Darstellungen der Geschichte Europas zwischen dem Westfälischen Frieden und dem Wiener Kongress gibt es in dieser oder jener Form relativ viele. Es ist daher nicht einfach, für ein weiteres Werk eigene Akzente zu setzen. Allerdings handelt es sich bei Blannings »Glanz und Größe« auch um keine Neuerscheinung im eigentlichen Sinne, denn das englische Original erschien schon 2007 unter dem Titel »The Pursuit of Glory«. Was Blannings Werk von anderen Überblicksdarstellungen unterscheidet, ist nicht zuletzt, dass es eminent gut lesbar ist. Blanning schreibt sehr anschaulich und bietet ein farbiges Panorama für ein breiteres Publikum mit vielen faszinierenden Details. Der Schwerpunkt liegt dabei auf dem Ancien Régime; die Zeit nach 1789 wird in etlichen Kapiteln eher kursorisch behandelt. Dass dabei Forschungsdebatten im engeren Sinne des Wortes nur eine untergeordnete Rolle spielen, ist nachvollziehbar, auch wenn man es gelegentlich bedauern mag. Zu den wenigen rivalisierenden Studien, mit denen sich Blanning explizit auseinandersetzt, gehört die Deutung der Aufklärung durch Jonathan Israel als im Kern homogener geistiger Befreiungsbewegung, die Blanning mit guten Argumenten als zu holzschnittartig zurückweist.

Seine eigene Darstellung ist in vier große Abschnitte gegliedert: »Leben und Sterben«, »Macht«, »Religion und Kultur,« und »Krieg und Frieden«, wobei für das englische »power« im Deutschen die Übersetzung »Herrschaft«, oder allenfalls »Machtstrukturen« vielleicht vorzuziehen gewesen wäre. Besonders gelungen sind die Unterkapitel über die kulturellen und intellektuellen Entwicklungen der Epoche; weder die Musik, in deren Welt sich Blanning gut auskennt, noch die Naturwissenschaft oder die Philosophie der Aufklärung kommen hier zu kurz. Auch wird man keineswegs in allen vergleichbaren Darstellungen kompetente längere Ausführungen über »Schlösser und Gärten« finden. Blanning weist hier übrigens die Idee eines hegemonialen französischen Einflusses auf die höfische Architektur in Europa zurück und betont die nationalen Sonderentwicklungen, und nicht zuletzt auch den Erfolg der Habsburger bei dem Versuch, der Selbstdarstellung der Bourbonen ein anderes Modell monarchischer Repräsentation entgegenzustellen.

Ihre Lebendigkeit verdankt Blannings Darstellung sicher auch dem Mut ihres Autors klare Werturteile abzugeben, sowohl über Personen wie auch über ganze Nationen und ihre Kultur, basierend auf einem wissenschaftlichen Habitus, der bei jüngeren Frühneuzeit-Historikern, wenn es nicht gerade um die Anklage gegen westlichen Kolonialismus geht, eher selten geworden ist. Dass etwa die politische Kultur Russlands strukturell durch die Despotie der Herrscher und Herrscherinnen ebenso wie durch die Unterwürfigkeit ihrer Untertanen geprägt war, ist für Blanning ein unbestreitbares Faktum. Vor kurzem hätte man solche Urteile vielleicht noch als eine Sonderform des Orientalismus scharf kritisiert, heute hingegen dürfte Blanning damit angesichts des Krieges im Osten Europas ganz im Trend liegen.

