Publikationen zu Herrscherinnen und Fürstinnen haben in den letzten beiden Jahrzenten stark zugenommen. Hier reiht sich die bemerkenswerte Biografie der Maria Luisa de Borbón von Renate Zedinger, einer Expertin für lothringische Geschichte im 18. Jahrhundert und Mitglied der Académie Stanislas in Nancy, ein. Die Lebensbeschreibung der neapolitanischen Prinzessin, toskanischen Großherzogin, böhmischen und ungarischen Königin sowie Kaiserin ist gleichzeitig ein sehr willkommenes Gegenstück zu der immer noch unverzichtbaren Biografie ihres Mannes Erzherzog Peter Leopold, dem späteren Großherzog der Toskana und römisch-deutschen Kaiser Leopold II. von Adam Wandruszka von Wanstetten1.

Bemerkenswert ist diese Veröffentlichung, weil die Frau, der sie gewidmet ist, so interessant ist. Das Vorwort schildert, wie das Haus Lothringen infolge des Polnischen Thronfolgekrieges 1738 sein angestammtes Herzogtum verlor und mit der Toskana entschädigt wurde, wo das Haus Medici infolge der gleichgeschlechtlichen Neigungen seines letzten männlichen Vertreters gerade ausgestorben war. Das erste Kapitel behandelt die Innsbrucker Hochzeit 1765 infolge der Umkehrung der Allianzen. Das Bündnis zwischen Frankreich und Habsburg 1756 führte dazu, dass das Kaiserhaus in ganz Europa Heiratsverbindungen mit den verschiedenen bourbonischen Dynastien einging. Da der Kaiser und Großherzog der Toskana Franz I. während der Feierlichkeiten überraschend verstarb, wurde das junge Paar unvermittelt zum Großherzogspaar. Der ältere Bruder Peter Leopolds, Joseph II., folgte seinem Vater im Kaisertum.

Eigentlich hätte sie Peter Leopolds älteren Bruder Karl heiraten sollen, der jedoch bereits 1761 unerwartet verschied. Peter Leopold erbte, nachdem sein ältester Bruder Kaiser geworden war, nicht nur unerwartet die Toskana, sondern auch die Braut seines zweitältesten Bruders. Sie war zwei Jahre älter als er. Die Heirat fand statt, als er 1765 sein 18. Lebensjahr vollendet hatte. Aber sie »verstanden sich auf Anhieb, die Ehe wurde eine Partnerschaft auf Augenhöhe« (S. 19). Früh war absehbar, dass auf das Paar noch einiges zukommen würde. Kaiser Joseph II., zweimal verwitwet und kinderlos, weigerte sich ein drittes Mal zu heiraten. Maximilian lebte als Hochmeister des Deutschen Ordens zölibatär. Die Sicherung des Kaisertums und der Dynastie lastete auf dem toskanischen Paar.

Das folgende Kapitel behandelt Maria Luisas Eltern, Maria Amalia von Sachsen – sie rauchte gerne kubanische Zigarren und starb früh an einem Lungenleiden – und Carlo VII. von Neapel-Sizilien bzw. Carlos III. von Spanien und das Hofleben in Neapel und Madrid. Karl VII., der von 1731 bis 1735 bereits als Herzog von Parma regierte, hatte die Herrschaft in Neapel 1735 angetreten. Als sein Halbbruder Ferdinand VI. 1759 kinderlos verstarb, erbte er als Karl III. den spanischen Königsthron. Sein jüngster Sohn, Ferdinand, folgte ihm mit acht Jahren als König in Neapel. Er wurde in Neapel der Aufsicht des leitenden Ministers überlassen, was dazu führte, dass er weder richtig lesen noch schreiben lernte und sich ausschließlich für die Jagd interessierte (S. 59), während sein Vater umfassend gebildet war und als Reformer in die spanische Geschichte einging. Der älteste Sohn Karl ging als spanischer Kronprinz mit nach Madrid. Das nächste Kapitel beschreibt die Kindheit und Jugend Maria Luisas. Hier zeigt sich, dass Historikerinnen und Historiker ihren Quellen grundsätzlich kritisch gegenübertreten müssen. Der erste österreichische Gesandte Fürst Esterházy fällte durchweg vernichtende Urteile über die Prinzessin wie »nicht sehr hübsch, sehr blöd« (S. 34), während sein Nachfolger Graf Firmian sie in höchsten Tönen lobte.

