Die erste Auflage dieser erfolgreichen, gut verständlichen und vorzüglich illustrierten Geschichte der Wasserkraft bis in die neueste Zeit ist bereits 2005 erschienen. Ergänzungen sind vor allem im letzten der sieben Kapitel hinzugekommen. Beginnen wir damit. Es geht um die Produktion elektrischen Stroms durch Wasserkraft seit deren Anfängen in den 1880er-Jahren. Die Nutzung der Wasserkraft war zuvor stark gebunden an die Orte, an denen die Wasserräder und Turbinen liefen. Mit dem elektrischen Strom wurde sie leicht transportierbar und begann ihren Siegeszug durch den gesamten Bereich der elektrotechnischen Anwendungen bis hin zu unseren alles beherrschenden Computern.

Welchen bedeutenden Anteil an der Stromproduktion die »hydroélectricité« weltweit übernommen hat, zeigt Viollet anhand von sieben höchst instruktiven Tabellen und zahlreichen Karten. Man sieht, dass die Entwicklung ihren Ausgang nahm von zunächst kleineren Anlagen an den Niagarafällen Kanadas und der USA, bald gefolgt von der Produktion von Industriestrom in den französischen und schweizerischen Alpen. Der Nachdruck liegt auf diesen Gebieten, die deutsche Entwicklung ist kaum berücksichtigt. Umso wertvoller sind die genauen Angaben etwa zu den weit verzweigten Speicher- und Produktionsanlagen im Wallis (La Grande Dixence, S. 189). Tabelle 7 (S. 194) nennt die aktuell größten Stauwerke am Nil, am Indus, in Brasilien. Uns näher berührend sieht man die lange Kette von Kraftwerken am Hoch- und Oberrhein (S. 197). Einige schwere Unfälle und die ökologischen Auswirkungen der Sperren im Fluss, vor allem für die Fische, sind nicht vergessen; der Wasserbau hat auf diesem Gebiet viel hinzugelernt. Auch die Perspektiven für die Nutzung der Gezeitenkräfte wie etwa in der Mündung der Rance seit 1960 (geplant seit 1921) sind angesprochen. Bezogen auf den Anteil der Wasserkraft an der gesamten Stromproduktion in den 20 führenden Ländern steht mittlerweile Norwegen an der Spitze (98 %).

Die Geschichte der Nutzung von Wasserkraft beginnt jedoch in der Antike, möglicherweise mit einer ersten Wassermühle im gebirgigen Reich des Mithridates am Pontus. Sechs Kapitel führen von dort bis in die Gegenwart, alle sehr konkret ausgeführt anhand der wichtigsten Etappen und Realisationen. Ich deute nur an: Kapitel 2 schildert die in den letzten fünf Jahrzehnten entdeckten Funde von Wassermühlen im römischen Reich, darunter technisch höchst anspruchsvolle Anlagen mit geringem Wasserverbrauch in Nordafrika. Immer wieder greift der Autor weit über Europas Grenzen hinaus bis nach China, Japan oder später in die Neue Welt Amerikas. Für die arabische Epoche nutzt er die reichen Ergebnisse der französischen Forschung (englische und deutsche Fachliteratur ist insgesamt nur schwach vertreten). Hoch effizient waren insbesondere die sogenannten Fallschachtmühlen (moulins à tour de chute). Zur Verbreitung der Horizontalwasserräder erhalten wir eine Hypothese betreffend ihre Verbreitung im Süden Frankreichs. Generell nutzte der wasserärmere Mittelmeerraum die Horizontalturbinen, der regenreichere Norden bevorzugte die senkrechten Wasserräder.

Auch die mittelalterliche Periode, oft kaum berücksichtigt, erhält eine ausführliche Darstellung (Kap. 3). Die in dieser Zeit erfolgte Ausweitung der Anwendung von Wasserkraft auf immer weitere Gewerbe bleibt zwar nur angedeutet, gehört aber primär in den Bereich des Maschinenbaus. Wichtig sind hier die Hinweise auf die spanische Forschung, wobei den Rezensenten der Nachweis S. 69 einer arabischen Sägemühle 1149 in Lerida besonders gefreut hat, denn er stützt frühe Belege zu Sägemühlen aus Katalonien, die er in seiner »Anthologie« (Energieressourcen Westeuropas vor 1500, Bd. 1, Düren 2022, S. 207) genannt hat; der gängige Bezug auf 1235 (Villard de Honnecourt) tritt zurück.

Kapitel 4 schildert die Bemühungen um immer leistungsstärkere Maschinen zur Wasserhebung (Pumpen). Damit war zugleich der Weg zum weiteren Transport von Wasser in Leitungen und Aquädukten wieder aufgenommen. Schwerpunkte hier die großen Heberäder in Syrien am Orontes, am Duero vor Toledo, schließlich ganz groß an der Seine zur Versorgung des Schlosses von Versailles (machine de Marly).

Kapitel 5 verfolgt die Anwendung der Wasserkraft im industriell-gewerblichen Bereich vom 16. bis 19. Jahrhundert, wobei in einigen Regionen der Beginn beim Eisen schon im 13. Jahrhundert liegt. Viollet beginnt mit Orval 1530. Es folgt die Entwicklung im europäischen Bergbau (hier unter Einschluss der Entwicklung in Deutschland), danach der Bau immer größerer Mühlendämme, die ersten wassergetriebenen Textilmaschinen in Frankreich, England, USA. Mit der technologischen Revolution des 19. Jahrhunderts (Kapitel 6) erhalten wir Anschluss an die eingangs schon behandelte Gegenwart. Der Bau neuer mathematisch berechneter Wasserräder brachte noch einmal grundlegende Innovationen und beharrlichen Widerstand gegen die Dampfmaschine, was vorzüglich erklärt wird (Tabelle S. 157).

Zitationsempfehlung/Pour citer cet article:

Dietrich Lohrmann, Rezension von/compte rendu de: Pierre-Louis Viollet, Histoire de l’énergie hydraulique. Moulins, pompes, roues et turbines de l’Antiquité au XXe siècle, Paris (Presses de l’École nationale des ponts et chaussées) 2022, 236 p., ISBN 2-85978-414-4, EUR 44,00., in: Francia-Recensio 2023/1, Mittelalter – Moyen Âge (500–1500), DOI: https://doi.org/10.11588/frrec.2023.1.94552