Der Sammelband stellt die Erträge einer Tagung unter der Überschrift »Religiöse Medienkonflikte in der Frühen Neuzeit« zusammen, die vom 27. bis 29. September 2017 in der Forschungsbibliothek Gotha auf Schloss Friedenstein durchgeführt worden ist; vier Beiträge wurden später hinzugefügt. Dabei stand die Frage im Mittelpunkt, über welche Medien religiöse Themen in der Frühmoderne transportiert worden sind. Abstrahierend werden Stimme, Schrift, Bild und Theaterbühne unterschieden. Untersuchungsräume sind neben dem deutschsprachigen Zentraleuropa Großbritannien, Frankreich, die Niederlande und Spanien sowie Böhmen und Siebenbürgen. Im Einleitungsessay nähern sich die Veranstalter dem Thema unter medienwissenschaftlicher, zeichentheoretischer und diskursgeschichtlicher Perspektive. Dabei verweisen sie darauf, dass bereits Thomas von Aquin den Begriff des »Mediums« als Träger des Sehens eingeführt hat. Religion und Medium passten daher zueinander, was nicht verwundert, wenn man sich vor Augen hält, dass das Christentum eine Wort- und Schriftreligion ist, die auf einem »Buch« aufbaut, mithin alles Medien des Transzendenten. Sowohl bei den Medientheoretikern der Moderne als auch bei den christlichen Interpreten der Vormoderne stellte sich eine große Vielfalt der Interpretationen ein, die nicht selten in Konflikte miteinander gerieten, besonders, wenn Großkirchen den Gedanken der »Einheit« der Lehre propagierten und mit Gewalt durchzusetzen versuchten. Von einigen dieser Konflikte handeln die folgenden Artikel.

Neben dem Einleitungsessay der Herausgeber sind zwölf Aufsätze versammelt und in zwei inhaltliche Abschnitte gegliedert worden. Im Abschnitt »Konfessionspolitik als Medienpolitik: Konflikte, Konkurrenzen, Synthesen« geht es vor allem um den staatlichen Zugriff auf religiöse Themen. Gabriele Müller-Oberhäuser untersucht Bücherverbrennungen und -verstümmelungen im England Heinrichs VIII. Im Mai 1521 wurden Luthers Werke in London verbrannt, 1526 das Neue Testament in der englischen Ausgabe von William Tyndale. 1538 wurden, nach vollzogener Loslösung von Rom, religiöse Bücher zensiert und umgeschrieben, die den päpstlichen Primat aufzeigten; die Korrekturen sind in einigen Manuskripten heute noch sichtbar. Kai Bremer rekonstruiert den Streit um das »Prager Bild« (1585) zwischen dem Stuttgarter Hofprediger Lucas Osiander und zwei Wiener Jesuiten. Das Bild war im jesuitischen Auftrag anlässlich der Aufnahme Rudolfs II. in den Orden vom Goldenen Vlies gefertigt worden und hatte einen kämpferisch gegenreformatorischen Bildinhalt. Osianders Kritik richtete sich gegen den Jesuitenorden und seine Polemik, nicht gegen den Vlies-Orden. Eine weitere jesuitische Polemik gegen Osiander war die Folge. Matthias Rekow zeichnet die Bildformung des siebenbürgischen Fürsten Gabriel Bethlen (Bethlen Gábor, 1580–1629) nach, der in mehreren Flugblättern je nach Position als Söldner der Türken (»Turcarum creatura«, S. 79) oder als protestantische Hoffnungsfigur dargestellt wurde. Christian Mühling richtet den Blick auf die politisch-konfessionelle Publizistik Frankreichs im ludovizianischen Zeitalter und kontrastiert damit die traditionelle Perspektive der antifranzösischen Polemik der Gegner des Sonnenkönigs (Stichwort »Fürst der Finsternis«). Nicht nur die höfische Kultur, sondern auch die französische Presse in Wort und Bild unterstützte das Narrativ, der König führe Krieg gegen die Häresie, und daher werde Gott ihm den Sieg schenken. Im Beitrag von Nicola Glaubitz geht es um die Kommentierung der Londoner Pulververschwörung (Gunpowder Plot) von 1605 durch die satirische Komödie »Volpone« von Ben Jonson. Obwohl Jonson zum Katholizismus übergetreten war, karikierte er die katholische Transsubstantiationslehre, indem seine Figuren nicht nur einen Goldschatz transzendierten, sondern am Ende kannibalische Neigungen zeigten. Corinne Bayerl untersucht Theaterdebatten, die im späten 17. Jahrhundert in scharfer Feindseligkeit ausgetragen wurden, besonders wenn der konfessionelle Gegensatz hinzutrat. Auf der Seite der Theatergegner fanden sich neben eifernden Katholiken auch französische Jansenisten, englische Puritaner, niederländische Calvinisten und deutsche Pietisten. Anhand eines jansenistischen Traktats weist Bayerl nach, dass es verdeckte Verbindungen zwischen radikalen katholischen und protestantischen Theaterkritikern gab. Bei Johann Anselm Steiger steht das Erbauungsbuch »Heiliger Perlen-Schatz« im Vordergrund, das im späten 17. Jahrhundert von dem lutherischen Theologen Johannes Lassenius verfasst worden ist. In ihm wurden acht Emblemkupferstiche abgedruckt, die später als Vorlagen für acht Gemälde dienten, mit denen die Orgelempore der Kirche in Mellenthin/Usedom bebildert wurde. Steiger interpretiert diese acht Bilder in acht Kapiteln und geht dem Verhältnis von Wort, Bild und theologisch-emblematischem Bedeutungsüberschuss nach.

