Vergleichs- und verflechtungsgeschichtliche Studien zum Faschismus haben sich im Allgemeinen auf Deutschland und Italien konzentriert, besonders auf das Verhältnis zwischen Benito Mussolinis faschistischer Diktatur und dem »Dritten Reich«1. Demgegenüber sind ähnliche Bewegungen und Regimes außereuropäischer Räume in transnationalen Studien deutlich weniger beachtet worden2. Dies trifft auch auf Ostasien zu. Nach der vorherrschenden Interpretation der Entwicklung in Japan scheiterte im Februar 1936 ein Faschismus »von unten«, als eine Erhebung junger Offiziere, die auf eine nachhaltige Stärkung der Macht des Kaisers Hirohito und eine Expansion Japans auf dem chinesischen Festland drängten, schon nach wenigen Tagen niedergeschlagen wurde. Jedoch hat der Politologe Masao Maruyama schon in den 1960er Jahren argumentiert, dass sich nach dem Ende des Aufstandes ein Faschismus »von oben« bildete, der von den Eliten Japans getragen wurde3. Er blieb ohne sozialrevolutionären Impetus und entbehrte einer Massenbasis, sondern war stark auf den Kaiser ausgerichtet. Zudem betrieben die konservativen Militärs, die gestärkt aus der Revolte hervorgegangen waren, eine Annäherung an das faschistische Italien und das nationalsozialistische Deutschland. Dieser Prozess mündete im November 1936 in den Antikominternpakt zwischen dem »Dritten Reich« und Japan und erreichte im Dreimächtepakt vom September 1940 (»Achse Berlin-Rom-Tokio«) seinen Höhepunkt.
Daniel Hedinger rekonstruiert in seinem Buch das Verhältnis zwischen den drei Staaten und unterscheidet dabei drei Phasen: »Gravitation« (1932–1935), »Kooperation« (1936–1939) und »Eskalation« (1940–1942). Insgesamt habe schon der Antikominternpakt der Entstehung eines »neuen, faschistischen Machtblocks« (S. 203) den Weg bereitet. Die Bildung der »Achse« zwischen Deutschland, Italien und Japan 1940 sei auf »momentane Opportunität«, »bündnispolitisches Potential« und »weltanschauliche Fundierung« (S. 416) zurückzuführen. Letztlich müsse sie als »Produkt wechselseitiger und kumulativer Radikalisierungen nach 1919« (S. 417) gelten. Erst der Faschismus, der in Deutschland, Italien und Japan jeweils von lokalen Bedingungen und globalen Einflüssen geprägt worden sei, habe dem Bündnis »Funktionalität und Kohärenz« (S. 416) verliehen. Dabei sei das »Dritte Reich« ab November 1936 der »zentrale Knotenpunkt für faschistische Expansion im globalen Maßstab« (S. 414) gewesen. Diese Interpretationen belegt Hedinger, indem er über die außenpolitischen Absprachen zwischen den drei Ländern hinaus auch wechselseitige Wahrnehmungen, Begegnungen zwischen Angehörigen verschiedener Organisationen und gemeinsame Inszenierungen (so Ausstellungen) nachzeichnet, welche die Stärke des Faschismus und des Machtblocks der ihn repräsentierenden Staaten demonstrieren sollten.
Hedingers breite Perspektive zeichnet aus, dass sie das autoritäre Regime in Japan, das unter den Premierministern Fumimaro Konoe und Hideki Tōjō ab 1937 außenpolitische Expansion mit einer zunehmend radikalen inneren Radikalisierung und Repression verband, in ein breites Beziehungsgeflecht mit dem nationalsozialistischen Deutschland und dem faschistischen Italien einbettet. Damit wird die eurozentrische Perspektive, welche auch die Geschichtsschreibung beherrscht hat, aufgebrochen. Überzeugend rekonstruiert und analysiert der Verfasser auch die Mischung lokaler und globaler Einflüsse, welche die politische Radikalisierung in Japan seit der Mitte der 1930er Jahre kennzeichnete. Die Revolte vom Februar 1936 bezeichnet er deshalb als »Resultat eines globalen Faschismus« (S. 195). Damit wird Japan in die vergleichs- und verflechtungsgeschichtliche Faschismusforschung integriert4.
Jedoch bleiben Zweifel an der Deutung, dass das Regime in Japan zu einem Faschismus »von oben« mutierte. Hedinger selber hebt hervor, dass nach der Meiji-Restauration (1868–1890) eine bürgerliche Umwälzung ausgeblieben war und in den 1930er Jahren eine Massenpartei fehlte, die auf einen Wandel der bestehenden politisch-gesellschaftlichen Ordnung zielte. Zudem erwies sich die politische und militärische Zusammenarbeit in der »Achse Berlin-Rom-Tokio« letztlich als unzureichend. So kann von einer koordinierten Kriegführung ab 1940 keine Rede sein. Mussolini informierte seine Bündnispartner nicht über seine Offensive gegen Griechenland (ab 28. Oktober 1940), und 1941 wurde das japanische Militärregime vom Angriff des »Dritten Reiches« auf die Sowjetunion ebenso überrascht wie Deutschland und Italien vom Überfall Japans auf Pearl Harbor. Hedinger selber verweist auf die »Unfähigkeit der Achsenpartner, ihre nationalen Strategien abzustimmen« (S. 353) als wichtige Ursache der Kriegswende, auch wenn er daneben zu Recht die militärische Überforderung, die damit verbundene Zersplitterung der Kräfte und die anhaltende geografische Distanz zwischen Deutschland, Italien und Japan in Rechnung stellt. Letztlich erwies sich ihr Bündnis als fragiler und heterogener als die Allianz der alliierten Mächte, die trotz unübersehbarer und wachsender Differenzen ihre Politik von 1941 bis 1945 zumindest grundsätzlich absprachen, um die gegnerischen Staaten – besonders das »Dritte Reich« – besiegen zu können.
Insgesamt zeigt Daniel Hedingers Buch, dass isolierte Analysen der revisionistischen Mächte Deutschland, Italien und Japan Wechselbeziehungen, Verflechtungen und (partielle) Transfers ausblenden. Auch einzelne Interpretationen sind anregend und weiterführend, so die Deutung, dass die Radikalisierung der Herrschaft Japans in dem neu eroberten ostasiatischen Imperium nicht zuletzt auf ein »Sicherheitssyndrom« (S. 236) zurückgeführt werden kann. Letztlich ist die Frage, ob Japans autoritäres Militärregime als »faschistisch« zu bezeichnen ist, zwar weiterhin zu diskutieren. Das ostasiatische Kaiserreich muss aber in die vergleichs- und verflechtungsgeschichtliche Forschung einbezogen werden.
Zitationsempfehlung/Pour citer cet article:
Arnd Bauerkämper, Rezension von/compte rendu de: Daniel Hedinger, Die Achse. Berlin-Rom-Tokio. 1919–1946, München (C. H. Beck) 2021, 544 S., 26 Abb., 3 Kt., ISBN 978-3-406-74153-1, EUR 29,95., in: Francia-Recensio 2022/2, 19.–21. Jahrhundert – Histoire contemporaine, DOI: https://doi.org/10.11588/frrec.2022.2.89233