In den letzten Jahren erlebte die Pariser Kommune sowohl in der Historiografie der anglophonen Welt als auch in Frankreich einen neuen Aufschwung. So ist vor diesem Hintergrund Kristin Ross’ neue Reihe zu den »Reinventions of the Paris Commune« bei Rutgers University Press zu verstehen, deren erster Band das hier anzuzeigende Buch von Carolyn J. Eichner, »The Paris Commune. A Brief History«, ist. Die Autorin ist Professorin für Geschichtswissenschaft und Women’s and Gender Studies an der University of Wisconsin. Sie hat schon mehrere Studien zur Pariser Kommune und insbesondere zur Rolle der Frauen im Aufstand veröffentlicht, wie z. B. ihre Dissertation »Surmounting the Barricades. Women in the Paris Commune« (2004) – die erst 2020 ins Französische übersetzt wurde. Dieses Jahr hat sie außerdem ihr zweites Buch zum »Feminism’s Empire« (2022) veröffentlicht, das die Verflechtung zwischen Imperialismus und »Feminismus« im 19. Jahrhundert untersucht.

Die vorliegende kurze Geschichte der Kommune (156 Seiten, 105 ohne Literaturverzeichnis und Endnoten) soll einen einführenden Überblick über die Geschichte des Pariser Aufstandes bieten, der vom 18. März bis zum 28. Mai 1871 dauerte. C. Eichner gliedert ihr Buch in drei Teile: »Illumination«, »Fluorescence« und »Explosion«.

Das erste Kapitel dient zugleich als Einleitung und liefert die Vorgeschichte des Aufstandes. Der Anfang ist sehr literarisch geschrieben, in einem angenehmen Stil, und erzählt die Geschichte vom Ende her, da zuerst von der Semaine sanglante die Rede ist. Dabei sind leider manche Aussagen arg verkürzt oder erscheinen diskutabel, wie etwa: »The Bloody Week saw the Versailles government, in the name of ›order‹, use overwhelming force not only to extinguish the Commune and all it represented, but also to exterminate the people who had built it« (S. 3). Hier erscheint – trotz aller spektakulären Gewaltausbrüche der Blutigen Woche – die Benutzung des Vernichtungsbegriffs exzessiv. Nichtsdestotrotz gelingt es Carolyn Eichner, die Pariser Kommune in einen breiteren Kontext einzubetten, nämlich an der Schnittstelle zwischen dem Ende der Französischen Revolution und den ersten sozialistischen Revolutionen, in einer Zeit, in der der Erwartungshorizont weit offen war. Dabei wird die revolutionäre Tradition Paris’ seit Étienne Marcel 1357 und ihr besonderer Charakter im Frankreich des Second Empire erklärt. Die Erörterung des dichten, dem März 1871 vorangehenden historischen Kontexts ist sehr gelungen, von der politischen Einordnung der (künftigen) Kommunardinnen und Kommunarden, bis hin zur sozialen Lage und zum ereignisgeschichtlichen Kontext des Krieges und der ersten Belagerung Paris’ durch die preußische Armee.

Im zweiten Kapitel gibt die Autorin einen chronologisch-thematischen Überblick über das Leben in Paris während der Kommune. Sie beginnt mit der politischen Organisation des Aufstandes – die Besetzung wichtiger Orte der Hauptstadt durch die Nationalgarde –, den Wahlen und der Entstehung des Comité central de la Garde nationale. Dabei überbetont Eichner aber die Anzahl der »Internationalisten« an der Spitze der Kommune, während es – soweit die Verhältnisse sich rekonstruieren lassen – vor allem Jakobiner waren, die die Mehrheit darstellten. Trotz der Klarheit der Erzählung sind manche Behauptungen nicht ganz richtig, zum Beispiel als von den Kommunen außerhalb von Paris die Rede ist: »Across France, cities emulated Paris as insurgents rose up and took power in Narbonne, Lyon, Marseille, Saint-Étienne, and the industrial city Le Creusot« (S. 36), obwohl mehrere dieser Aufstände vor Paris, bereits im September 1870, ausbrachen, oder wenn C. Eichner die städtische Autorität in Paris in klarer Opposition zu der »Nation« sieht, in dieser Form durchaus erklärungsbedürftig. Die Erzählung greift viele Themen auf, wie z. B. das politische Leben und die politische Beteiligung der Pariser Bevölkerung, die Konkurrenz zwischen verschiedenen politischen Gruppen innerhalb der Kommune, die Arbeit der Frauen, die Beziehungen zur Banque de France, den Einsatz der Künstler, die (Schul)Bildung der Kinder (Mädchen sowie Jungen) und die Unterhaltungskultur. Dabei sind die Absätze zur Bildung und zum »Feminismus« (die Autorin selbst verwendet den Begriff) mit den Biografien mehrerer Kommunardinnen besonders hervorzuheben.

