Das erste Heft der traditionsreichen kirchenhistorischen Reihe »Cahiers de Fanjeaux« erschien 1966 unter dem Titel »Saint Dominique en Languedoc. Les commencements de l’ordre des Prêcheurs«. Dieser Titel wird nun erneut aufgegriffen und als hors-série Nummer 4 veröffentlicht. Dabei ist dieser Band eben kein regulärer Band der »Cahiers«, sondern eine Sammlung bereits veröffentlichter, aber zu einem Drittel auch noch unveröffentlichter Beiträge zur frühen Geschichte des Dominikanerordens, für die das Languedoc und insgesamt der Süden des heutigen Frankreich von zentraler Bedeutung sind. Diese Aufsatzsammlung – die nur schwerpunktartig besprochen werden kann – ist daher hochwillkommen, kann sie doch künftig komfortabel als Referenz für die Frühgeschichte des Ordens und die Person des heiligen Dominik konsultiert werden. Ein solcher bilan ist auch dringend notwendig, da die Dominikanerforschung in den vergangenen Jahrzehnten, insbesondere im Zuge des 800-jährigen Jubiläums 2016, gewaltige Fortschritte gemacht hat. Insofern ist es auch begrüßenswert, dass einige der Autorinnen und Autoren der bereits andernorts publizierten Beiträge ihre Texte aktualisiert und dem Stand der Forschung angepasst haben. Gleichwohl war es bei der Anlage des Bandes nicht vermeidbar, dass sich die Beiträge an manchen Stellen widersprechen, wiederholen oder nicht mehr ganz dem aktuellen Forschungsstand entsprechen. Dies sollte man bei der Rezeption bedenken und jeweils im Inhaltsverzeichnis nachschauen, ob es sich um einen gänzlich neuen, einen überarbeiteten oder einen unverändert abgedruckten Beitrag handelt.

Der Band beginnt mit zwei einleitenden Artikeln. Zunächst stellt Jean-Louis Biget einige zentrale Forschungslinien von Pater Marie-Humbert Vicaire vor, der die Dominikanerforschung über ein halbes Jahrhundert hinweg geprägt hat. Im Anschluss gibt Simon Tugwell einen chronologischen Überblick über das Leben des hl. Dominik. Dabei ordnet er immer wieder kritisch ein, diskutiert Forschungskontroversen und weist auf unsichere Datierungen hin. Weit mehr als eine übliche Auflistung von Daten und Ereignissen, lohnt sich schon allein für diese Chronologie ein Blick in den Band. Seinen eigentlichen Kern machen die drei inhaltlichen Hauptteile aus. Der erste befasst sich mit der Person Dominiks und versucht diese in ihrer Zeit und Herkunft zu kontextualisieren. Dabei zielen die einzelnen Aufsätze darauf ab, den Ordensgründer nicht vom Ergebnis seines Lebenswerkes her zu analysieren, sondern jeweils aus dem Kontext seines frühen Lebens heraus. Dies geschieht aus verschiedenen Blickwinkeln. Patrick Henriet betrachtet ihn aus der Perspektive Kastiliens, Adeline Rucquoi aus derjenigen der spanischen religiösen Bildungslandschaft. Hervé Foulon hingegen sieht in ihm den klassischen Regularkanoniker und fragt, inwiefern dessen Ideale sich in der späteren Ordensgründung wiederfinden.

