Nur selten hat die frühneuzeitliche Jagd bislang die Aufmerksamkeit in der historischen Forschung erhalten, die sie verdient. Das Buch von Maike Schmidt, das aus einer Dissertation an der Universität Trier hervorgeht, widmet sich der höfischen Jagd im Frankreich des frühen 16. Jahrhunderts (konkret: in der bislang eher schlecht erforschten Regierungszeit Franzʼ I. von 1515 bis 1547). Die Arbeit strebt an, Jagdforschung mit Hofkulturforschung zu verbinden. Inhaltlich liegt der Schwerpunkt auf der damals neuartigen, zeremoniellen Form der Hetzjagd (»vénerie«), die sich später im deutschsprachigen Raum als »Parforcejagd« durchsetzen sollte. Es geht um die Funktion dieser und anderer Jagdformen für Landeserfassung, »Herrschaftshandeln« (vgl. 13) und vor allem höfisch-politische Repräsentation. Zur Analyse dient ein bunter Strauß an verfügbaren Quellen – von erzählender Literatur über Jagdbücher, Verordnungen und Rechnungsbücher bis hin zu Bildern und Musik. Gewisse Probleme ergeben sich, wie die Verfasserin feststellt, aus Überlieferungsverlusten und der daraus resultierenden Lückenhaftigkeit wichtiger Quellenbestände (vgl. 51).

Die Einleitung stellt ausführlich die Bedeutung der Jagd innerhalb der Kultur Frankreichs bis in die jüngste Zeit dar und weist auf die politische Polarisierung der Jagd und ihrer Erforschung hin. Darauf folgt ein informations- und detailreiches Kapitel zu den Gebräuchen und Abläufen der französischen vénerie: einer personal- und tierintensiven, gelegentlich geradezu massakerartigen Massenveranstaltung, bei der Großwild mit Hunden gehetzt, ggf. in ein Gewässer getrieben und dem Herrscher zum Abschuss bereitgestellt wurde. In ihrer Popularität überflügelte diese Jagdform zu Beginn der Neuzeit zunehmend die Jagd mit Falken (S. 62). In diesem Kapitel geht es auch und gerade um den Bezug zu Jagdpraktiken im frühneuzeitlichen Deutschland. Jagdkritik wird ebenso angesprochen wie die Bedeutung der Jagd zur Persönlichkeitsentwicklung adeliger Jugendlicher oder die Jagd in spätmittelalterlichen Tugenddiskursen (anhand von Fébus’ »Livre de chasse« aus dem 14. Jahrhundert).

Kapitel 3 (»Jagen und Herrschen«) handelt zunächst die seit dem Mittelalter existierenden unterschiedlichen Jagdrechte und -berechtigungen in verschiedenen Regionen ab, die der französischen Krone unterstanden. Anschließend geht es darum zu zeigen, wie der jagdbegeisterte König gemeinsam mit seinen Beamten durch topografische Erfassung und administrative Reform der Waldgebiete ein Jagdmonopol der herrschaftlichen Zentrale schaffen wollte und inwiefern diese Monopolisierung das Jagen zu einem Mittel der territorialen Integration Frankreichs machte. Kapitel 4 erläutert sodann das Personalgefüge sowie Formen der Ämtervergabe und Patronage am Königshof, den man – wie die Verfasserin zurecht bemerkt – nicht mit Vorstellungen des barocken Versailles vergleichen sollte. Das Kapitel kommt ohne klare Bezüge zur Jagd aus, es soll aber zum »Vorverständnis« (S. 151) der anschließenden Jagdzusammenhänge (Kap. 5) dienen. Hier werden unterschiedliche hohe Jagdämter und niedere Jagdchargen behandelt, und zwar im Rahmen der zeitgenössischen Dreiteilung von Parforce-, Tuchjagd und Falknerei. Kapitel 6 widmet sich der Repräsentationsebene: Die Jagd wird darin u. a. als Teil einer »agonalen Inszenierung« (S. 219) der königlichen Person begriffen. Zugleich sorgten unterschiedliche Jagdanlässe (Herrschertreffen und Prunkjagden, Jagdausflüge mit Gesandten usw.) dafür, dass Jagden in die allgemeine Herrschaftspraxis integriert waren. Kapitel 7 behandelt Jagd und Jagdämter in der Perspektive des außenpolitischen Konkurrenz- bzw. Abhängigkeitsverhältnisses zwischen Frankreich und Lothringen, während im anschließenden Teil mehrere Herrscherpanegyriken dazu genutzt werden, das Bild des Königs als heroischen Hirsch- und Wildschweintöter herauszuarbeiten (u. a. im Kontext der verlorenen Wahl Franz’ I. zum römisch-deutschen König 1519). Ein exkursartiger letzter und eher allgemeiner Abschnitt behandelt schließlich die herrschaftliche Jagd in einer Geschlechterperspektive.

