Zwei Konferenzen behandelten 2014 die Visualisierung frühneuzeitlicher Revolten und ihrer Bestrafung. Damit bereitete die von Malte Griesse geleitete Konstanzer Nachwuchsgruppe »Revolten als Kommunikationsereignisse in der Frühen Neuzeit« – Teil des Exzellenzclusters »Kulturelle Grundlagen von Integration« – die Grundlage für den vorliegenden Sammelband. Vor diesem Hintergrund definieren die Herausgeber und die Herausgeberin politische Gewalt als Akte zur Veränderung der Machtbeziehungen in politischen Gemeinschaften, die von oder gegen Regierungen verübt werden, oder sich zwischen unterschiedlichen gesellschaftlichen Gruppen abspielen.

Mit dem Horror von IS-Hinrichtungsvideos illustrieren sie einleitend die hochemotionale Wirkung von Gewaltbildern. Gesellschaftlich rezipiert und diskutiert, werden diese zu Katalysatoren öffentlicher Meinungsbildung und ggf. auch neuer politischer Akte. Doch ist es wirklich möglich, solche modernen, massenmedialen Dynamiken schon in der Frühen Neuzeit – nicht nur in Europa, sondern global – nachzuweisen?

Zwölf ausgewählte Beiträge thematisieren europäische wie außereuropäische Beispiele von Bildlichkeit vom Hochmittelalter bis zum späten 18. Jahrhundert, von bildsymbolisch aufgeladenen Praktiken über mentale Bilder hin zu gemalten oder gedruckten Darstellungen. Dabei erscheint die Praxis öffentlichkeitswirksamer medialer Visualisierungen politischer Gewalt als europäischer Sonderweg der Druckkultur: Global übergreifende Merkmale frühmoderner Gewaltbilder enthüllen die jeweils einzeln äußerst informativen Beiträge nicht. Verknüpfungen schufen allein europäische Blicke nach außen. Die Einleitung stellt angesichts dieses Befundes zwar die Frage nach Verbindungen oder Isolation visueller Kulturen »in this period of increasing interregional communication, early globalization, and European colonization« (S. 3), beschränkt ihre Hinweise dann aber auf methodische – i. e. rezeptionsästhetische und ikonologische – Antworten auf Fragen nach Moral bzw. Legitimität und Realität dargestellter Gewalt. Ob damit eine übergreifende frühmoderne Bildlichkeit der Gewalt zum Untersuchungsgegenstand wird, bleibt offen.

Zweifel daran wecken die Beiträge zu »Visuelle[n] Markierungen von Legitimität« in Teil 1. Sie zeigen für das China der frühen Qing-Dynastie ab 1644 (Y. Ma), für das byzantinische Imperium (G. Tirnanić) und an der neapolitanischen Revolte des Fischverkäufers Masaniello gegen die spanische Herrschaft 1647–1648 (A. Hugon), dass mediale Bilder von Gewalt zur Unterdrückung Aufständischer bis ins 17. Jahrhundert global keineswegs zentral für den Umgang mit Revolten waren. Materiell fixierte Darstellungen waren eher Ausnahmen, denn Herrscher legitimierten sich praktisch durch die Aufstandsbekämpfung und symbolischen Gewalteinsatz bei der Bestrafung von Rädelsführern. So weist Tirnanić nach, dass man in Byzanz Bilder der Marter direkt über die Körper der Bestraften in die kollektive Erinnerung einschrieb. Auch für den Kangxi-Kaiser und Philipp IV. von Spanien wurde so herrscherliche Legitimität kommuniziert. Erfasst eine ikonologische Methodik unter diesen Umständen das historische Geschehen in geeigneter Form?

Anders verhielt es sich, wie die Beiträge in Teil 2 belegen, mit konfessionellen Konfliktsituationen in West- und Mitteleuropa. Aufstände wie derjenige der Niederlande gegen die spanische Monarchie wurden in Druckmedien intensiv beschrieben und visuell dargestellt. Frans Hogenbergs Drucke vermittelten, wie R. Voges zeigt, dem Publikum kritisch-distanzierte Positionen gegenüber dem Handeln der Herrschenden wie der Aufständischen. Durch visuelle Erinnerungen an diesen Aufstand erzeugten Abbildungen der Verfolgung von Waldensern im Piemont (1655) eine Form der konfessionellen humanitären Solidarität in den Niederlanden (D. de Boer). Auf solche Effekte setzten wohl auch die exilierten protestantischen Adeligen aus Oberösterreich für den dortigen Bauernkrieg (1626). M. Griesse untersucht aber nicht nur die auf ihr Geheiß im Reich gedruckten Visualisierungen des Konflikts, sondern auch transmediale Konjunkturen des Themas. Statt auf die gedruckte Kritik an ihrem Handeln einzugehen, beeinflussten die bayerischen und österreichischen Obrigkeiten die regionale Memorialkultur, materialisiert in populärer Malerei: Immer wieder wurde hier der Vorwurf, die Führer der Aufständischen hätten sich zusätzlich zu ihrer Gewalt auch magischer Praktiken bedient, aufgegriffen. Damit wurde den Rebellen der Makel einer unverzeihlichen Übertretung angeheftet.

