Der zu besprechende Band enthält neun Beiträge von Nachwuchswissenschaftlerinnen und ‑wissenschaftlern aus Belgien, Deutschland und den Niederlanden. Hervorgegangen sind die Beiträge aus einem Workshop, der im November 2019 an der Vrije Universiteit Brussel stattfand und der Vorträge zusammenführte, die auf dem Annual Forum of Young Legal Historians im Juni 2019 gehalten worden waren. Generalthema des Forums war »Identity, Citizenship and Legal History«, und der Workshop ergänzte einen Fokus auf den Handel. Dafür verweisen die Herausgeberin und die Herausgeber in ihrer Einleitung auf eine Forschungslücke (S. 1‒6): Zwar ist das Thema der identity und der citizenship aus rechtshistorischer Sicht bereits mehrfach behandelt worden. Gleiches gilt für das Phänomen auswärtiger Kaufleute in mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Städten. Aber das Wechselspiel von Bürgerrechten und Handel ist bisher noch nicht ausgeleuchtet worden.

Den Anfang im Band macht Marta Lupi, Doktorandin in Tilburg, mit »The Bannum in Florentine Bankruptcy Law (Fourteenth‒Fifteenth Centuries)« (S. 7‒25). Sie analysiert, wie Kaufleute im spätmittelalterlichen Florenz ihre Bürgerrechte durch einen insolvenzbedingten Bann verlieren konnten. Dafür arbeitet sie die Vielschichtigkeit des Begriffs der cittadinanza im spätmittelalterlichen Italien, die Wurzeln und Folgen des Banns und die Einzelheiten des spätmittelalterlichen Insolvenzrechts heraus, um sich sodann dem insolvenzbedingten Bann und den durch ihn geschützten Interessen zuzuwenden.

Auch Remko Mooi, ebenfalls Doktorand in Tilburg, wendet sich der Insolvenzrechtsgeschichte unter dem Titel »›Without regard to foreignness‹. The Reciprocal Equal Treatment of Foreign Creditors in the Early Modern German Territories« zu (S. 26‒49). Er beleuchtet die Behandlung auswärtiger Gläubiger in deutschen Territorien der Frühen Neuzeit. Zunächst stellt er den Forschungsstand zur Insolvenzrechtsgeschichte vor, geht auf die praktischen Probleme ein, denen sich auswärtige Gläubiger schon wegen der Distanz ausgesetzt sahen, skizziert die allgemeine Stellung Auswärtiger in frühneuzeitlichen deutschen Städten und erläutert schließlich, dass auswärtige Gläubiger im Mittelalter nur nachrangig befriedigt worden waren. Sodann zeichnet Mooi die Ausbreitung des Gedankens der Gleichbehandlung auswärtiger Kaufleute nach, um schließlich die Gleichbehandlung auswärtiger Gläubiger in der Insolvenz zu analysieren. Die entsprechende Gesetzgebung basierte auf dem Gedanken der Gegenseitigkeit.

Pieter De Reu von der Vrije Universiteit Brussel wendet sich ebenfalls dem Insolvenzrecht zu, konzentriert sich dabei aber auf das moderne Belgien: »Modifying Procedural Practices, Shaping Economic Identities. The Middle Class and Negotiated Debt Adjustment in Commercial Courts in Belgium (1883‒1914)« (S. 50‒72). Er beleuchtet, eingebettet in die wirtschaftliche Entwicklung Belgiens im 19. Jahrhundert, die Herausbildung von Sanierungsmaßnahmen zugunsten von kleinen Unternehmen in Belgien.

Der Beitrag von Marco In’t Veld, Doktorand an der Vrije Universiteit Brussel und Lecturer in Tilburg, und Maurits den Hollander, Assistant Professor in Tilburg, beleuchtet die Bedeutung von Bürgerrechten im Amsterdamer Handwerk der Frühen Neuzeit: »Citizenship in Early Modern Amsterdam. An Artisanal Identity?« (S. 73‒95). Die bisherige Forschung habe, so die Autoren, Amsterdam als Stadt der Kaufleute verstanden. Sie setzen dem entgegen, dass Bürgerrechte im Handwerk sehr viel größerer Relevanz hatten, waren sie doch Zugangsvoraussetzung zum Handwerk. Sie analysieren entsprechend die Relevanz der Bürgerrechte, die ökonomische Bedeutung des Handwerks und der Zünfte sowie die Bedeutung städtischer Institutionen für Handel und Handwerk im frühneuzeitlichen Amsterdam.

