1988 und 1999 publizierten Sheila Bonde und Clark Maines Berichte über jüngere Forschungen zum mittelalterlichen Mönchtum. Ein deutlicher Schwerpunkt ihrer Recherchen lag damals auf Arbeiten zu französischen Ordensniederlassungen und deren Architektur- und Kunstproduktion. Für den vorliegenden Band aktualisieren sie ihren Überblick und konstatieren ein unverändertes Forschungsdesiderat.

Zwar ist das Interesse an »kanonischen« Orden wie den Benediktinern, Zisterziensern und den großen Bettelorden groß, doch scheint das Kulturschaffen der kleineren religiösen Gemeinschaften, die neben den großen Verbänden zahlreich existierten, eher vernachlässigt. Zu ihnen zählen etwa regional erfolgreiche Observanzen, Frauenkonvente, in der Vita communis lebende Kanoniker, eremitische Orden oder Laienbruderschaften. Für deren Formen des apostolischen Lebens fand Roberta Gilchrist 1995 den Begriff des Other Monasticism, dem der Titel des Bandes entlehnt ist. Gerade für dessen Erforschung fordern Bonde und Maines eine Pluralität der fachlichen Zugänge und Schwerpunkte und eine genaue Erkundung aller Lebensumstände, weil die kleineren Gruppierungen selten Monumente oder Artefakte von epochaler Wahrnehmung hinterließen, die Auskunft über ihr Selbstverständnis geben könnten.

Der Band enthält Beiträge einer 2018 von Bonde und Maines zu diesem Thema organisierten Sektion des 53. International Medieval Congress in Kalamazoo, USA. Sie stammen von jüngeren Mediävistinnen und Mediävisten und zum Teil aus dem direkten Forschungsumfeld der Herausgeberin und des Herausgebers. Einige weitere inhaltlich passende Studien treten hinzu. Gesellschafts-, religions- und frömmigkeitsgeschichtliche, raumanalytische und architektonische Perspektiven bilden eine aspekt- und materialreiche Sammlung aktueller Forschungsansätze. Ihnen haben Bonde und Maines eine längere und sehr lesenswerte Einführung vorangestellt, die unter anderem auf den einen oder anderen roten Faden zwischen den Beiträgen aufmerksam machen soll. Dies hilft, die Zentrifugalkräfte dieser Sammlung individueller Studien, die eher selten programmatischen oder systematischen Anspruch anmelden, in Grenzen zu halten. Etwas isoliert steht dennoch der Aufsatz von Susan Wade zu auffälligen sprachlichen Parallelen zwischen den Zeugnissen monastischer Kontemplation und Wunderberichten zur Heilung blinder Pilger – beide Textgruppen sprechen von »Erleuchtung«. Wade erläutert allerdings nicht, ob und in welcher Form die Textproduktion kleinerer monastischer Gemeinschaften hier eine besondere Rolle spielt.

An Grundsätzliches rührt Robert Shaws Bericht über den französischen Zweig der im 13. Jahrhundert in den Abruzzen gegründeten Cölestiner, dessen wachsende Distanz zu den italienischen Niederlassungen des Ordens einherging mit der Förderung durch die Kapetinger und durch große französische Dynasten des Spätmittelalters. Arthur Panier, der ebenfalls einen Beitrag zu den französischen Cölestinern beisteuert, weist darüber hinaus enge Bindungen an den päpstlichen Hof in Avignon zu Zeiten des Großen Schismas nach. Weniger diese Nähe zur Macht als die Beziehungen zu anderen Reformorden wie den aus den Klarissen hervorgegangenen Colettinen und den Kartäusern veranlassen Shaw dazu, ein Netzwerk gegenseitiger Unterstützung zu rekonstruieren, wie es ähnlich für große Benediktinerklöster und für die Zisterzienser ordensintern nachgewiesen ist. Die vernetzten kleineren Orden agierten zugleich als Konkurrenten in übereinstimmenden Expansionsräumen. Es wäre zu fragen, ob sich hier der in den großen Ordensverbänden vielfach nachweisbare interne Wettbewerb zwischen Filiationen und Obödienzen lediglich in die Außenbeziehungen der Orden verlagert.

Diverse monografische Studien warten mit je unterschiedlichem Forschungsinteresse auf. Arthur Paniers Studie zu den französischen Cölestinern befasst sich vor allem mit dem 1331 gegründeten Kloster Sainte-Croix-sous-Offémont/Oise. Der Disposition der Baulichkeiten und Räume rund um das claustrum attestiert Panier keine auffällige Besonderheit im Verhältnis zu anderen Orden. Die eremitischen Tendenzen des Ordens äußern sich allerdings in der Vorschrift des späten 13. Jahrhunderts, jedem Bruder eine eigene Schlafzelle zuzuweisen. Dem wurde anscheinend häufiger mit einer Unterteilung der Dormitorien durch Holzeinbauten entsprochen. Ordensspezifisch ist dies freilich nicht. Franziskanische Dormitorien des 13. Jahrhunderts etwa weisen ebenfalls diese Anlageform auf.