Die Beiträge in Teil 3 zeigen auf, wie mitteleuropäische Zentren der Druckkultur das südwestliche und östliche Europa in den Blick nahmen – und wie die Akteure dort selbst Druckkultur instrumentalisierten, um bestimmte Bilder von sich zu propagieren. N. G. Etényi und M. Barget untersuchen dies am Beispiel des ungarischen Adels, dem es im frühen 17. Jahrhundert gelang, sich vor allem im deutschsprachigen Raum in Drucken sehr positiv zu inszenieren. Mit dem Scheitern der Revolten gegen die habsburgische Herrschaft in der zweiten Jahrhunderthälfte änderte sich dies jedoch fundamental, denn nach dem kaiserlichen Sieg über die ungarischen Autonomiebestrebungen 1681 setzten sich kritische Bilder der Akteure und Geschehnisse durch. Im Gegensatz dazu schafften es die spanischen Habsburger nicht, den Abfall Portugals von der Krone Spanien 1640 zu stigmatisieren, wie Joana Fraga darlegt: João IV. präsentierte sich und das Haus Braganza mit Hilfe eines drucktechnisch vervielfältigten Bildprogramms erfolgreich als legitimer Herrscher über ein traditionell existierendes Königreich. Während die ungarischen und portugiesischen Eliten sich in Drucken selbst repräsentierten, zirkulierte über Russland eher visuelles Material aus fremden Blicken auf das Reich und dortige Rebellionen. N. S. Kollmann und G. Kazakov illustrieren anhand von Bildern russischer Bestrafungspraktiken bzw. zur Kosakenrevolte unter Stenka Razin (1667–1671), wie dadurch orientalisierende Elemente in der westlichen Russlandvorstellung verstärkt wurden.

Die beiden Beiträge in Teil 4 behandeln das ausgehenden 18. Jahrhundert. Sowohl M. Barget, anhand der Visualisierung politischer Führung in den revolutionären Porträts George Washingtons, als auch F. Fechner, zur Darstellung der Haitianischen Revolution im Kontext kolonialer Ängste vor aufrührerischen people of colour, zeigen, wie ältere visuelle Traditionen in der Revolutionsära fortlebten. In dieser Epoche setzte, so die einleitend formulierte These der Herausgeber, ein kultureller Wandel ein, der das öffentlich dargestellte Schauspiel gerechter Bestrafung aus den europäischen Zentren in andere Weltregionen verdrängte (S. 13). Doch kann man mit Blick auf die politische Gewalt des 19. und 20. Jahrhunderts diese Externalisierungstendenz wirklich konstatieren? War eine klare Trennung von eigener und fremder politischer Gewalt unter den Bedingungen von modernem Kolonialismus und (Hoch-) Imperialismus möglich? Der Band, dessen Fallstudien weite Weltregionen und Zeitabschnitte der Frühen Neuzeit unberührt lassen müssen, lädt hier zu weiteren Forschungen und Reflexionen ein.

Insgesamt scheinen die hier untersuchten Fälle darauf hinzuweisen, dass Revolten und politische Gewalt in der Frühen Neuzeit global betrachtet weniger medial als vielmehr v. a. performativ visualisiert wurden – über die Körper beteiligter Personen oder über symbolische Akte. Ganz anders könnte dieser Befund ausfallen, wenn ein hier definitorisch ausgespartes Thema, die organisierte Massengewalt des Krieges1, miteinbezogen würde. Die aktuellen Gewaltszenen aus dem Krieg in der Ukraine, der im propagandistischen Diskurs des russischen Präsidenten kein Krieg sein darf, erinnern daran, dass eine strikte Grenzziehung zwischen politischer Gewalt und Krieg empirisch nicht zwangsläufig Klarheit schafft. Auch im Staatenkonflikt werden Kontrollbestrebungen über öffentliche Gewaltvisualisierungen mit einer Rhetorik der Wiederherstellung von Ordnung verbunden, die an das frühneuzeitliche Straftheater erinnert.

Einzeln eröffnen die Beiträge sehr gute Zugänge zu äußerst disparaten Praktiken der Visualisierung von Gewalt bzw. ihrer gesellschaftlichen Voraussetzungen und Folgen. Insgesamt erweist sich, dass globalhistorische Systematisierungen erst nach weiteren empirischen Forschungen erreichbar sein dürften. Möglicherweise könnte die Betrachtung der eminent politischen Massengewalt des Krieges hier Lücken in der Quellenüberlieferung überbrücken helfen. Erst dann ist wohl ein abschließendes Resümee, wie man es dem Band mit seinen lesenswerten, anregenden Beispielen gewünscht hätte, überhaupt zu schreiben.

1 Vgl. hierzu neuerdings ebenfalls mit globalhistorischem Anspruch: Erica Charters, Marie Houllemare, Peter H. Wilson (Hg.), A Global History of Early Modern Violence, Manchester 2020.

Zitationsempfehlung/Pour citer cet article:

Anke Fischer-Kattner, Rezension von/compte rendu de: Malte Griesse, Monika Barget, David de Boer (ed.), Revolts and Political Violence in Early Modern Imagery, Leiden (Brill Academic Publishers) 2021, 360 p. (Brill’s Studies on Art, Art History, and Intellectual History, 54), ISBN 978-90-04-46193-2, EUR 99,00., in: Francia-Recensio 2022/3, Frühe Neuzeit – Revolution – Empire (1500–1815), DOI: https://doi.org/10.11588/frrec.2022.3.90519