Prosopografische Studien zu Musikerinnen und Musikern bilden die Basis für eine facettenreiche Untersuchung der frühneuzeitlichen Musikkultur, – insbesondere für eine Geschichtsschreibung, die sich jenseits von Heroengeschichte(n) und Meisterwerken bewegt. Ein Beispiel solcher Bemühungen ist die Datenbank »Musiciens à Rome de 1570 à 1750« des Centre de musique baroque de Versailles. Basierend auf den Recherchen von Jean Lionnet widmet sie jeder Person einen Eintrag, deren musikalische Aktivitäten in den historischen Quellen irgendwie greifbar sind. Oder das abgeschlossene Forschungsprojekt »Musici« des DHI in Rom in Kooperation mit der École française de Rome, das nach Italien migrierte europäische Musiker ermittelte.

Während Personenkreise italienischer Institutionen der Frühen Neuzeit – kirchliche oder höfische Kapellen, Oratorien oder Stadtpfeifer – verhältnismäßig gut erschlossen sind, muss die Forschungslage im Hinblick auf das Frankreich der Zeit vor Ludwig XIV. als prekär gelten. Lediglich vereinzelte Untersuchungen, etwa Catherine Massips Studie des Mäzenatentums von Gaston d’Orléans1, ließen das Spektrum an Musikern erahnen, die tatsächlich im Orbit des königlichen Hofes tätig waren.

Jacques Szpirglas nimmt sich diesem Desiderat nun abermals an: Das gerade erschienene zweibändige Lexikon stellt eine Fortsetzung seines 2019 publizierten »Dictionnaire des musiciens de la cour d’Henri IV et des maisons princières« dar und rückt die Zeit der Regentschaft von Ludwig XIII. (1610–1643) in den Blick. Um einiges umfangreicher als der vorausgegangene Teil, verfolgt der Autor das Ziel, eine Zusammenstellung aller nachgewiesenen Musiker am Königshof zu leisten und biografische Informationen über diese aufzubereiten: »les plus exhaustives et autosuffisantes que possible, notamment en terme d’informations comptables, d’actes d’état civil ou notariés« (S. 9). In erster Linie werden also jene Musiker erfasst, die einer der königlichen Institutionen angehörten – Chapelle, Chambre und Écurie. Diesen Personenkreis erweitert Szpirglas um Musiker aus den Kapellen der Königinnen (von Caterina de’ Medici bis Marie-Thérèse d’Autriche) sowie der Prinzen und Prinzessinnen (darunter Gaston d’Orléans). Und auch weitere, mit dem königlichen Hofstaat verbundene Entouragen kommen zur Geltung: etwa die der ab 1644 im französischen Exil und ab 1660 wieder in London lebenden englischen Königin, Henrietta Maria von Frankreich, oder diejenigen der Ersten Minister, Kardinal Richelieu und Kardinal Mazarin. Da diese Hofgesellschaften die Regierungsjahre von Ludwig XIII. übertreten, ist das Lexikon letztendlich für das gesamte 17. Jahrhundert relevant.

Den 652 Personeneinträgen über mehr als 1750 Seiten ist eine knappe Einführung vorangestellt (S. 9–23). Hier erläutert der Autor die Struktur der höfischen Musikinstitutionen, stellt die Kriterien seiner Auswahl vor und gibt einen groben Überblick der Quellen. Aufschlussreich ist eine quantitative Auswertung der Daten (S. 18–23): Das Lexikon erfasst nämlich auch 32 Personen, die keine musikalische Funktion hatten, sondern lediglich mit den Kapellen verbunden waren (Notenschreiber, Instrumententräger ...). Die restlichen 620 Personen mit musikalischer Funktion verteilen sich überwiegend auf die Musikinstitutionen des Königs: 530 Musiker (darunter 84 Komponisten) gehörten der Chambre, der Écurie, der Chapelle und der Maison militaire an. Dem gegenüber stehen 126 Musiker in den Maisons des reines, 137 in den Maisons des princes und 44 in den Cours étrangères. Bei den meisten dieser Musiker handelte es sich um Sänger (161) und Violinisten (143). Die kleinsten Gruppen bilden joueurs de viole (12) und d’épinette et d’orgues (9). An dieser Stelle wäre es auch interessant gewesen zu wissen, ob, und wenn ja, wie viele Musikerinnen nachgewiesen werden konnten. Das Lexikon beschließen eine nach Institutionen gegliederte Auflistung der Akteure, eine vollständige Übersicht der zitierten Quellen, eine Bibliografie und einen Namensindex.

Wie sind die Einträge aufgebaut und welche Informationen lassen sich dem Lexikon entnehmen? Die biografischen Notizen in alphabetischer Sortierung variieren im Umfang von wenigen Zeilen bis zu mehreren Seiten. Von der Zielsetzung, alle greifbaren Informationen möglichst umfangreich und quellennah wiederzugeben rückt Szpirglas nur dann ab, wenn zu einer Person bereits eine Monografie vorliegt. Vier Abschnitte untergliedern die meisten Artikel: Nach dem Kopf mit den Normdaten werden zunächst biografische Informationen zusammengestellt – die Pariser Notariatsakten geben beispielsweise Auskunft über Geldgeschäfte, Immobilienkäufe oder Ämterhandel von Musikern. Darauf folgen die musikbezogenen Aktivitäten, gruppiert nach Institution, etwa die Chapelle de Musique du Roi oder die Maison de Gaston d’Orléans. In einem Annex sind zuletzt die zu den Informationen gehörigen Quellen samt Regesten zu finden, zum Teil gespickt mit umfangreichen Zitaten. Handelt es sich um berühmte oder kompositorisch tätige Musiker, ergänzt der Autor die Kategorien »Réputation« und »Œuvres«, denen Exzerpte aus normativen Quellen, etwa aus der Zeitung »La Muze historique«, und das Werkverzeichnis samt zweifelhafter Zuschreibungen zu entnehmen sind. Von großem Wert sind dabei die akribischen Belege – eine Qualität, die das Lexikon gegenüber herkömmlichen Musik- und Musikerenzyklopädien auszeichnet.

Die im Lexikon zusammengetragenen Informationen sind nicht neu. Studien von Massip2 oder Madeleine Jurgens3 erschlossen eine Reihe an Dokumenten, auf die sich Szpirglas bezieht. Die unverkennbare Leistung des Autors liegt hingegen in der Überprüfung und systematischen Zusammenstellung der Daten anhand von Belegen sowie der Synthese vielfältiger Quellentypen. Das Lexikon fungiert somit als neues Standardwerk für die Sozial- und Institutionsgeschichte der Musik in Frankreich während des Ancien Régime.

1 Catherine Massip, Le mécénat musical de Gaston d'Orléans, in: L’Âge d’or du Mécénat (1598–1661), Paris 1985, S. 383–391.
2 Catherine Massip, La vie des musiciens de Paris au temps de Mazarin. 1643–1661. Essai d’étude sociale, Paris 1976.
3 Madeleine Jurgens, Documents du minutier central concernant l’histoire de la musique (1600–1650), Paris 1967.

Zitationsempfehlung/Pour citer cet article:

Nastasia Heckendorff, Rezension von/compte rendu de: Jacques Szpirglas, Dictionnaire des musiciens de la cour de Louis XIII et des maisons princières (1610–1643). 2 vol., Paris (Classiques Garnier) 2021, 1865 p. (Musicologie, 14), ISBN 978-2-406-12061-2, EUR 119,00., in: Francia-Recensio 2022/3, Frühe Neuzeit – Revolution – Empire (1500–1815), DOI: https://doi.org/10.11588/frrec.2022.3.90533