Erica Kinias untersucht das untergegangene Kloster der Sorores minores inclusae in Longchamp, das 1256 von Ludwig IX. und seiner Schwester Isabelle westlich von Paris gegründet wurde – ein Paradebeispiel für die Überlagerung ursprünglich klarissischer Ideale durch den auf Repräsentanz und memoria abzielenden Zugriff der königlichen Geschwister. In ähnlicher Weise analysiert Laura Chilson-Parks die hybride Funktion der burgundischen Kartause Champmol, die nicht nur ein aufwändiges Oratorium für Philip den Kühnen und Margarete von Flandern und von den burgundischen Kanzlern gestiftete Kapellen beherbergte, sondern sogar zu gewissen Zeiten den Pilgern beiderlei Geschlechtes Zutritt zum großen Kreuzgang gewährte, dessen prächtiger, von Jean de Merville, Claus Sluter und anderen 1385–1404 konzipierter Mosesbrunnen große Menschenmassen anzog.

Kathleen Thompson führt in die spätmittelalterliche Geschichte der im frühen 12. Jahrhundert westlich von Chartres gegründeten Abtei Tiron ein. Die eremitisch orientierte Mönchsgemeinschaft erlebte höchst erfolgreiche Anfangsjahrzehnte mit großen Einkünften und Niederlassungen jenseits des Kanals. Doch der Hundertjährige Krieg verschärfte namentlich die Lage der englischen Häuser – eine Krise, von der sich die Klosterfamilie nie wieder ganz erholte. Es zeichnet sich ein Gegenbild zur Erfolgsgeschichte der Zisterzienser ab, welches das Gefährdungspotenzial epochaler Störfaktoren für das Prosperieren von Klöstern beleuchtet: Zum guten Teil resultierte die begrenzte Wirkung der Other Monasticisms aus Wettbewerbsnachteilen und zuwiderlaufenden äußeren Ereignissen.

Die architekturhistorischen Beiträge haben es mit sprödem Material zu tun. Gerade die französischen Häuser der kleinen Orden wurden meist durch die Revolution zerstört, und was noch steht, ist wegen begrenzter Ressourcen oder wegen Verpflichtung zur Armut formal kaum jemals ambitioniert. Die oft einer eremitischen Lebensweise zugeneigten Regeln provozierten zudem, außer bei den Kartäusern, nur selten funktionale Antworten. Umso auffälliger scheint den Autoren ein deutliches Favorisieren einfacher Saalkirchen mit runden oder eckigen Chören, mit und ohne Querhaus. Panier deutet sie als Rückverweis auf Oratorien eremitischer Gemeinschaften. Bonde und Maines, die eine sehr instruktive Studie zu einer Gruppe westfranzösischer Eremitenklöster beisteuern, sehen die einfachen Grundrisstypen im Einklang mit der simplen, meist ungewölbten und mit Kleinquaderwerk Vorlieb nehmenden Bauweise. Auch weisen sie zu Recht darauf hin, dass die meist kleinen Konvente keine großen Kirchen mit komplexem Raumprogramm benötigten.

Erik Gustafson, dessen Beitrag über die Kamaldulenser und die Vallombrosaner sich als einziger mit italienischen Kongregationen befasst, schlägt für deren Klosterkirchen eine tropologische Interpretationsebene vor. Er sieht sie als Gehäuse für die Ausübung der vita apostolica  – der Leitidee einer monastischen Identität, die dem Tod als Erlösung von der Welt entgegenlebe. Die schlichte Saalkirche greife deshalb den historischen Typus der Grabeskirche auf. Die Spezifik dieses Rückgriffs kann man allerdings bezweifeln, weil Säle vielen sakralen Bauaufgaben der Spätantike und des Mittelalters dienlich waren.

Einen weiteren Versuch der Deutung raumanalytischer Beobachtungen unternimmt Kyle Killian. Er studiert die Verteilung einer Gruppe traditioneller benediktinischer Klöster der Reimser Diözese, die 1131 über eine Gebetsbruderschaft beriet, in der regionalen Klosterlandschaft. Eine aufwändige Chorlösung mit Umgängen, Kranz- oder Diagonalkapellen scheint einigen Kirchen dieser Gruppe gemeinsam. Allerdings stammen etliche dieser Chöre aus der Zeit vor 1131. Sie können also nicht durch die Bildung der Bruderschaft initiiert worden sein.

Der Blick auf ein »anderes Mönchtum« macht die Erforschung der mittelalterlichen Orden nicht einfacher, soviel scheint sicher. Doch es liegt nun ein Band vor, der einen wichtigen Beitrag leistet für das Schließen der vielen Forschungslücken zwischen den Geschichten der großen Klosterverbände.

Zitationsempfehlung/Pour citer cet article:

Norbert Nußbaum, Rezension von/compte rendu de: Clark Maines, Sheila Bonde (ed.), Other Monasticisms. Studies in the History and Architecture of Religious Communities Outside the Canon, 11th–15th Centuries, Turnhout (Brepols) 2022, 376 p., 78 col. and 20 b/w fig., ISBN 978-2-503-58784-4, EUR 125,00., in: Francia-Recensio 2023/1, Mittelalter – Moyen Âge (500–1500), DOI: https://doi.org/10.11588/frrec.2023.1.94537