»I am of the opinion that up to now this has been a war of the favourites«1, so urteilte der venezianische Diplomat Alvise Contarini im September 1628 über den Konflikt, der sich seit 1627 zwischen den Kronen England und Frankreich entsponnen hatte. Mit den Favoriten gemeint waren französischerseits Kardinal Richelieu, der aktiv gegen die Hugenotten in Frankreich vorging, und englischerseits der Herzog von Buckingham, der höchstselbst eben jenen Hugenotten in La Rochelle mit einer Flotte zur Hilfe kommen wollte.

Der in Kanada lehrende Historiker Michel de Waele hat diesen Kontext in der vorliegenden Studie einer neuen Einordnung unterzogen und beabsichtigt, den oft auf die Hugenottenfrage reduzierten Konflikt in einem größeren, europäischen und globalen Zusammenhang darzustellen. Dabei geht es einerseits um die Situierung der englischen bzw. französischen Strategien und Auseinandersetzungen im Kampf gegen die habsburgische Universalmacht im Europa der 1620er-Jahre. Andererseits zielt de Waele in der Thesenbildung darauf, einen »fait colonial« als Leitfaktor europäischer internationaler Beziehungen 1629 (und danach) zu begründen.

Die enge Einbindung des französisch-englischen Krieges in den frühen Dreißigjährigen Krieg, die de Waele zeichnet, wird politikgeschichtlich durch die Projektierungen einer anti-habsburgischen Allianz der beiden Kronen begründet, die sich in der Heirat Karls I. und der Schwester Ludwigs XIII. 1625 festigte und in konzertierten Aktionen wie der Ausstattungen der Militärexpedition Ernst von Mansfelds 1625 gegen spanische Truppen beweisen sollte. Warum das Zusammenwirken der Kronen jedoch nicht den projektierten Zweck erfüllte, sondern im Gegenteil vielmehr einen potenziellen Mitstreiter gegen Habsburg, nämlich England, aus dem Spiel nahm, zeigt die dichte und quellengesättigte Analyse der diplomatischen, militärischen und politischen Entscheidungen, die mit den Kapiteln I bis VIII den Großteil der Studie bildet. Der eigentlichen Fragestellung nach den »forces globales« (S. 14) und deren Rolle im englisch-französischen Mächtespiel in Europa, die auch den ambitionierten Titel der Arbeit begründet, bleiben hingegen mit Kapitel IX nur die letzten knapp 40 Seiten des Buches.

Die Studie geht chronologisch vor und fokussiert sich auf die Entscheidungsfindungen im Umfeld der Herrscher bzw. Favoriten auf beiden Seiten des Ärmelkanals, wobei häufig die analytischen Blicke von Botschaftern dritter Fürsten und Reiche die Abwägungsprozesse und Zusammenhänge anreichern. Nach einer Einführung in die generellen Knotenpunkte der englisch-französischen Rivalität im frühen 17. Jahrhundert (Kapitel I), den Ausführungen über den englisch-französischen Zusammenschluss gegen Spanien, der gerade vor dem Hintergrund erfolgreichen spanischen Agierens im Reich in den 1620ern notwendig schien (Kapitel II und III), kommt der Autor anhand der Überlieferung verschiedener beteiligter Akteure ausführlich auf das geplante Vorgehen der beiden Kronen gegen Habsburg zu sprechen (Kapitel IV). Trotz der königlichen Hochzeit bildete sich aufgrund divergierender Interessen kein gemeinsamer Handlungsrahmen: England wollte die Sache des abgesetzten pfälzischen Kurfürsten befördern, Frankreich hingegen hatte größere Interessen in Norditalien. De Waele zeigt, dass das antihabsburgische Momentum der Jahre 1624/1625 letztlich folgenlos blieb, da die Schwäche der englisch-französischen Allianz dessen inhärente Spannungen offenlegte (Kapitel V und VI). Mit dem Bemühen Richelieus, die Herrschaft nach innen gegen die französischen Hugenotten zu stärken, begann die »marche à la guerre« (Kapitel VI). Das englische Entsatzheer für La Rochelle wurde zum Türöffner für den französischen Angriff auf die Stadt und bildete den Eskalationspunkt einer Auseinandersetzung, die mit dem Frieden von Susa 1629 (Kapitel VII) schriftlich beigelegt werden musste. Den Bogen in den Kontext des Dreißigjährigen Krieges schließt de Waele wieder, wenn er dann in Kapitel VIII erläutert, warum auch nach dem Intermezzo kein geeintes oder separates Vorgehen gegen Habsburg mehr möglich war. Frankreich begann zwar die Kriegspartei Schweden zu unterstützen, doch England fehlten trotz der Dringlichkeit des pfälzischen Anliegens die Mittel und – nach der gescheiterten Unterstützung der Hugenotten – auch der Wille.