Das ausgezeichnet lesbare, konzise Fazit bringt viele Dinge auf den Punkt, die zuvor eher verstreut angedeutet wurden bzw. vage geblieben sind. Demgegenüber ist die narrative Struktur der vorangegangenen Kapitel nicht immer leicht zu durchschauen. Die Untersuchung enthält zahlreiche zeitliche und räumliche Sprünge, sie mäandert zwischen Wichtigem und Unwichtigem, sie enthält eingestreute Beobachtungen, Vorklärungen und Hinführungen, die manchmal wenig mit den eigentlichen Kapitelthemen oder überhaupt mit dem Fokus der Studie zu tun haben. Angesichts solch anekdotischer Informationsschnipsel, die im Wortsinn »von Nimrod bis Göring« (sic, S. 340) reichen, fragt man sich beim Lesen gelegentlich, wozu man all dies hier eigentlich wissen muss. Auch in sprachlich-stilistischer Hinsicht wären Eingriffe eines Lektorats zu wünschen gewesen.

Dass die frühneuzeitliche Jagd einen essentiellen Bestandteil von Politik und Herrschaft darstellt, ist auch in Anbetracht des existierenden, wenngleich überschaubaren historischen Wissensstandes nicht mehr allzu neu und überraschend, aber dies hätte m. E. konsequenter und stringenter am empirischen Beispiel durchargumentiert werden können – etwa im Sinne der neueren Raumforschung und Verwaltungsgeschichte. Überraschend ist daher, wenn gelegentlich die Jagd doch wieder zu einer Randerscheinung von minderer Relevanz jenseits der vermeintlich »eigentlichen« Politik degradiert zu werden scheint, wenn etwa von ihr als »Vergnügen« die Rede ist oder wenn jemand wie Jean de Lorraine als »politisch entbehrlich, dafür aber jagdaktiv« (S. 360) beschrieben wird.

Zweifellos bietet die schön aufgemachte und mit einem opulenten Abbildungsteil versehene Untersuchung unter dem Strich informative Einblicke in Jagd- und Herrschaftspraxis der Zeit Franz’ I. Zugleich wird deutlich, dass es im Bereich einer kulturgeschichtlich informierten Forschung zur (früh‑) neuzeitlichen Jagd noch mancherlei Grundlagen- und Überzeugungsarbeit zu leisten gilt.

Zitationsempfehlung/Pour citer cet article:

Alexander Schunka, Rezension von/compte rendu de: Maike Schmidt, Jagd und Herrschaft. Praxis, Akteure und Repräsentationen der höfischen vénerie unter Franz I. von Frankreich (1515–1547), Trier (Verlag für Geschichte und Kultur) 2019, 416 S., zahlr. Abb., ISBN 978-3-945768-07-5, EUR 24,90., in: Francia-Recensio 2023/1, Frühe Neuzeit – Revolution – Empire (1500–1815), DOI: https://doi.org/10.11588/frrec.2023.1.94390