Unter Lenkung der Dinge kann man viel verstehen. Das Stuttgarter Verbundprojekt »Magische(s) Gestalten in der christlichen Welt: Über die Bedeutung von Zauberern, Magiern und Hexen und ihre ›Lenkung der Dinge in der italienischen Literatur der Renaissance‹«, aus dem der hier zu besprechende Sammelband hervorgeht, legt seiner Arbeit die These zugrunde, wonach das »Kerngeschäft von Hexen und Magiern die Lenkung der Dinge darstelle«, mithin »die Einflussmöglichkeiten auf Gegenstände, Schicksale und Haltungen der Menschen« (S. 10). Um sich diesen Möglichkeiten der Einflussnahme in der Frühen Neuzeit anzunähern, hat das Projekt ein Arbeitsschema rund um Akteure, Produktion und Rezeption entwickelt (S. 14). Dass in diesem auch die Kunst eine Rolle spielt, erklärt sich dadurch, dass Kunst bzw. Technik und Magie in der Renaissance als Metapher des jeweils anderen Begriffs benutzt wurden, d. h. Kunst und Magie wurden in einem Analogieverhältnis angenommen. Dass ferner Analogie überhaupt grundlegend für das Verständnis des Themas ist, zeigt auch die zentrale Prämisse des Projekts, wonach »alle Gestaltungs- und Lenkungsakte bis zur Manipulation und Täuschung eingebunden und bedingt sind durch analoges Denken im Cinquecento« (S. 15–16). Es ist begrüßenswert, dass Magie im vorliegenden Band als etwas dem frühneuzeitlichen (Gelehrten-)Diskurs Zugehöriges gesehen und so aus der wissenschaftlich »obskuren Ecke« herausgeholt wird.

Der Ausrichtung des Verbundprojekts entsprechend gehen die 13 Beiträge mehrheitlich von einem literaturwissenschaftlichen Standpunkt aus, jeweils einer auch von einem kunsthistorischen bzw. historischen, um zu fragen, wie und durch wen Lenkung erfolgt.

Doch kann der Mensch überhaupt lenken? Diesen grundsätzlichen Vorüberlegungen zum Band widmet sich Andreas Kablitz und lässt in seinem Beitrag Augustinus, Petrarca, Thomas von Aquin, Ambrosius sowie Dante in der Diskussion um göttliche Allmacht versus menschliche Willensfreiheit zu Wort kommen. In der Annahme, dass menschliche Lenkung denkbar sei, widmet sich dann zunächst Stefan Bayer anhand des Beispiels von Pietro Aretinos »Il Marescalco« der Imagination als Möglichkeit der Einflussnahme, die im Italien des 15. und 16. Jahrhunderts Konjunktur hatte. Bayer zeigt, dass hier ein Lenkungsprozess angestoßen wird, indem Affekte beeinflusst werden. Anja Wolkenhauer greift mit der »Hieroglyphica« einen Leittext der italienischen Renaissance auf, um die zeitgenössische Faszination des antiken Ägyptens zu demonstrieren. In ihrem gut lesbaren Beitrag über die Literaturgattung der Übersetzungen alter, als heilig oder magisch geltender Zeichen aus dem alten Ägypten wird deutlich, wie Schriften magische Fähigkeiten aufgrund ihres »vermeintlich hohe[n] Alter[s]« und »ihre[r] mythische[n] Herkunft« zugeschrieben werden (S. 138). Axel Rüths Beitrag bringt Wunder und ihre literarische Inanspruchnahme ins Spiel. War der Glaube an die göttliche Lenkung der Dinge, die sich in Wundern manifestierte, im Mittelalter noch stark verwurzelt, so liefert Boccaccio in seinem »Decamerone« ein Beispiel dafür, wie der Mensch seine Geschicke selber beeinflusst und lenkt – auch wenn es hier unter Verwendung eines gerüttelten Maßes an List ist.

Was sagt einer der bekanntesten Autoren der italienischen Renaissance zum Thema Lenken und Beeinflussen? Joachim Küpper, Judith Frömmer und Sven Thorsten Kilian befragen Machiavellis Schriften zu Möglichkeiten der politischen und militärischen Lenkung der Dinge, insbesondere hinsichtlich seiner Bewertung magischer Praktiken. Küppers Resümee lautet, dass Machiavelli letztlich gegenüber »Magie als Mittel der Ausübung von Macht« distanziert bleibt, auch wenn magische Praktiken in seinem Gesamtwerk prominent vertreten sind (S. 166–167). Diese beleuchtet Frömmer näher in Machiavellis Komödie »La Mandragola«, wo die pharmakologische Wirkung der titelgebenden Alraune die Lenkung der Dinge veranlasst (S. 196). Kilian schließlich kommt in seinem sehr konzisen Beitrag zu dem Ergebnis, dass für Machiavelli der Glaube an die Magie entscheidend war, nicht deren Wirksamkeit (S. 208–210).

