Von jeher haben sich die Menschen mit dem Tod beschäftigt, hat das Ableben zum Leben dazugehört. Die Auseinandersetzung mit dem Ende des irdischen Daseins hat über die Jahrtausende eine Fülle von Schriftzeugnissen hervorgebracht, die nach wie vor unerschöpfliches Material für neue Forschungsansätze bieten. Einen solchen Ansatz hat Matthias Weber für seine Dissertation gewählt, indem er sich der bislang noch nicht untersuchten »literarischen Konstitution und Funktion des Bischofstodes und dessen vorstellungsgeschichtlichen Aspekten« (S. 20) im Früh- und Hochmittelalter widmet. Die Relevanz der Frage, wie die Tode bedeutender Persönlichkeiten narrativ in der zeitgenössischen Geschichtsschreibung umgesetzt worden sind, hat auch Manuel Kamenzin in seiner Studie zum Sterben römisch-deutscher Herrscher zwischen 1150 und der Mitte des 14. Jahrhunderts aufgezeigt1. Matthias Weber greift nun frühere Werke der Geschichtsschreibung auf und nimmt mit den Vertretern des früh- und hochmittelalterlichen Episkopats im fränkischen Reich und in den nachfolgenden Herrschaftsgebieten hochrangige Geistliche in den Fokus, die nicht nur die Geschicke ihres Bistums bestimmten, sondern auch Einfluss auf die kirchliche wie weltliche Politik nehmen konnten und entsprechend häufig Erwähnung in historio- und hagiografischen Texten gefunden haben. Ziel der Studie ist es, den sich zeitlich verändernden Vorstellungen vom bischöflichen Tod nachzugehen sowie zu untersuchen, welche Todesschilderungen welchen Bischöfen zugeschrieben wurden und ob darin das Konzept eines guten oder schlechten Todes erkennbar ist (S. 22).
Das schlüssig aufgebaute Werk nähert sich seinem Untersuchungsgegenstand über mehrere einführende Kapitel, die u. a. den Forschungsstand sowie die Methodik beleuchten und einen Überblick über antike und frühchristliche Todesvorstellungen geben. Daran knüpfen die Kapitel 6 bis 9 an, die chronologisch einzelne Abschnitte des Untersuchungszeitraums und ihre besonders aussagekräftigen Quellen analysieren. Einleitende Unterkapitel bieten zu jeder Zeitschiene einen Einblick in die damaligen Eigenarten des Bischofsamtes, wozu sich ab Kapitel 7 Ausführungen über die Todesvorstellungen der entsprechenden Zeit gesellen.
Beides zusammen bildet eine fundierte Ausgangsposition für die jeweils nachfolgende Quellenanalyse, die sich im Fall von Kapitel 6 (»Sterbeberichte von Bischöfen im frühen Mittelalter: ein erster Höhepunkt«, S. 131) maßgeblich um die »Decem libri historiarum« Gregors von Tours dreht, in denen bischöfliche Todesfälle umfassend behandelt, die Geistlichen aber nicht mit Zuschreibungen eines schlechten Todes bedacht werden. Die weiteren in diesem Abschnitt thematisierten Werke (u. a. die Chronik des sog. Fredegar und der »Liber historiae Francorum«) enthalten dagegen kaum Passagen, in denen Bischöfe oder ihre Tode inhaltlich im Zentrum stehen. Dies weist voraus in Richtung des siebten Kapitels, das den Zeitraum vom 8. bis zum 10. Jahrhundert in den Mittelpunkt stellt und mit dem Titel »Der verschwundene Bischofstod« (S. 237) auf die Besonderheit jener Zeit aufmerksam macht: Episkopale Todesfälle wie auch das bischöfliche Wirken generell fanden bis ins 9. Jahrhundert hinein eher wenig Niederschlag in der Überlieferung, was sich erst mit einem anschließenden Perspektivenwechsel änderte, der die politisch an Einfluss gewinnenden Geistlichen wieder deutlicher ins Zentrum historiografischer Textproduktion rückte und teils auch für ihr Totengedenken sorgte. Das folgende achte Kapitel »Der wiederentdeckte Bischofstod in der Geschichtsschreibung« (S. 313) nimmt sich dieser Entwicklung an; jedoch handelte es sich um keinen allumfassenden Wiederentdeckungsvorgang, da bei weitem nicht alle in ottonischer Zeit chronikalisch tätigen Personen, darunter etwa Liudprand von Cremona, dem bischöflichen Sterben eine hohe Bedeutung zumaßen (S. 328). Maßgeblich sind es die Quedlinburger Annalen und die Chronik Thietmars von Merseburg, die Schilderungen zu den Geistlichen und deren Lebensende enthalten, wobei das erstgenannte Werk vorrangig kurze Hinweise zu Todesfällen gibt, Thietmar aber seine Amtskollegen raumgreifender behandelt und ihr Ableben mit positiven Zuschreibungen bedenkt (zusammenfassend S. 396f.).