Im letzten Teil geht C. Eichner darauf ein wie die Kommunarden und Kommunardinnen sowie Kinder Paris gegen die in die Stadt eindringende Versailler Armee verteidigten. Sie beleuchtet dabei die Motive der Akteurinnen und Akteure, keine perfekt durchdachte militärische Strategie zur Verteidigung der Stadt zu verfolgen, sondern lieber das eigene Viertel zu retten. Genauso ist die Rekonstruktion der Ursachen der Brandstiftungen sehr gelungen und einleuchtend. Das Massaker der Semaine sanglante ist gut dargestellt, von den Intentionen bis hin zur Methode (Ermordung, Erschießung, Vergewaltigung …); die Repression durch Versailles wird in all ihrer Willkür und Gewalt anhand zahlreicher Berichte von Kommunardinnen und Kommunarden beschrieben; das Schicksal von im Buch schon erwähnten Personen wird exemplarisch erzählt. Die Aufständischen wurden dabei entmenschlicht, um das Massaker an ihnen als umso berechtigter erscheinen zu lassen: »A method typically used in class-, race-, ethnicity-, and religious-based violent oppressions or population ›cleansings‹, Thiers and French conservatives did this with Communards« (S. 99), wie die Autorin besonders zutreffend bemerkt.

Beim heiklen Thema der Anzahl der Opfer der »blutigen Woche« kommt C. Eichners besondere Sympathie für die Kommune noch einmal zum Ausdruck: »in recent decades, most historians have agreed on a range between 17 000 and 25 000, based on a broad array of sources including government reports, qualitative and quantitative population analyses, and firsthand accounts«. Solch einen Konsens gibt es aber in der Forschung nicht. Die Autorin widerspricht hier den Zahlen des als »conservative historian« bezeichneten Robert Tombs, für den es nur 6.500 bis 7.500 Toten gegeben hat. Selbst wenn diese Zahlen zu Recht als zu niedrig kritisiert werden, bevorzugt C. Eichner die Zahlen von Michèle Audin, einer von der Kommune faszinierten und besonders gut über den Aufstand informierten Mathematikerin, die selbst wiederum aufgrund mangelnder Quellen von fachlicher Kritik nicht verschont geblieben ist. Selbst Jacques Rougerie, der in seine früheren Arbeiten zur Kommune solch hohe Zahlen vorbrachte, korrigierte diese in späteren Studien nach unten.

Ganz am Ende des Buches erörtert die Autorin die Wirkung der Kommune nach 1871: neue (sozialistische und »feministische«) Ideen entstehen und Paris wird zum Vorbild vieler späterer Aufstände (von Chicago 1879 bis zum sowjetischen Russland, von Schanghai 1929 bzw. 1967 zu Oakland 2011). Weniger passend ist das Heranziehen des Kabylen-Aufstands 1871/1872, der vom Inhalt und von der Form ganz wenig mit der Pariser Kommune gemeinsam hatte.

Insgesamt ist das Ziel des Buches, eine »Brief History« der Pariser Kommune 1871 zu liefern, der Autorin gut gelungen. Die Überblicksdarstellung gibt gute Einblicke in die verschiedenen Bereiche des Aufstandes, auch wenn logischerweise nicht alle angeschnittenen Themen erschöpfend behandelt werden konnten. Dabei fokussiert die Autorin sehr auf die Frauen und ihre Kämpfe, was aber sehr interessant ist, da die Kommune sonst meist aus Männersicht beschrieben wird – was leider zum Teil andere Elemente ausblendet. Ein eindeutiger Mehrwert des Buches liegt in der Arbeit mit vielen Zitaten, meistens von Kommunardinnen und Kommunarden (Louise Michel, Eugène Varlin), die ein Bild nah an den Akteuren vermitteln und die Geschichte greifbarer machen. Das Buch enthält viele Porträts und Fotos, die aber unkommentiert bleiben und vielleicht durch Karten hätten ergänzt oder ersetzt werden können, die die Pariser Geografie und Topologie für ein nicht-französisches (hier amerikanisches bzw. anglophones) Publikum zugänglicher gemacht hätten. Trotz aller Kritik bietet das Buch eine gute Einführung in das spannende und immer noch lebendige Thema der Pariser Kommune, wie die Autorin selbst so schön bemerkt: »In all these ways, the Commune still lives« (S. 105).

Zitationsempfehlung/Pour citer cet article:

Corentin Marion, Rezension von/compte rendu de: Carolyn J. Eichner, The Paris Commune. A Brief History, New Brunswick (Rutgers University Press) 2022, 156 p., 10 fig., ISBN 978-1-978-82768-4, USD 19,95., in: Francia-Recensio 2022/4, 19.–21. Jahrhundert – Histoire contemporaine, DOI: https://doi.org/10.11588/frrec.2022.4.92295