Von der Magie zur Sternenkunde und weiter: Einen Bezug zwischen Sternenkunde und Malerei hinsichtlich der Lenkung der Dinge stellt Maurice Saß her und fragt, ob »Kunstwerke als probate Mittel zur Steuerung des himmlischen Einflusses verstanden wurden« (S. 231). Sein Fazit verneint dies, vielmehr sei dieser Verbindung symbolische Bedeutung zugekommen. Tobias Bulang und Helge Perplies gehen der Frage von Selbstermächtigung und Handlungsmacht in Jean Bodins »Démonomanie« (1580) und Johann Fischarts deutscher Übersetzung nach. Wer ist es, der beim Schadenszauber lenkt? Ist es die Hexe, der Teufel oder Gott? Bodin zufolge ist es Gott, sodass »die Vorstellung, der Mensch könne magisch sein Geschick lenken«, hinfällig sei (S. 243). Zunächst sehr abstrakt wird es bei Kirsten Dickhaut, die zur Bestimmung der Geister auf »ein Begreifen des Werdens und Vergehens« (S. 279), so die Definition des von Aristoteles geprägten Begriffs des Hylemorphismus, zurückgreift. Dies ist ein Denkmodell, das Dickhaut als relevant sowohl für den »Hexenhammer« als auch für die »Vita« Benvenuto Cellinis einerseits und Michel de Montaignes »Journal de voyage en Italie« andererseits ansieht. Konkret wird Dickhaut bei ihren Ausführungen zu den einzelnen Schriften, so zu der um 1500 in Italien stattfindenden Rezeption des »Hexenhammers«, der sich ausführlich u. a. mit Dämonen und Geistern beschäftigt.

Einen anderen Blickwinkel nimmt Markus A. Castor ein, wenn er sich auf Spurensuche in die Galerie des Glaces in Versailles begibt und danach fragt, wie Magie als Wirkursache in repräsentativen Bildzeugnissen glaubwürdig »im cartesianischen Jahrhundert behauptet werden konnte« (S. 329). Die antiken Götter, deren Taten sich zahlreich künstlerisch dargestellt im Spiegelsaal finden lassen, sind in ihrer »gemalten Verlebendigung« (S. 355) als Zeichen magischer Transmission interpretierbar, in der sie als himmlische Mächte mit den irdischen unmittelbar verbunden sind. Marian Füssel beleuchtet schließlich das Lenkungspotential von Scharlatanen in der Gelehrtenrepublik des 17. und 18. Jahrhunderts. Dazu zieht er vor allem Johann Burkard Menckes »Charlataneria Eruditorum« (1715) heran, einen Text, der als Aushängeschild für den gesamten diesbezüglichen Diskurs verstanden werden kann. Diese Praktiken des Betrugs seitens »wissenschaftlicher Schausteller« (S. 377) kommen auch ohne magiegestützte Täuschung aus.

Fragt man den Band resümierend erneut, wie durch wen eine Lenkung der Dinge erfolgen kann, so wird deutlich, dass den Beiträgen ein teilweise sehr weit gefasstes Verständnis dessen, was alles zu Lenkung bzw. zu Magie, Politik und Kunst gehört, zugrunde liegt. Sie alle verbindet jedoch der Ansatz, durchaus diverse Lenkungsphänomene in die eigenen Untersuchungen einzubeziehen. In der Erkenntnis dieser Vielgestaltigkeit der Möglichkeiten zur Lenkung der Dinge liegt der eigentliche Wert des vorgestellten Bandes.

Zitationsempfehlung/Pour citer cet article:

Monika Frohnapfel-Leis, Rezension von/compte rendu de: Stefan Bayer, Kirsten Dickhaut, Irene Herzog (Hg.), Lenkung der Dinge. Magie, Kunst und Politik in der Frühen Neuzeit, Frankfurt a. M. (Vittorio Klostermann) 2021, IV–396 S. (Zeitsprünge, 25), ISBN 978-3-465-04558-8, EUR 118,00., in: Francia-Recensio 2023/1, Frühe Neuzeit – Revolution – Empire (1500–1815), DOI: https://doi.org/10.11588/frrec.2023.1.94360