Archivare aus Deutschland und Frankreich trafen sich 2019 in Saarbrücken, um sich über die Lage der Archivlandschaften in beiden Ländern auszutauschen. Sie boten in Vorträgen detaillierte Informationen über die aktuellen Quellenbestände vom 19. bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts vornehmlich für die deutsch-französische Geschichte. Die Archivare setzten sich bei dieser Tagung zum Ziel, »développer à nouveau un échange régulier« (S. 5). Auf dieser Basis entstand der vorliegende Band: Die Vorträge werden entweder in deutscher oder französischer Sprache abgedruckt. Daran schließen sich teilweise kürzere Übersetzungen oder Resümees in der anderen Sprache an. Warum nicht für alle deutschsprachigen Beiträge ein Resümee oder eine kürzere Übersetzung in der französischen Sprache abgedruckt wurde, bleibt leider unklar.

Hans-Christian Herrmann und Jean-Éric Jung stellen in ihren Beiträgen die deutschen und die französischen Archivstrukturen auf nationaler, regionaler und lokaler Ebene dar. Herrmann betont den pädagogisch-politischen Aspekt der Archivarbeit in Deutschland seit 1990. Jung verdeutlicht die Auswirkungen der wechselnden staatlichen Zugehörigkeit des Saarlandes und Elsass-Lothringens für die Archivarbeit. Seinem Text »Numérisation, diffusion et réutilisation des images d’archives en France« (S. 15–19) fügt er eine kurze deutschsprachige Zusammenfassung an (S. 20f.).

Die Digitalisierung von Archivalien und deren damit verbundene Recherche und Nutzung im Internet gehören zum Alltag aller Archive. Hélène Say stellt die online verfügbaren »Archivdaten des Zweiten Weltkriegs in Lothringen« vor (S. 22–28, französische Kurzfassung ohne Bilder, S. 29–31). Sie beschreibt und vergleicht exemplarisch die französischen Inspektionsberichte von 1941–1943 für das Innen- und das Außenministerium. Sie unterscheiden sich gravierend im Umfang voneinander, wie die Befunde in den Archives départementales de Meurthe-et-Moselle und den Archives Nationales zeigen (S. 25).

Die beiden folgenden Aufsätze stellen Quellen zur Wirtschafts- und Technikgeschichte vor. Barbara Hesse präsentiert das Archiv in Saint Avold. Das Centre des archives industrielles et techniques de la Moselle beherbergt weitgehend Kohlebergbau- und zu einem geringen Teil Betriebs- und Gewerkschaftsakten (S. 40f.). Christian Reuther hingegen liefert eine umfängliche Quellenkunde zur »Geschichte der saarländischen Montanindustrie« (S. 42–58, französisches Resümee S. 59). Das heutige Saarland existiert erst ab 1920, zuvor war es aufgeteilt zwischen fünf verschiedenen Territorien. Für den Zeitraum von 1800 bis 1955 stellt Reuther ausführlich Bestände in Archiven sowohl dieser Herrschaftsgebiete als auch in Frankreich und Deutschland vor. Er gibt in umfangreichen Anmerkungen bibliografische Angaben auch zu den jeweiligen Findbüchern. Schließlich nennt er hilfreiche Datenbanken. Zuerst behandelt er Quellen zu Bergwerken, dann zur Eisen- und Stahlwirtschaft in staatlichen und kommunalen Archiven, bevor er mit Nachlässen seinen »Wegweiser« schließt. Reuthers Beitrag kann Neulingen und erfahrenen Forscherinnen und Forschern große Dienste leisten.

Sie werden sich ebenso über den Aufsatz von Dieter Heckmann zu »Archivalien zur Geschichte des Reichslands Elsass-Lothringen im 19. und 20. Jahrhundert im Geheimen Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz« (S. 60–73, französisches Resümee S. 74) freuen. Er stellt die Archivalien der »preußischen Ministerien und Oberbehörden« vor. Hilfreich sind hier die genauen Signaturen und Titel der Akten der einzelnen Ministerien, z. B. des Ministeriums für Landwirtschaft, Domänen und Forsten: »I. HA Rep.87, B Nr. 9875 Kreditwesen in Elsass-Lothringen 1887–1893« (S. 66). Wie Reuther zuvor nennt auch er einige Nachlässe (S. 73).

Michael Sander führt uns danach ins 20. Jahrhundert in internationale Archive: »Das Saargebiet unter der Verwaltung des Völkerbundes 1930–1935« (S. 75–84). Weil die Akten der saarländischen Landesverwaltung von 1920–1945 verloren sind (S. 77), lenkt er den Blick auf (inter-)nationale Archivbestände. Dazu gehören die publizierten Völkerbundakten und die Bestände des Politischen Archivs der Auswärtigen Amtes in Berlin von 1919–1940 (S. 79–81). Kommunalarchive waren von den kriegsbedingten Zerstörungen in beiden Weltkriegen weniger betroffen. Wolfgang Freund informiert stichprobenartig über die Akten des Stadtarchivs Metz zur »Überlieferung zum Zweiten Weltkrieg« (S. 85–97, ohne franz. Zusammenfassung). Die Germanisierungspolitik im Elsass steht hier im Mittelpunkt, wozu er auch Forschungsergebnisse mitteilt, die auf den von ihm genannten Quellen basieren.

Insgesamt leistet das Saarbrücker Archivkolloquium einen großen Beitrag zur weiteren Erforschung der deutsch-französischen Geschichte der Neuzeit. Historikerinnen und Historiker können gezielter als vorher ihre Recherchen nach Archivalien beginnen oder fortsetzen und gleichermaßen die bisherige mehrsprachige Forschung rezipieren.

Zitationsempfehlung/Pour citer cet article:

Dieter Kempkens, Rezension von/compte rendu de: Saarländischer Archivverband (Hg.), Quellen einer bewegten Geschichte. Saarländisch-lothringisches Archivkolloquium 2019, St. Ingbert (Dengmerter Heimatverlag) 2021, 104 S. (Veröffentlichung des Saarländischen Archivverbandes, 2), ISBN 978-3-929576-22-1., in: Francia-Recensio 2022/3, 19.–21. Jahrhundert – Histoire contemporaine, DOI: https://doi.org/10.11588/frrec.2022.3.90625