Pilgerberichte sind ein Thema, zu dem in den letzten Jahren und Jahrzehnten einiges an Literatur erschienen ist – auch die ausgewählten Berichte sind zumeist keineswegs unbearbeitet. Ausgewählt sind vier Pilger und ihre fünf meist lateinisch-volkssprachig gemischten Berichte in relativer zeitlicher Nähe zueinander, die zwar Jerusalem als (ein) Ziel haben, aber sehr unterschiedliche Wege in Europa und im Orient nehmen: William Wey (1458 und 1462, Kleriker aus dem Süden Englands), Bernhard von Breydenbach (1483, Kleriker aus Hessen/Mainz), Arnold von Harff (1496–1499, Laie aus Köln) und Thomas Larke (1506 und 1511, englischer Kleriker, erst vor Kurzem identifiziert, aus dem Süden Englands). Die vier Kapitel konzentrieren sich, stets vergleichend, auf einen oder auch einmal zwei der Pilger-Berichterstatter mit je einem anderen Fokus: »Genre and Purpose« bei William, »The Religious Other and Other Religions« bei Bernhard, »Curiosity and Pilgrimage« bei Arnold und dann »Writing the Holy Land in the Age of Print« bei Thomas und noch einmal Bernhard. Das Ergebnis ist, wenig überraschend, dass bei aller Topik, die dem Genre des Pilgerberichts eigen ist – denn es gab ja viele autoritative Vorbilder »to be a pilgrim«, die auch darüber berichtet hatten –, dass es mehrere »ways to be a pilgrim« gab. Das Erwartete steht in den Berichten: Natürlich sah man, was man erwartete. Doch auch viel eigene Färbung findet sich (zumindest in den berühmten Berichten, die ausgewählt wurden, eine Eigenschaft, die sie mit einigen weiteren teilen, die ebenfalls vergleichend herangezogen wurden), und sehr oft das Bewusstsein, dass man schrieb, um anderen zumindest eine virtuelle Pilgerschaft zu ermöglichen, vermehrt durch den Umlauf von Druckwerken: Die Konstruktion des textuellen Jerusalem wird präsentiert im Angesicht des irdischen im Wissen um das virtuelle oder konzeptionelle Jerusalem (S. 196, 192).

Aus dem Zusammenlesen der Berichte erscheine, so Boyle zusammenfassend, die gemeinsame Kultur, die sie schon einleitend als »international« bezeichnet, zwar in einer Zeit, die noch nicht national gedacht habe, in der aber doch unterschiedliche, protonationale Züge deutlich würden und bewusst gewesen seien. An solchen Stellen fragt man sich, was das Jonglieren mit »national« und »international« (»religious culture«, »literary phenomenon«) wirklich bringen soll. Je zwei Pilger stammten, so weiter Boyle, aus zwei »cultural sub-contexts«, nämlich dem englischen und dem deutschen.

Auch wenn die Rezensentin zur Repräsentativität der englischen Berichterstatter nichts zu sagen vermag, stammen doch die »deutschen« Pilger beide vom Rhein und sind damit alles andere als repräsentativ für »das Reich« (von Deutschland oder auch nur deutsch wollen wir gar nicht reden): Der Ulmer Felix Fabri und der Nürnberger Sebald Tucher, beide ebenfalls genannt, hätten eine deutlich größere geografische Repräsentanz erlaubt. Es wird dementsprechend auch nicht restlos klar, nach welchen Kriterien die vier Pilger aus mehr als 150 Berichten jener Zeit (S. 7–8) ausgewählt wurden und was den Band zu mehr machen soll als letztlich noch ein Buch über einige – außerordentliche – Pilgerberichte des späten Mittelalters. Es ist der Versuch einer Stichprobe, die möglichst viele Elemente vereint, die in Pilgerberichten auftauchen – repräsentativ ist sie aber natürlich nicht, und ob sie wirklich weitergehende, allgemeinere Schlüsse erlaubt, sei dahingestellt.

Karten einer jeden Reise leiten den Band ein, ein Appendix mit zwei Listen »ausgewählter« deutscher und englischer Jerusalem-Pilgerbericht-Schreiber (1454–1522 englisch, ca. 1450–1517 deutsch) und ein Register schließen den Band ab.

Zitationsempfehlung/Pour citer cet article:

Felicitas Schmieder, Rezension von/compte rendu de: Mary Boyle, Writing the Jerusalem Pilgrimage in the Late Middle Ages, Cambridge (D. S. Brewer) 2021, XVIII–234 p., 6 maps, 3 pl., 1 tabl., ISBN 978-1-84384-580-5, GBP 75,00., in: Francia-Recensio 2022/3, Mittelalter – Moyen Âge (500–1500), DOI: https://doi.org/10.11588/frrec.2022.3.90444