Nachdem bereits im März 2019 eine von den Herausgeberinnen dieses Bandes mitorganisierte interdisziplinäre Konferenz an der Universität Leuven stattgefunden hatte, anlässlich welcher auch die Autorinnen des Bandes ihre Beiträge zur Frage um die Repräsentation intellektueller Autoritäten frühneuzeitlicher Frauen präsentiert hatten, widmet sich die zu rezensierende Publikation nun der Dokumentation und Ausführung der Konferenzergebnisse. Beatrijs Vanackers und Lieke van Deinsens Sammelband will einen Beitrag zur Frage um die intellektuelle Autorität – und deren Darstellung – von Frauen der frühen Neuzeit (1550–1800) leisten.

In einer thematischen Einleitung beschreiben die Herausgeberinnen nicht nur die Begrifflichkeit der Autorität als komplexes Konzept, sondern legen auch dar, inwiefern Autorität als »Suche nach der ›Anerkennung anderer‹« (S. 10) die Basis der folgenden Beiträge darstellt. Vanacker und van Deinsen erinnern an ein Kernproblem, das in der historischen Frauenforschung als Dreh- und Angelpunkt öffentlicher intellektueller Betätigung frühneuzeitlicher Frauen verhandelt und auch von den Autorinnen des Bandes immer wieder umrissen wird: Überall dort, wo Frauen, und dies gilt wie im Band eindrücklich gezeigt wird disziplinübergreifend, professionell und öffentlich tätig waren, hatten sie einen wahren Drahtseilakt zwischen dem Streben nach Sichtbarkeit auf der einen und den sie zur zurückhaltenden Bescheidenheit anhaltenden und diskursiv verhandelten Weiblichkeitskonstruktionen auf der anderen Seite zu bestreiten. Insbesondere in den Kunst- und Literaturwissenschaften wurde in der Vergangenheit dahingehend nachgewiesen, dass die Frauen der frühen Neuzeit deshalb wirksame Strategien entwickelten, um ihr Schaffen sichtbar zu machen und dabei Angriffe auf ihr moralisches Wesen zu vermeiden. Inwiefern dabei auch die intellektuelle Autorität der Frauen repräsentiert wurde, ist bisher nur am Rande betrachtet worden. In den drei sich an die Einleitung anschließenden Themenpfeilern untersuchen die Autorinnen der insgesamt 14 Kapitel daher, wie »gelehrte Frauen und ihre Fürsprechenden textliche und visuelle Porträts in ihrer oft relationalen Suche nach intellektueller Autorität nutzten«, und leisten dabei, so weiterhin die Herausgeberinnen, »einen Beitrag zum wachsenden Interesse an einer nuancierteren europäischen Geschichte der weiblichen Handlungsfähigkeit in der frühen Neuzeit« (S. 12).

Im ersten thematischen Modul – »Individual and Collective Portraits of Female Intellectual Authority« – diskutieren fünf Autorinnen (Selbst-)Repräsentationen verschiedener intellektueller und sowohl schriftstellerisch als auch künstlerisch tätiger Frauen. Den Kapiteleinstieg bildet Caroline Paganussis die Forschung und den Sammelband bereichernder Beitrag zu der Bologneser Künstlerin und Anatomin Anna Morandi Manzolini (1714–1774). Kelsey Rubin-Detlev schließt daran mit einer Analyse der sich im epistolarischen Austausch mit Preußens König Friedrich II. (1712–1786) manifestierenden intellektuellen Autorität der Sachsener Kurfürstin Maria Antonia (1724–1780) an. Das bei Rotraud von Kulessa ins Spiel gebrachte Spektrum intellektuell und schriftstellerisch tätiger Frauen, welches von Françoise de Graffigny (1695–1758) bis hin zu Anne-Marie du Boccage (1710–1802) reicht, kommt als gehaltvolle Argumentationsgrundlage in der Frage um die bestimmenden Faktoren der weiblichen Selbstrepräsentation zum Einsatz. Marie-Emmanuelle Plagnol-Diéval stellt in ihrem Beitrag die schriftlichen Selbstdarstellungen der Erzieherin und Autorin Félicité de Genlis (1746–1830) diversen bildlichen Porträts gegenüber. Den Abschluss des ersten Thementeils bildet Catriona Seths Beitrag zu den Künstlerinnen Katherine Read (1723–1778), Mary Robinson (1757–1800) und der berühmten und in der Kunstwissenschaft als Inbegriff weiblichen Durchsetzungsvermögens im misogynen Kunstbetrieb des Ancien Régime zelebrierten Élisabeth Vigée-Lebrun (1755–1842).

