Der hier anzuzeigende Band publiziert die überarbeitete und erweiterte Fassung der von Sebastian Roebert an der Universität Leipzig 2017 eingereichten Dissertationsschrift, die sich mit der um 1325 als Tochter König Peters II. von Sizilien und Elisabeths von Kärnten geborenen Eleonore von Sizilien befasst. 1349 heiratete sie den aragonesischen König Peter IV., den Zeremoniösen, und wurde seine dritte Ehefrau.
Zielsetzung der Arbeit ist es, Einfluss, Regierung und Handlungsspielräume Eleonores sowie ihre »spezifische Rolle im Kontext der Herrschaft Peters IV.« zu untersuchen (S. 36). Der Fokus richtet sich auf das Handeln einer »spätmittelalterlichen« Königin, der als Ehefrau des Königs und consors im monarchischen Regierungsgefüge als einem »mehrgliedrigen System« eine besondere, wenn auch jeweils unterschiedlich geprägte und ausgeformte Funktion zukam. In guter Tradition stehend verortet S. Roebert seine Monografie als »eine politik- und sozialgeschichtliche Studie«, die Eleonores »essentielle Integration in das monarchische Regierungssystem und die daraus resultierende kontinuierliche Beteiligung an der Herrschaft« herausarbeitet (S. 4). Das erfolgt auf der Basis der Erschließung einer umfangreichen, größtenteils bislang noch nicht publizierten archivalischen Überlieferung, die quellenkritisch eingeordnet, bewertet und analysiert wird. Über die zentralen Bestände der königlichen Kanzlei im Kronarchiv zu Barcelona hinaus sind zahlreiche weitere Archive in Katalonien, València und auf den Balearen gesichtet und ausgewertet worden.
Der Aufbau des Buches folgt einer stringenten Gliederung, beginnend mit einer knappen Einleitung und Hinführung zum Thema (S. 1–8), der Einordnung in die Forschungslandschaft und der Skizzierung konzeptioneller und theoretischer Überlegungen (S. 9–36) sowie einem kursorischen Überblick über die historischen Rahmenbedingungen im Hinblick auf die heterogene geografische und soziale Struktur Aragóns, die Regierungszeit Peters IV. und den Krieg gegen Kastilien zwischen 1356 und 1366, welcher für die Beteiligung Eleonores an der Regierung ein Zentralereignis darstellt (S. 37–46). Kapitel 4, »Quellenbasis« (S. 47–65), und 5, »Charakteristika der Kanzleiquellen« (S. 67–109), beschreiben Kanzlei und Kanzleigewohnheiten am königlichen Hof, die Besonderheiten der Kanzlei Eleonores sowie die Varianz der unterschiedlichen Quellengattungen, deren spezifische formale Merkmale und Überlieferungsweisen, wobei neben Urkunden und Kanzleischriftgut auch die für die Thematik inhaltlich freilich wenig ergiebigen historiografischen Quellen behandelt werden.
Der differenzierten Darstellung der Quellen- und Überlieferungslage folgen drei Hauptabschnitte zu Herrschaftsausübung und Teilhabe der Königin, indem zunächst das »Agieren Eleonores von Sizilien als consors« thematisiert wird (S. 111–179). Dabei konnten zwei wesentliche Schwerpunkte genauer herausgearbeitet werden: zum einen die eigenständige Verwaltung der Dotalgüter, in denen die Königin – so Roebert – als eine »Feudalherrin weitgehend uneingeschränkt agieren konnte« (S. 112), und zum anderen Eleonores Memorialleistungen als Form der dynastischen Repräsentation und ihrer Patronage zugunsten der Frauenklöster und insbesondere der Klarissen.
Struktur und Zusammensetzung des Hofes wird in Kapitel 7, »Personengruppen im Umfeld der Königin« (S. 181–253), rekonstruiert, wobei deutlich wird, dass Eleonore über einen im Vergleich zum König zwar reduzierten, aber eigenen, funktionsfähigen Hof in der Größenordnung von schätzungsweise 180 bis 190 Personen verfügte, sie darüber hinaus aber jederzeit auf Amtsträger des Königs zugreifen konnte und dies vor allem mit Blick auf die königliche Kanzlei intensiv zu nutzen wusste.
Kapitel 8, »Einfluß- und Handlungsmöglichkeiten Eleonores von Sizilien« (S. 255–441), untersucht verschiedene politische Aufgabenfelder der Königin und insbesondere die von ihr ausgeübten, jeweils kurzfristigen Statthalterschaften, mit denen sie seit 1358 bis zu ihrem Tod immer wieder formalrechtlich beauftragt wurde, sie damit in einer Weise politische Verantwortung trug, wie das für ihre Vorgängerinnen nicht nachweisbar ist. Von ihrem Palast in Barcelona als ihrer »Herrschaftszentrale« aus fungierte sie – so Roebert – gleichsam als ein »reelles Substitut für ihren Gemahl« (S. 436) und bekleidete »die zentrale Position im Regierungsgefüge [...], von der aus sie den gesamten Verwaltungsapparat kontrollieren konnte« (S. 436). Aufgegriffen und diskutiert werden dabei zahlreiche Fragen zu den Rechtsgrundlagen und den Strategien ihres Herrschaftshandelns, indem Spielräume, aber auch die Grenzen ihres Handelns dort aufgezeigt werden, wo Räte und Amtsleute eingebunden waren oder aber Entscheidungen im Rahmen des consortium erfolgten.