Problematischer ist es schon, wenn etwa für Spanien die Annahme eines unaufhaltsamen Niedergangs wiederbelebt wird, der im frühen 17. Jahrhundert begann und auch im 18. bestenfalls zeitweilig abgebremst, aber nie revidiert werden konnte. Das sieht ein großer Teil der jüngeren Forschung doch etwas anders, auch wenn Spanien schon ab 1659 aus dem Kreis der bestimmenden europäischen Großmächte ausgeschieden war. Aber sein riesiges Kolonialreich konnte es trotzdem anders als die britische Krone in Nordamerika bis in die Napoleonische Zeit hinein verteidigen. Sehr viel besser schneiden bei Blanning Deutschland respektive das Heilige Römische Reich ab. Hier rezipiert er die historischen Revisionen der letzten rund 40–50 Jahre, die die Bedeutung des Reiches als Friedens- und Rechtssystem betont haben, auch wenn er nicht den Fehler macht, das Reich als eine Art föderalen Staat zu sehen. Allerdings ist die Behauptung, die Institutionen des Reiches hätten um 1790 besser funktioniert denn je zuvor, doch ein wenig kühn (S. 376). Auch an anderen Stellen wird der eine oder andere Leser vielleicht mehr und anderes von einer solchen Darstellung erwarten. Das Erwachen eines auf die Nation ausgerichteten Patriotismus wird zwar thematisiert (S. 403–424), aber vor allem mit dem Hinweis auf die Virulenz nationaler Feindbilder illustriert. Die Frage, warum Monarchen es immer mehr als Notwendigkeit empfanden, an den Patriotismus einfacher Soldaten, aber auch ihrer Untertanen überhaupt zu appellieren, und warum aus dem ursprünglich eher republikanischen Ideal des Patriotismus ein allgemein verbindliches Leitbild – und das schon deutlich vor 1789 – wurde, bleibt weitgehend unerörtert. Ganz in seinem Element ist Blanning hingegen in dem großen Abschnitt, der der Außenpolitik und den zahlreichen Kriegen der Epoche gewidmet ist; hier kann er auch seine Vertrautheit mit Friedrich d. Großem, der als Feldherr auf diesen Seiten einen großen Auftritt hat, erfolgreich zur Geltung bringen. Dass Friedrich, so zynisch er auch in vielem war, bei Blanning besser wegkommt als bei vielen anderen Historikern der jüngeren Zeit, ist auffällig.

Eine so umfangreiche Darstellung ist selten ganz frei von einzelnen sachlichen Fehlern. Aufgefallen sind dem Rezensenten bei der Lektüre nur zwei solcher Fälle. Das Kölner Domkapitel wurde im Ancien Régime nicht wie Blanning meint, von Reichsrittern dominiert, sondern von hochadligen Domgrafen (S. 481) und die Landräte waren im Herzogtum Preußen vor 1700 primär Vertreter der Stände. Die Kreiskommissare, die in der Kurmark eine ähnliche Funktion wahrnahmen wie die Landräte in der Kurmark, erhielten den entsprechenden Titel erst 1702 (S. 307). Das sind aber vergleichsweise Bagatellen. Ansonsten überzeugt die Darstellung von Blanning durch ihren Facettenreichtum – Phänomene wie Migration und Sexualität finden ebenso Berücksichtigung wie das Leben in den barocken Klöstern Europas oder der Niedergang des Papsttums – gleichermaßen wie durch die stupende Gelehrsamkeit des Autors. Es ist keine einfache Aufgabe, mit dem Blick auf sehr unterschiedliche Nationalgeschichten für einen so großen Zeitraum zu einer darstellerischen Synthese zu gelangen, die in sich kohärent ist, aber das ist Blanning ohne Zweifel gelungen und das ist eine beeindruckende Leistung. Man muss hoffen, dass das Buch auch im deutschen Sprachraum eine große Leserschaft findet.

Zitationsempfehlung/Pour citer cet article:

Ronald G. Asch, Rezension von/compte rendu de: Tim Blanning, Glanz und Größe. Der Aufbruch Europas 1648–1815, München (DVA) 2022, 928 S., ISBN 978-3-421-04860-8, EUR 49,00., in: Francia-Recensio 2023/2, Frühe Neuzeit – Revolution – Empire (1500–1815), DOI: https://doi.org/10.11588/frrec.2023.2.96840