Sonja Breustedt von der Universität Frankfurt a. M. erörtert in ihrem Beitrag Frankfurter kaufmännische Rechtsgutachten des 18. Jahrhunderts: »The Pareres of the Governors of the Frankfurt Exchange. Legal Opinions of Frankfurt Merchants in the Eighteenth Century« (S. 96‒117). Sie zeigt auf, wie die Praxis solcher Rechtsgutachten nach Deutschland kam, ordnet sie mit Blick auf Frankfurt politisch ein, erläutert den Prozess ihrer Verfassung ebenso wie ihren standardisierten Aufbau und stellt einige Rechtsgutachten vor. Vor diesem Hintergrund arbeitet sie schließlich ihre Funktion heraus.

Gijs Dreijer, Postdoctoral Researcher in Leiden, nimmt kastilische Kaufleute in den Niederlanden in den Blick: »Identity, Conflict and Commercial Law. Legal Strategies of Castilian Merchants in the Low Countries (Fifteenth‒Sixteenth Centuries)« (S. 118‒138). Er baut auf den bereits bestehenden Forschungen zu den nationes in den Niederlanden auf und analysiert vor diesem Hintergrund die Strategien kastilischer Kaufleute, Streitigkeiten beizulegen. Außerdem untersucht Dreijer wie Kaufleute so das Recht in den Niederlanden beeinflussen konnten.

Der Beitrag von Patrick Naaktgeboren, Doktorand in Maastricht, trägt den Titel: »The Learning Market in Early Modern Antwerp (Seventeenth‒Eighteenth Centuries). Circulation of Knowledge within the Context of Private Partnership Contracts« (S. 139‒161). Die Forschung betonte bisher, dass Knowhow vor allem in Zünften zirkulierte. Naaktgeboren wertet für seine Arbeit Antwerpener Gesellschaftsverträge im Zeitraum von 1621 bis 1791 aus und nimmt Klauseln in den Blick, die die Weitergabe oder Zirkulation von Knowhow regelten. Dafür arbeitet er zunächst die wirtschaftliche Entwicklung Antwerpens heraus und leitet daraus die besondere Bedeutung von Knowhow als Standortfaktor ab.

Die Forschung weist immer wieder auf die Bedeutung einer gemeinsamen Religionszugehörigkeit und von Verwandtschaftsverhältnissen bei der Bildung von Geschäftsbeziehungen hin. Manon Moerman, Doktorandin in Maastricht, stellt diesen Befund für jüdische Kaufleute im Amsterdam des 18. Jahrhunderts auf den Prüfstand: »Family, Religion, and Business Cooperation. Jewish Private Partnerships in Eighteenth-Century Amsterdam« (S. 162‒185). Dafür nimmt sie jüdische Kaufleute in den Blick und untersucht, ob sie untereinander oder auch mit nichtjüdischen Kaufleuten Gesellschaftsverträge eingingen und ob sich die Verträge ihrer Form und ihrem Inhalt nach unterschieden.

Joost Possemiers, Doktorand in Leuven, widmet seinen Beitrag der zeitgenössischen Diskussion um jüdische Kaufleute: »›Tolerate their religion, but not their usury‹. Conrad Summenhart on Tolerating Jewish Bankers in an Era of Mass Expulsions« (S. 186‒218). Im Zentrum des Beitrags stehen die Ansichten des Tübinger Gelehrten Summenhart zum Zinswucher jüdischer Kaufleute. Possemiers analysiert und kontextualisiert Summenharts Ausführungen und setzt sie in Beziehung zur Vertreibung von Juden aus Württemberg im ausgehenden 15. Jahrhundert.

Die neun Beiträge bestechen durch ihre Klarheit und Qualität: Sie arbeiten ihre jeweilige Forschungsfrage präzise heraus, betten sie in den Forschungsstand ein, beantworten ihre Forschungsfrage differenziert und vor allem quellenbasiert und stellen dabei jeweils den Bezug zum Generalthema des Bandes her. In der Gesamtschau wirft der Band damit wichtige Schlaglichter auf »Commerce, Citizenship, and Identity« von Mittelalter bis zur Moderne.

Zitationsempfehlung/Pour citer cet article:

Phillip Hellwege, Rezension von/compte rendu de: Dave De ruysscher, Albrecht Cordes, Serge Dauchy, Stefania Gialdroni, Heikki Pihlajamäki (ed.), Commerce, Citizenship, and Identity in Legal History, Leiden (Brill Academic Publishers) 2022, IX–220 p. (Legal History Library, 54), ISBN 978-90-04-47285-3, EUR 105,00., in: Francia-Recensio 2023/1, Frühe Neuzeit – Revolution – Empire (1500–1815), DOI: https://doi.org/10.11588/frrec.2023.1.94370