufbau und die Methodik ein. Voraussetzung sei, dass es bei der Vorstellung vom Tod »zwei Grundgedanken« gebe, nämlich »die Angst vor dem schlechten Sterben und die Hoffnung auf einen guten Tod« (S. 24). Sein Fokus liegt auf den Verfassern der Quellen und deren Intention. Somit ist nicht die tatsächliche Todesursache zu untersuchen, dies wäre auch kaum möglich, sondern die Darstellungsabsicht.
Das folgende Kapitel, zumeist eine anhand der Forschungsliteratur veranschaulichte Darlegung des Themas »Sterben im Mittelalter« (S. 43–100), wäre sicherlich deutlich zu kürzen. Denn so macht die Einleitung, zu dem dieser Abschnitt zweifellos zu zählen ist, gut ein Viertel der Untersuchung aus. Dennoch ist hier sowie in allen weiteren Kapiteln des Buches zu konstatieren, dass Janßen die Forschung trotz des großen Zeitrahmens souverän überblickt.
Was unter »gutem« und »schlechtem« Sterben zu verstehen ist, verdeutlicht Janßen im folgenden Abschnitt (S. 101–152). Meistens wurde als guter Tod der im Bett angesehen, wenn noch Zeit blieb, die »Sünden zu büßen und die weltlichen Angelegenheiten zu ordnen« (S. 104), während der plötzliche Tod als eher schlecht angesehen wurde. Wichtig sind die Hinweise des Autors, dass häufig auf biblische oder antike Vorbilder zurückgegriffen wurde, um gute oder schlechte Tode und damit einhergehend gute und schlechte Herrscher dazustellen (Maria oder Martin von Tours als positive, Herodes, Nero oder Arius als negative Beispiele).
Das vierte Kapitel (S. 153–311) ist das Herzstück der Arbeit. Janßen stellt drei historiografische Schriften in den Fokus und untersucht anhand derer die oben genannte Darstellungsabsicht. Es sind Gregor von Tours und sein Werk »Libri historiarum decem« sowie die Chroniken Reginos von Prüm und Thietmars von Merseburg. Hier auf Details einzugehen, würde den Rahmen dieser Besprechung sprengen. Zumeist ist bei Gregor von Tours das »schlechte« Sterben zu beobachten, das deutlich ausführlicher und mit mehr Details geschildert wird als bei Regino von Prüm. Selbstverständlich ist einschränkend hinzuzufügen, dass es in der Ottonen- und Salierzeit weniger Todesfälle von Herrschern gab als in der Merowingerzeit, sodass Thietmar von einer geringeren Zahl an Todesfällen berichtet, jedoch sterben die von ihm angeführten Könige und Kaiser allesamt einen »guten« Tod. Dabei ist natürlich zu ergänzen, dass gewaltsame Todesfälle ein Signum der fränkischen Geschichte waren (dazu ebenso das nächste Kapitel).
Es folgt im fünften Abschnitt (S. 313–383) eine ausführliche Übersicht über die Todesarten, unterschieden zwischen dem natürlichen und unnatürlichen Tod sowie dem »stillen« Tod, womit gemeint ist, dass über die genaue Todesursache keine Angaben gemacht werden konnten. Anhand mehrerer Fallstudien untersucht Janßen schließlich die unterschiedliche Darstellung frommer und unmoralischer Herrscher. Wichtig erscheint der Hinweis, dass die Todesursache in den Quellen nur ganz selten differiere. »Stirbt ein Herrscher an einer Krankheit, tut er das in der Regel in allen Überlieferungen […]« (S. 382f.).
Konzise fasst der Autor seine Ausführungen zusammen (S. 385–400). Mehrere Verzeichnisse runden die Studie ab (S. 401–446). Hilfreich ist im Anhang die tabellarische Übersicht über die einzelnen Herrscher, wo unter anderem (soweit bekannt) der Bestattungsort, die Todesursache und der Quellennachweis aufgelistet werden (S. 447–461). Das stichprobenartig überprüfte Orts- und Personenregister ist zuverlässig (S. 463–480).
Positiv zu nennen ist der gute sprachliche Ausdruck und die Verständlichkeit der Darlegung. Dies ist vor allem darin begründet, dass Janßen auf eine ausführliche Zusammenstellung der lateinischen Originalzitate im Fließtext verzichtet und diese in den Anmerkungen lediglich anführt. So ist das Werk, was leider bei Qualifikationsschriften zu selten vorkommt, nicht nur für ein Fachpublikum geeignet, sondern auch für die breitere Öffentlichkeit. Besonders im Unterricht ist dieses Buch ebenfalls sinnvoll einzusetzen.
Zitationsempfehlung/Pour citer cet article:
Timo Bollen, Rezension von/compte rendu de: Mike Janßen, Wie das Leben so der Tod. Sterbedarstellungen von Kaisern und Königen in der Historiographie des früheren Mittelalters, Göttingen (V&R unipress) 2021, 480 S., 12 Abb. (Studien zu Macht und Herrschaft, 4), ISBN 978-3-8471-1351-5, EUR 65,00., in: Francia-Recensio 2022/2, Mittelalter – Moyen Âge (500–1500), DOI: https://doi.org/10.11588/frrec.2022.2.89154