Im zweiten Abschnitt »Theologie der Medien: Stimme, Schrift, Bild« stellt Frank Nagel den spanischen protestantischen Theologen Constantino Ponce de la Fuente (ca. 1505–1559) vor, der in seiner irenischen Schrift »Suma de doctrina cristiana« über das Verhältnis von Stimme und Schrift reflektiert hat. Ponce de la Fuente starb im Zusammenhang mit einem Inquisitionsprozess; seine Gebeine wurden später von der hl. Inquisition verbrannt. Auch bei Stephanie Wodianka geht es um die Beziehung zwischen Meditation und Stimme. Wodianka untersucht französische und italienische Texte, in denen Meditation wahrgenommen wurde, als Selbstgespräch und zugleich Gespräch mit Gott. Gemeindegesang durfte dabei nicht durch Performativität von der meditativen Innerlichkeit ablenken. Dieter Fuchs stellt am Beispiel von Shakespeares »Hamlet« die Konkurrenz zwischen einer vorreformatorischen Bildkultur und einer reformatorisch inspirierten Wortkultur vor, beispielsweise exemplifiziert in Hamlets Beschwörung des puritanischen Glaubens an die Providentia Dei (S. 229). Ralf Haekel greift auf John Miltons »Paradise Lost« zurück und bezeichnet das Werk als eine »Theorie der Mediation«. Es geht um die Reflexion über die Mittel des Wissens- und Erkenntnistransfers, die ihrerseits erst die Wirklichkeit hervorbringen. Milton hat an verschiedenen Stellen zur Sprache gebracht, wie himmlische Ereignisse im Vorfeld der Paradies-Vertreibung so zu vermitteln waren, dass sie dem beschränkten menschlichen Verstand eingänglich wurden. Vorzensur lehnte er übrigens ab, da Menschen selbst in der Lage sein müssten, zwischen Gut und Böse zu unterscheiden; diese Fähigkeit ginge verloren, wenn das Böse durch die Obrigkeiten versteckt würde. Ulrich Heinen beschließt den Band mit der Interpretation des Gemäldes »Heilige Dreifaltigkeit« von Artus Wolffort (1581–1641). Dabei weist er auf verschiedene Akzentsetzungen im kirchengeschichtlichen Verlauf hin, die entweder die Einheit (tricephalus) oder die Dreiheit der Trinität (triandros) betont haben. Auf den ersten Blick dominieren im Bild die Personifikationen des Vaters mit der Tiara auf dem Kopf, des Sohnes mit den Wundmalen und der Taube des hl. Geistes. Auf den zweiten Blick fällt auf dem Pluviale des Vaters eine dreiköpfige, aufgestickte Figur auf, die den anderen Aspekt charakterisiert. Wolffort, so interpretiert Heinen, will beide Akzentsetzungen auf einer höheren Ebene in Vereinbarkeit auflösen.

Der Sammelband bietet eine Vielfalt an fachlichen und methodischen Zugängen aus der Perspektive mehrerer Länder und Sprachen. Dabei wird die mitunter hermetische Sprache der Literaturwissenschaften, wie sie im Einleitungsessay zutage tritt, glücklicherweise nicht in allen Artikeln durchgehalten. Dem Band ist lobenswerterweise ein Personenregister zugefügt worden. Zudem gibt es ein Verzeichnis der zahlreichen Abbildungen.

Zitationsempfehlung/Pour citer cet article:

Johannes Arndt, Rezension von/compte rendu de: Kai Merten, Claus-Michael Ort (Hg.), Konfessionspolitik und Medien in Europa 1500–1700. Konflikte, Konkurrenzen, Theorien, Berlin, Boston (De Gruyter Oldenbourg) 2021, 278 S., 18 s/w, 12 farb. Abb. (Diskursivierung von Wissen in der Frühen Neuzeit, 4), ISBN 978-3-11-072517-9, EUR 59,95., in: Francia-Recensio 2022/3, Frühe Neuzeit – Revolution – Empire (1500–1815), DOI: https://doi.org/10.11588/frrec.2022.3.90528