Die Studie besticht mit der engen Rückkopplung der bilateralen Auseinandersetzung in das europäische Geschehen; von den im Titel vorangestellten globalen Bezügen ist aber erst im letzten, neunten Kapitel die Rede: Erst deutlich nach dem Friedensschluss von Susa trafen in Europa Nachrichten ein, dass Engländer und Schotten seit 1627 in den nordamerikanischen Besitzungen des französischen Königs (Québec und Akadien/Port-Royal) militärisch erfolgreich waren. Die noch ausstehenden Verhandlungen zur Umsetzung des Friedensvertrages schoben sich durch die nun asynchron hinzugekommenen Restitutionsverhandlungen um mehr als ein Jahr auf. Die Umsetzung des Friedens hatte aber außer den kolonialen Konfliktpunkten noch weitere retardierende Momente: die Auszahlung der zweiten Hälfte der Mitgift für die Braut Karls I. und die Wiederaufnahme des Handels im Ärmelkanal arbeitet de Waele als weitere Punkte heraus. Der Einschätzung des Autors, dass mit der asynchronen Weiterführung des Krieges jenseits des Atlantiks und der daraus folgenden zähen Restitutionsverhandlungen eine »entente globale« (S. 261, auch S. 279) gegen Habsburg um 1630 verhindert worden sei, lässt sich gerade anhand der Vielzahl der genannten Reibungsflächen nur schwerlich folgen.

Dennoch bietet das Werk eine detaillierte Darstellung der englisch-französischen Beziehungen, die ihren Neuerungswert aus der Verortung in der internationalen Politik der 1620er-Jahre und der Breite der Quellenbasis zieht, die nahezu alle archivalischen Überlieferungen großer Akteure von Madrid bis Kopenhagen einschließt. Zudem gelingt es de Waele mit der Einbeziehung der kolonialen Ausweitung des Konflikts eine Perspektive zu gewinnen, die im Zuge des Religionskriegsnarrativ, in das La Rochelle normalerweise eingebunden ist, i. d. R. untergeht. Unklar – und damit auch wenig überzeugend – bleibt jedoch die Herausstellung des »fait colonial« im Titel des Werks und in der Thesenformulierung.

Abschließend baut der Autor – ähnlich wie andere vor ihm, doch ohne daran anzuschließen – Faktoren der internationalen Beziehungen auf, unter denen er den »fait colonial« seit 1629 einordnet. Genaugenommen sieht er in diesem Jahr den Beginn einer »nouvelle période des relations internationales européennes« (S. 298), da – wie Karl I. selbst bemerkt habe – nie zuvor ein Streit um koloniale Besitzungen die Verhandlungen zweier Königreiche derart aufgehalten hätte. Auch ungeachtet dessen, dass die Bedeutungszuweisung des von der Verzögerung betroffenen Akteurs nicht zum alleinigen historiografischen Bewertungsmaßstab gemacht werden sollte, ist der »fait colonial« noch keine »raison coloniale«. Zwar stellt de Waele überzeugend dar, wie die englischen Erfolge in Amerika noch mehrjährige Verhandlungen in Europa provozierten. Aber statt der These, darin eine neue Bedeutungszuweisung im Atlantischen Raum zu sehen, ließe sich das gleiche »atlantische« Rad auch andersherum drehen: Die Aktionen in Amerika waren durch den europäischen Konflikt begründet und eben dort wurden sie auch wieder eingefangen und beendet. Der »fait colonial« bliebe dann umso weniger ein entscheidungsweisendes Element als vielmehr ein Ressort an Störpotenzial oder Verhandlungsmasse, auf die man auch (!) zurückkommen konnte.

Abseits dieser Thesenbildung bleiben strukturelle Aspekte oder Forschungsfragen bspw. der neueren Diplomatiegeschichte aus, das Werk öffnet interessierten Forscherinnen und Forschern aber zahlreiche Zugänge und erläutert gesättigt und konzise die Zusammenhänge im europäischen Mächtespiel. In den frühen Kapiteln holen die Kontexte zwar weit aus, und neben den abschließenden Einordnungen zu den Faktoren und Entwicklungen der internationalen Geschichte im 17. Jahrhundert würde man sich auch bei Formulierungen wie »intérêts« oder »préoccupations nationales« sachlichere Differenzierung wünschen. Einige deutsche und englische Literaturtitel, die nicht im Werk erscheinen, hätten dies unterstützen können2. Gleichwohl handelt es sich hier um ein kenntnis- und quellenreiches Buch über den englisch-französischen Krieg der späten 1620er-Jahre.

1 Georg C. Bentinck, Horatio F. Brown, Rawdon L. Brown, Allen B. Hinds (Hg.), Calendar of State Papers Relating to English Affairs in the Archives of Venice, Vol. 21, 1628–1629, London 1916, S. 286 [englische Übersetzung des Originals]. Im besprochenen Werk zitiert und übersetzt auf S. 224.
2 Beispielhaft sei genannt Ronald G. Asch, Sacral Kingship between Disenchantment and Re-Enchantment. The French and English Monarchies 1587–1688, New York/Oxford 2014 (Studies in British and Imperial History, 2). Leider gänzlich unberücksichtigt bleibt die für die Zusammenhänge wichtige Studie von Georg Lutz, Kardinal Giovanni Francesco Guidi di Bagno. Politik und Religion im Zeitalter Richelieus und Urbans VIII., Tübingen 1971 (Bibliothek des Deutschen Historischen Instituts in Rom, XXXIV), v. a. S. 386–410.

Zitationsempfehlung/Pour citer cet article:

Jonas Bechtold, Rezension von/compte rendu de: Michel De Waele, L’affirmation du fait colonial dans les relations internationales. La guerre franco-anglaise de 1627–1629, Rennes (Presses universitaires de Rennes) 2022, 328 p. (Histoire), ISBN 978-2-7535-8305-4, EUR 28,00., in: Francia-Recensio 2023/1, Frühe Neuzeit – Revolution – Empire (1500–1815), DOI: https://doi.org/10.11588/frrec.2023.1.94372