Sorgfältig abwägend kommt Roebert zu dem Ergebnis, dass eine »weitreichende Akzeptanz der reginalen Autorität bei der Ausübung delegierter Autorität« in ihrer Zeit erreicht wurde und 1372 auch im Hinblick auf außenpolitisches Handeln ein Höhepunkt ihres Einflusses zu konstatieren ist. Die Vorstellung, dass die Königin als helfende Partnerin ihren königlichen Ehemann unterstützen müsse, das königliche Paar – einen Begriff Heide Wunders aufgreifend – gleichsam als ein »Arbeitspaar« fungierte, sei in diesen Jahren entstanden und zum Vorbild für spätere Königinnen geworden (S. 439). Diese Einschätzung sowie zahlreiche weitere Beobachtungen, die in diesem Rahmen nicht ausgeführt werden können, sind anschlussfähig und liefern aussagekräftige Befunde für einen zeit- und raumübergreifenden Vergleich hinsichtlich der Möglichkeiten und Grenzen von Macht und Einfluss mittelalterlicher Königinnen. Das gilt auch für die Regentschaften Eleonores für ihre nachgeborenen Söhne, mit denen sie formal beauftragt wurde, was einmal mehr verdeutlicht, wie stark sich im Laufe des 14. Jahrhunderts juristische Argumente für Befugnisse der Königin durchsetzten, ein Aspekt, der weiterer vergleichender Forschung bedarf.
Ein weiteres Kapitel 9, »Koordination der Herrschaft im Spiegel der Korrespondenz« (S. 443–521), zeigt einmal mehr die durch Überlieferung gesetzten Grenzen der Rekonstruktion »reginaler« Argumentationsweisen, weil neben den 462 Briefen des Königs an sie lediglich 21 Schreiben von ihr an ihn überliefert sind. Roeberts Schätzung nach dürfte die Zahl ihrer Briefe ebenso im dreistelligen Bereich gelegen haben (S. 445). Kapitel 10, »Auswertung und Schlussbetrachtung«, fasst die zentralen Ergebnisse der Arbeit zusammen (S. 523–543). Mit der Sicht auf die Stellung der Königin als eine zentrale Akteurin im personellen Gefolge der gesamten Monarchie, die sich oftmals der Autorität ihres königlichen Ehemanns bediente, greift Roebert eine Debatte zum Amtscharakter auf und betont, dass sich diese Einordnung ihres Herrschaftshandelns in den aragonesischen Quellen sprachlich mit dem Begriff der »reginalen Herrschaft« fassen lasse (S. 578), während genderspezifisches Handeln nicht auszumachen sei.
Dieses überaus anregende Buch ist mit einem umfangreichen Anhang ausgestattet, in dem die Archivalien tabellarisch gelistet sowie die Angehörigen ihres Hofes, die Beamten der Dotalgüter und die Ernennungen der Familiaren verzeichnet sind (S. 545–756). Ein weiterer Band mit Eleonores Regesten wird von Roebert zudem angekündigt.
Insgesamt hat Sebastian Roebert ein souverän geschriebenes und kenntnisreiches Buch vorgelegt. Über den Reichtum an bislang nicht edierten, hier erstmals erschlossenen und interpretierten Quellen hinaus überzeugt die Argumentation durch die breite Einbindung eigener Fragestellungen in die Forschung und die differenzierte Auseinandersetzung mit Thesen der Forschung. Ob freilich die Vorstellung von »reginaler Herrschaft«, wie sie sprachlich insbesondere in aragonesischen Quellen (wenn auch nicht ausschließlich) zu greifen ist, verallgemeinert werden kann, wie Roebert – und auch bereits Niklas Jaspert – vorschlagen möchten, und damit von einem »Amt« der Königin gesprochen werden kann, wird die weitere Forschung zeigen müssen. Sebastian Roebert aber hat einen wichtigen und überzeugenden Beitrag zur Frage nach Macht und Einfluss der Königin im spätmittelalterlichen Europa am Beispiel der aragonesischen Königin Eleonore geleistet und eine kenntnisreiche und weiterführende Studie geschrieben.
Zitationsempfehlung/Pour citer cet article:
Amalie Fößel, Rezension von/compte rendu de: Sebastian Roebert, Die Königin im Zentrum der Macht. Reginale Herrschaft in der Krone Aragón am Beispiel Eleonores von Sizilien (1349–1375), Berlin, Boston (De Gruyter Oldenbourg) 2020, XVI–830 S., 4 Abb., 3 s/w Tab. (Europa im Mittelalter, 34), ISBN 978-3-11-064081-6, EUR 109,95., in: Francia-Recensio 2022/3, Mittelalter – Moyen Âge (500–1500), DOI: https://doi.org/10.11588/frrec.2022.3.90474