Der zweite und mit neun Beiträgen umfangreichste Hauptteil widmet sich Dominiks Wirken im Süden des heutigen Frankreich und nimmt damit direkt Bezug auf das erste »Cahier de Fanjeaux« zu diesem Thema. Die beiden Beiträge von L. Biget zur religiösen Situation im Languedoc machen noch einmal mehr als deutlich, dass ein Verständnis dieser Region entscheidend ist für das Verständnis der Entstehung des Dominikanerordens. Religion und Dissidenz auf der einen und Gesellschaft auf der anderen Seite dürften nicht isoliert voneinander betrachtet werden, sondern seien zwei Seiten einer Medaille. Anne Reltgen-Tallon ergänzt dies durch einen für diesen Band neu verfassten Beitrag zur religiösen Situation in Montpellier. Ebenfalls neu sind Artikel von Jacques Paul über das »Treffen von Montpellier 1206« zwischen Diego von Osma und einigen päpstlichen Legaten, die zur Klärung der häretischen Umtriebe in das Languedoc gekommen waren. Dieses Treffen bildete den Ausgangspunkt für die umfangreiche Predigttätigkeit Dominiks und Diegos in der Region: mit ihnen befasst sich der ebenfalls noch unpublizierte Beitrag von Gilles Danroc.

Der dritte Teil stellt in vier Aufsätzen die Gründung des Dominikanerordens in den Mittelpunkt. Die Auswahl der Beiträge ist keineswegs erschöpfend, und man wird für die Gründungszeit des Ordens noch weitere Forschungen heranziehen müssen, wenngleich drei der vier Aufsätze neue Forschungen präsentieren. A. Reltgen-Tallon verortet die Gründung des Ordens in den Verbindungen und auch der Abgrenzung Bischof Diegos von Osma zu den Zisterziensern. Gilles Danroc zeichnet den Weg von einer Predigtmission hin zur Entstehung des Dominikanerkonvents in Toulouse nach, und A. Reltgen-Tallon fasst in ihrem dritten Beitrag für diesen Band die Beziehungen zu Innozenz III. in den Blick. In einem knappen Aufsatz springt Paul-Bernard Hodel abschließend von der Makro- auf die Mikroebene und untersucht in einer Fallstudie die Probleme bei der Untersuchung des von Dominik verwendeten Sigillium Christi et predicationis, vor allem in Bezug auf die Frage nach der Bedeutung des Begriffes predicationis in der Siegelumschrift.

Der Band schließt mit einem »In Memoriam« für vier dominikanische Brüder, die die Ordenshistoriografie lange geprägt haben. Insofern ist der Band nicht nur auf wissenschaftlicher, sondern auch auf persönlicher Ebene eine Bilanz der Frühgeschichte des Dominikanerordens im Languedoc, und den Herausgebern ist für die Mühen zu danken. Die Artikel wurden größtenteils für andere Kontexte verfasst, und so sollte man keine allzu große inhaltliche Kohärenz erwarten. Für die Frühgeschichte des Ordens insgesamt fehlen wichtige Themen wie die rechtliche Entwicklung, die Beziehungen zum Papsttum und die Entwicklung der Ordensverfassung. Dies war aber auch nicht Ziel des Bandes, der das Languedoc in den Mittelpunkt der dominikanischen Historiografie stellen wollte. Dies ist ihm gelungen, und so bleibt die Parallele zum ersten Band der »Cahiers de Fanjeaux« auch nur im Titel erhalten, denn inhaltlich hat die Forschung seit 1966 beachtliche Fortschritte gemacht. Für die behandelten Themen wird »Saint Dominique en Languedoc« demnach künftig die erste Anlaufstelle und – so ist zu hoffen – auch Ausgangspunkt für viele weitere Forschungen sein.

Zitationsempfehlung/Pour citer cet article:

Robert Friedrich, Rezension von/compte rendu de: Gilles Danroc, Daniel Le Blévec (dir.), Saint Dominique en Languedoc. Les commencements de l’ordre des Prêcheurs, Fanjeaux (Centre d’études historiques) 2021, 389 p. (Collection d’histoire religieuse du Languedoc au Moyen Âge, 4), ISBN 978-2-9568972-2-4, EUR 28,00., in: Francia-Recensio 2022/3, Mittelalter – Moyen Âge (500–1500), DOI: https://doi.org/10.11588/frrec.2022.3.90449