Welchen Stellenwert hat Geld für die politische Ordnung des römisch-deutschen Reiches im Hochmittelalter, in der Zeit zwischen 1106–1298, welchen Preis haben Gnade, Gefolgschaft und Herrschaft im 12. und 13. Jahrhundert?
In seiner Habilitationsschrift stellt Andreas Büttner ausführlich die zugrundeliegenden Quellen vor. Im Hochmittelalter sind dies vor allem historiografische Quellen und Verträge, aber auch Rechnungen, Quittungen und Register. Die uneinheitlichen, bisweilen sogar sich widersprechenden Angaben zu ein und demselben Ereignis in der Geschichtsschreibung erfordern eine Prüfung des Einzelfalls.
Büttner stellt die Frage nach der Vergleichbarkeit von Geldbeträgen in unterschiedlichen metrologischen Systemen. Um diese herzustellen, rechnet er die unterschiedlichen Geld- und Gewichtssysteme in Kölner Mark um, die er, entgegen der vorherrschenden Forschungsmeinung mit 210 (statt gut 233) Gramm ansetzt. Sie entspricht 144 Kölner Pfennigen, der Leitmünze im zersplitterten Münzwesen der Stauferzeit, die sich an den englischen Sterlingen orientierte und bis in die 1270er‑Jahre wertstabil blieb. Die Quelleninterpretation von Büttner ist überzeugend und ein wichtiger Beitrag zur hochmittelalterlichen Numismatik.
Die Arbeit ist aber weit mehr als eine numismatische, sie nimmt nicht weniger als die hochmittelalterliche Geldgeschichte in den Blick. Geld nimmt im Betrachtungszeitraum eine immer wichtigere Rolle ein, etwa bei Konfliktbeilegung und der Verfolgung anderer politischer Ziele; eine besondere Finanzkraft ist Ausweis der Herrschaftsbefähigung. Büttner gliedert seine Betrachtungen in die drei Bereiche Gnade, Gefolgschaft und Herrschaft.
Preis der Gnade: Im 12. und 13. Jahrhundert nehmen die schon zuvor vereinzelt begegnenden Bußzahlungen drastisch zu. Büttner ermittelt Zahlungen für die Erlangung der königlichen Gnade in der Spanne von 141 bis 16 000 Mark (Mittelwert 3679 Mark, Median 2376 Mark). Die höchsten Zahlungen leisteten auswärtige Herrscher, gefolgt von den Städten und den Grafen und Fürsten. Wiedergutmachung und Schadensersatz an Fürsten fielen etwas niedriger aus. Die Einzelzahlungen sind im Anhang des Buches aufgelistet (in der Regel ohne Einzelnachweis, sie beziehen sich aber auf im Textteil belegte Quellen). Die Geldbuße erweiterte im Hochmittelalter den Katalog der Bestrafungen, sie vermied Blutvergießen und Verheerung und war so auch ein Zeichen der Milde des Herrschers. Die Höhe der Zahlung bemaß sich nicht nur an der Art und den Umständen des Vergehens, ebenso spielten Rang und Leistungskraft des Täters und der herrscherliche Wille eine Rolle.
Preis der Gefolgschaft: Bei der Belohnung für Unterstützung und Dienst, sowohl in der Vergangenheit als auch für zukünftige Unterstützung, treten neben die Belohnung durch Land, Lehen und Rechte im Betrachtungszeitraum vermehrt auch Geldzahlungen in Form von Zahlungsanweisungen oder Verpfändungen. Besonders in Zeiten des Thronstreits 1198–1218 und in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts. Begünstigt wurde dies durch große Geldzuflüsse von außen (England, Frankreich). Büttner weist nach, dass auch durch die Monetarisierung eine Verschiebung der Trägerschaft königlicher Herrschaft von den geistlichen Fürsten über weltliche Fürsten hin zu Herren und Grafen einherging.
Preis der Herrschaft: Die Lehnvergabe war oftmals mit Geldzahlungen verbunden, bei Reichslehen regelhaft dann, wenn der Lehnsmann ohne Sohn verstorben war, sofern der Herrscher das ledige Reichslehen nicht ans Reich ziehen wollte. In Einzelfällen wurde auch die Verleihung geistlicher Würden mit Geldzahlungen verbunden.
Büttners Arbeit besticht durch eine profunde Kenntnis der Quellen. Die Monetarisierung der politischen Ordnung ist allein auf Basis der Urkunden nicht nachvollziehbar. Neben Rechnungen und Quittungen sind es vor allem die erzählenden Quellen, die Büttner meisterhaft kritisch auswertet. Punktuell greift er vergleichend über den Betrachtungs(zeit)raum hinaus, wo es dem Verständnis dient. Was die Numismatik in den letzten Jahrzehnten, in denen die zahlreichen Siedlungs- und Streufunde Hinweise auf eine deutlich stärkere Monetarisierung im hochmittelalterlichen Alltag liefern, im Kleinen feststellt, weist Büttner im Großen nach, den »Wandel von einem früheren Zusammenspiel von Gabe und Gegengabe hin zu direkten finanziellen Belohnungen einer Leistung«, der zunehmenden »Rationalisierung der politischen Ordnung«.
Zitationsempfehlung/Pour citer cet article:
Christian Stoess, Rezension von/compte rendu de: Andreas Büttner, Geld – Gnade – Gefolgschaft. Die Monetarisierung der politischen Ordnung im 12. und 13. Jahrhundert, Göttingen (V&R) 2022, 610 S. (Forschungen zur Kaiser- und Papstgeschichte des Mittelalters, 47), ISBN 978-3-412-52511-8, EUR 85,00., in: Francia-Recensio 2023/2, Mittelalter – Moyen Âge (500–1500), DOI: https://doi.org/10.11588/frrec.2023.2.96746