Es folgt die Reise des jungen Paares nach Florenz und die Erkundung des Herrschaftsgebietes. Bereits hier übernahm die junge Großherzogin für ihren kränkelnden und öfters melancholischen Gatten Repräsentationspflichten. Die Toskana wurde intensiv bereist, was die Einwohner weder von den Medici noch von den Statthaltern, die seit 1738 in Florenz residierten, gewohnt waren. Ein umfangreiches Reformprogramm wurde umgesetzt. Es folgt die Schilderung des Hof- und Familienlebens zwischen Kindersegen und Repräsentation. In 27 Ehejahren gebar Maria Luisa 16 Kinder und hatte zudem vier Fehlgeburten. Zehn Söhne und vier Töchter überlebten die Eltern. Bereits ihre Mutter hatte 13 Kinder geboren. Wegen des günstigeren Klimas zog der Hof im Winter nach Pisa um. Fünfmal die Woche gab es Opernaufführungen und dreimal Bälle, wobei auf den ganz großen bis zu 10 000 Gäste erschienen (S. 65). Dennoch gestaltete sich das Familienleben eher bürgerlich. Während an vielen europäischen Höfen der Zugang auf den Adel beschränkt war, wurden hier auch Professoren zu den Abendgesellschaften geladen.

Die bourbonische und habsburgische Verwandtschaft besuchte die toskanische Familie gerne, Kaiser Joseph II. allein viermal. Ihre Schwägerin Marie Christine von Sachsen-Teschen bemerkte wie auch andere Besucher, dass Leopold »nichts tut, weder in seinen Geschäften noch in Bezug auf seine Kinder, ohne« seine Gemahlin zu fragen (S. 57). Zudem wurde eine intensive Korrespondenz unterhalten. Marie Christine, die nach einer Fehlgeburt keine Kinder mehr gebar, adoptierte den toskanischen Prinzen Karl. 1768 heiratet Marie Caroline, die Schwester des Großherzogs, König Ferdinand von Neapel.

Die Erziehung der Kinder war sorgfältig. Die älteste Prinzessin Marie Theresia konnte mit viereinhalb Jahren »problemlos italienische, französische, deutsche und englische Texte lesen« (S. 63). 1787, 1788 und 1790 wurden Kinder nach Sachsen, Württemberg und gleich dreimal nach Neapel verheiratet. Das Paar fühlte sich emotional mit seinen Kindern verbunden. Der immer dringenderen Aufforderung des Kaisers, ihren ältesten Sohn Franz nach Wien zu schicken, wo er auf die Nachfolge im Kaisertum und den Erblanden vorbereitet werden sollte, widerstanden sie, bis zur Vollendung seines 16. Lebensjahres.

1790 brachte der Tod Josephs II. dramatische Veränderungen. Leopold wurde in Frankfurt zum Kaiser gewählt und gekrönt. Es folgten die ungarische Königskrönung in Preßburg und die böhmische in Prag sowie erneut eine intensive Bereisung der neuen Herrschaftsgebiete. Im Frühjahr 1792 verstarben erst Leopold, dann Maria Luisa innerhalb weniger Monate relativ unvermittelt und jung. Den Abschluss der Darstellung bildet ein Kapitel über Maria Luisa im Spiegel privater und offizieller Korrespondenzen sowie biografische Skizzen ihrer Kinder.

Es war insbesondere das Verdienst von Maria Luisa, dass der großherzogliche Hof zur politischen und familiären Drehscheibe wurde. Maria Luisa fand sich mit den Erfahrungen des Madrider Hofes in die Rollen der Großherzogin, Königin und Kaiserin am Vorabend der Französischen Revolution und europaweiter Veränderungen und sicherte mit der großen Kinderschar den Bestand der Dynastie.

Der Band ist gut lesbar, enervierend sind jedoch die unzähligen Wiederholungen. Dies und einige Flüchtigkeitsfehler – so fehlt bei Wandruszkas Biografie Leopolds II. das Erscheinungsjahr des 2. Bandes, eine rätselhafte »Thumkirche« als Krönungsort in Frankfurt (S. 102) – hätte ein Lektorat korrigieren müssen. Insgesamt jedoch handelt es sich um eine sehr begrüßenswerte Veröffentlichung. Sie vermittelt tiefe Einblicke in die Möglichkeiten einer zwar nicht selbst herrschenden, aber doch gestaltenden, gebildeten und sozialkompetenten Fürstin und die enorme Bandbreite der menschlichen und intellektuellen Fähigkeiten an der Spitze europäischer Dynastien.

1 Adam Wandruszka von Wanstetten, Leopold II. Erzherzog von Österreich, Großherzog von Toskana, König von Ungarn und Böhmen, Römischer Kaiser. 2 Bde., Wien 1963/1965.

Zitationsempfehlung/Pour citer cet article:

Wolfgang Burgdorf, Rezension von/compte rendu de: Renate Zedinger, Maria Luisa de Borbón (1745–1792). Großherzogin der Toskana und Kaiserin in ihrer Zeit, Göttingen (V&R) 2022, 195 S., 9 Abb. (Schriftenreihe der Österreichischen Gesellschaft zur Erforschung des 18. Jahrhunderts, 22), ISBN 978-3-205-21510-3, EUR 35,00., in: Francia-Recensio 2022/4, Frühe Neuzeit – Revolution – Empire (1500–1815), DOI: https://doi.org/10.11588/frrec.2022.4.92016