Das 11. und beginnende 12. Jahrhundert und damit auch die Jahrzehnte vor und während des Investiturstreits mit ihrem Einfluss auf die Historiografie stehen im Zentrum von Kapitel 9, das angesichts der Vielzahl exemplarisch behandelter Quellen der umfangreichste Abschnitt der Studie ist. Für die Zeit vor den tiefgreifenden Auseinandersetzungen zwischen Papst und Reichsoberhaupt werden die Chronik Hermanns des Lahmen, die Annalen von Niederaltaich, die Hamburgische Kirchengeschichte Adams von Bremen sowie die Annalen Lamperts von Hersfeld betrachtet. Zu den anschließenden Jahrzehnten werden die chronikalischen Werke Bertholds von Reichenau sowie Bernolds von Konstanz eingehend auf Beispiele für gute und schlechte bischöfliche Todesschilderungen analysiert, ehe die Reihe mit den Fortsetzungen der Chronik Frutolfs von Michelsberg und einigen ergänzenden Zeugnissen beschlossen wird. Hierbei zeigt sich, dass bischöfliche Sterbeberichte im 11. und 12. Jahrhundert sehr unterschiedlich ausfallen konnten, die Spanne reicht von knappen, neutralen oder auch nur gesammelten Erwähnungen (Anfang des Zeitraums) über ausführliche, politisch instrumentalisierte Berichte zum guten oder schlechten Tod (ab Lampert von Hersfeld, Ende am Beginn des 12. Jahrhunderts) bis hin zu einem anschließenden Rückgang von Nachrichten über Bischofstode. Matthias Weber bezeichnet den Investiturstreit als die Zeit, in der »der bischöfliche Tod […] seine intensivste, kreativste und weitreichendste Darstellung erfahren« habe (S. 529), und konstatiert, dass das chronikalische Interesse am episkopalen Sterben nachfolgend deutlich zurückgegangen sei.
Die Resultate der gut lesbaren, detailreichen und aussagekräftigen Studie werden in einem abschließenden viergeteilten Kapitel nochmals schlüssig gebündelt, was die Zwischenergebnisse der einzelnen Abschnitte gut nachvollziehbar zusammenführt. Hierbei wird einmal mehr deutlich, dass Matthias Weber einen sehr wichtigen, neuen Beitrag sowohl zur Geschichte der früh- und hochmittelalterlichen Historiografie als auch des Bischofsamtes und der Vorstellungen vom Tod leistet. Die mit einem umfassenden Register (Bibelstellen, Personen, Orte) erschlossene Arbeit ist nicht nur in ihrer Gesamtheit äußerst lesenswert, sondern kann auch separat gewinnbringend zu den jeweils behandelten Quellen herangezogen werden.
Zitationsempfehlung/Pour citer cet article:
Frederieke Maria Schnack, Rezension von/compte rendu de: Matthias Weber, Der Bischof stirbt. Zu Form, Funktion und Vorstellung bischöflicher Sterbeberichte (6.–12. Jahrhundert), Göttingen (V&R) 2022, 663 S. (Orbis mediaevalis, 20), ISBN 978-3-8471-1491-8, EUR 85,00., in: Francia-Recensio 2023/2, Mittelalter – Moyen Âge (500–1500), DOI: https://doi.org/10.11588/frrec.2023.2.96772