Gleichsam als Festschrift werden in diesem Band elf Abhandlungen von Monique Goullet aus den Jahren 1996 bis 2016 wiederabgedruckt. Damit wird eine Gelehrte geehrt, die ihre wissenschaftliche Laufbahn fast ausschließlich der Hagiografie gewidmet hat. Ihre Zugangsweise zu einem eher fluiden Gegenstand charakterisiert Fernand Peloux in seiner sehr konzisen »Introduction« (S. 7-14), indem er ein eindrückliches Zitat der Geehrten anführt: »L’hagiographie est un genre introuvable, et ce n’est d’ailleurs ni un genre ni une catégorie littéraire, ni même un type de discours« (S. 7). Goullets Hauptwerk »La réécriture hagiographique dans l’Occident médiéval« (2003), das im engen Austausch, wie viele ihrer Publikationen, mit Guy Philippart, François Dolbeau und dem von Martin Heinzelmann am DHI Paris betriebenen Programm »Sources hagiographiques de la Gaule« entstanden ist, konnte nicht in die hier besprochene Sammlung aufgenommen werden.

Zusammen mit der einleitenden Würdigung ermöglicht die Auswahl der Beiträge in diesem Band einen guten wie auch repräsentativen Einblick in das insgesamt wesentlich breitere wissenschaftliche Werk von Monique Goullet. Gegliedert wird in vier Abschnitte. Zwei Aufsätze handeln von Theater und Poesie, dabei zählt der Aufsatz zu den Dramen Hrosviths von Gandersheim zu den frühesten Aufsätzen Goullets. Eine zweite Rubrik behandelt Lothringen. Ihre Studien zu Adso von Montier-en-Der setzen sich zudem mit philologischen Argumenten kritisch mit den Thesen von Karl-Ferdinand Werner auseinander, der die Chlotildenvita noch Adso zuschreiben wollte. Ein weiterer Beitrag zur Vita Leos IX. entstand wohl im Zusammenhang mit ihrer Edition der Touler Vita eben jenes Papstes. Fragen der réécriture hagiographique stehen im Aufsatz zur Vita des hl. Adelphus im Vordergrund.

Fragen der réécriture bestimmen ebenso zwei Aufsätze des dritten Abschnitts zur Topik, ein dritter setzt sich mit der Frage der Tugendkataloge auseinander. Die letzte Abteilung zur merowingischen Hagiografie und zu den großen Legendaren erinnert auch daran, dass sich Monique Goullet, zusammen mit Alain Boureau, nicht zuletzt der wirkmächtigen »Legenda aurea« und ihrer Übersetzung (2004) gewidmet hat. Im Aufsatz des vorzustellenden Sammelbandes fragt sie nach den griechischen Traditionen in den lateinischen Legendaren. Hier handelt es sich in großem Maße um Fragen von Übersetzung und Anpassung.

Nachdrucke von zentralen Studien, wie im vorliegenden Fall, gruppieren Forschungen, die zusammengehören, aber an verschiedenen, oft entlegenen Orten publiziert wurden. So ist den Herausgebern nicht nur für die vorangestellte Einleitung zum Gesamtwerk Goullets und zu deren Veröffentlichungsliste zu danken, sondern vor allem zu der glücklichen Auswahl zu gratulieren. Eine Zusammenstellung ermöglicht zudem – anders als meist bei Zeitschriftenaufsätzen möglich – ein Register. Hier sind dem Band Indices zu den klassischen Autoren, sowie zu den zitierten Heiligen und den Manuskripten beigegeben.

Zitationsempfehlung/Pour citer cet article:

Klaus Herbers, Rezension von/compte rendu de: Monique Goullet, L’hagiographie est un genre introuvable. Études d’hagiographie latine (VIe–XIe s.) réunies par Fernand Peloux avec la collaboration de Michèle Gaillard, Paris (Éditions de la Sorbonne) 2022, 288 p. (Histoire ancienne et médiévale, 181), ISBN 979-10-351-0790-1, EUR 24,00., in: Francia-Recensio 2023/1, Mittelalter – Moyen Âge (500–1500), DOI: https://doi.org/10.11588/frrec.2023.1.94523