Im zweiten thematischen Modul – »Types and Models of Female Intellectual Authority«– widmen sich sechs Autorinnen jeweils den Repräsentationsformen intellektueller Frauen verschiedener Metiers. Valerie Worth-Stylianou untersucht an den Fachpublikationen dreier Hebammen des 17. und 18. Jahrhunderts wie diese einen Beitrag zur Darstellung ihrer intellektuellen Autoritäten geleistet haben. Nina Geerdink und Feike Dietz beleuchten in ihrem den Sammelband ungemein bereichernden Beitrag die ausgeklügelten Strategien verschiedener Autorinnen religiöser Texte, welche ihre intellektuellen Autoritäten in ihren Werken zu konstruieren und zu platzieren wussten. Belinda Scerri widmet sich in ihrem Beitrag Louise-Bénédicte de Bourbon (1667–1753) und Jeanne-Baptiste d’Albert de Luynes (1670–1763), die sich mithilfe ihrer umfangreichen cabinets, Sammlungen wissenschaftlicher und künstlerischer Objekte, und in sorgfältig konstruierten Porträts als connoisseuses entwarfen und somit ihre intellektuellen Autoritäten manifestierten. Aurélie Griffin legt in ihrer Auseinandersetzung mit Aemilia Lanyers (1569–1645) religiösem Gedichtband »Salve Deus Rex Judaeorum« (1611) dar, wie Lanyer, die ihre Arbeit elf gelehrten und von ihr als Mentorinnen markierten Frauen widmete, nicht nur deren intellektuelle Autorität, sondern schließlich auch ihre eigene illustrierte. Im finalen Kapitel des zweiten Thementeils demonstriert Seren Nolan anhand der Schriftstellerin Elizabeth Carter (1717–1806) und der Historikerin Catherine Macaulay (1731–1791) wie deren allegorischen Darstellungen als römische Matrona und der Göttin Minerva ihre Identitäten als intellektuelle Autoritäten in der öffentlichen Wahrnehmung manifestierten.

Der Sammelband wird geschlossen von einem dritten und vier Kapitel umfassenden Themenmodul – »The Diachronic Dynamics of Female Intellectual Authority«. Eröffnet wird dieses durch Armel Dubois-Nayts Untersuchung biografischer Darstellungen des späten 16. und 17. Jahrhunderts, die Mary Stuarts (1542–1587) humanistische Ausbildung verhandeln. Laura Beck Varela diskutiert in ihrem Beitrag Carl Ferdinand Hommels (1722–1781) Verhandlung juristisch tätiger Frauen seit der Antike. Die Autorin engagiert sich damit in dem Diskurs um die Rechtsprechung als Austragungsort der Querelle des femmes. Lien Verpoest widmet sich den durchaus verschiedenen aber sich im Rahmen einer zumindest kurzzeitig innigen Freundschaft tangierenden Leben Amalia Adelheid Gallitzins (1748–1806) und Marie-Caroline Murrays (1741–1831). Verpoest zeichnet nach, wie die intellektuellen Autoritäten beider Frauen durch ganz bestimmte Formen der Mobilität, sozialer, geografischer und finanzieller Art, legitimiert wurden und betrachtet dabei die sozialen Stände Gallitzins und Murrays, deren Vernetzungen sowie ihre Werke und deren Vermächtnisse. Den finalen Beitrag zum Sammelband liefert Vera Viehöver, mit einer Untersuchung zu Gertrud Elisabeth Mara (1749–1833), in dem auch Friedrich der II., welcher den Lesenden bereits im ersten Kapitel begegnete, eine Rolle spielt. Viehöver betrachtet die von Mara überlieferten Porträts in denen sie durch deren Urhebenden als Opfer ihres sie in den moralischen Verfall treibenden Ehemannes charakterisiert wurde. Weiterhin demonstriert die Autorin, wie Mara ihre spätere Autobiografie nutzt, nicht nur um sich gegen die Viktimisierung die sie in der Öffentlichkeit erfahren hatte zur Wehr zu setzen, sondern insbesondere auch um Anspruch auf ihre fachliche Autorität zu erheben.

Der mit den im Vorangegangenen resümierten Beiträgen bestückte Sammelband ist nicht nur von einer enormen inhaltlichen Qualität, sondern überzeugt darüber hinaus auch mit einer, seine übergeordnete und von den Herausgeberinnen eingangs dargelegte Argumentation spiegelnde Struktur. Der Band leistet einen erheblichen Beitrag zum anhaltenden Fortschritt der etablierten Frauenforschung. Während weibliche Autorinnenschaft und deren Bedingungen in der Vergangenheit immer wieder als Fragestellungen in den Kunst- und Literaturwissenschaften zum Tragen gekommen sind, ist es den Herausgeberinnen und Autorinnen gelungen, sie neu zu formulieren und den Fokus dabei auf eine neue Perspektive, nämlich den Forschungsgegenstand weiblicher Autorität und Handlungsfähigkeit im intellektuellen Betätigungsbereich, zu lenken. Zuletzt macht auch das breite Spektrum der in den Kapiteln dargelegten weiblichen professionellen Tätigkeiten den Sammelband insbesondere für interdisziplinär Interessierte zu einem Gewinn.

Zitationsempfehlung/Pour citer cet article:

Anna Maria Niemann, Rezension von/compte rendu de: Beatrijs Vanacker, Lieke van Deinsen (ed.), Portraits and Poses. Female Intellectual Authority, Agency and Authorship in Early Modern Europe, Leuven (Leuven University Press) 2022, 400 p., ISBN 978-94-6270-330-8, EUR 65,00., in: Francia-Recensio 2022/4, Frühe Neuzeit – Revolution – Empire (1500–1815), DOI: https://doi.org/10.11588/frrec.2022.4.92013