Die auf einer Dissertation beruhende Monografie untersucht die Verschränkung von Mönchtum und Naturforschung in Süddeutschland in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts und fragt, wie »monastische Naturforscher in ihren verschiedenen Rollen die Anforderungen aus der Kloster- und der Gelehrtenwelt miteinander kombinierten und […] modifizierten« (S. 11). Die kontextgebundene Naturforschung – hier anhand des klösterlichen Lebens – wird untersucht, indem die Akteure im Zusammenhang mit der klösterlichen Lebensweise betrachtet werden. Es geht um das Ernstnehmen der Naturforschung innerhalb der alles prägenden Lebensumstände der Mönche. Die Einleitung führt stringent zur Fragestellung und in die grundlegenden Begriffe (z. B. Naturforschung, Gelehrtenrepublik, Physikotheologie) ein, grenzt den Untersuchungsraum und -zeitraum sinnvoll ein, stellt den Forschungsstand und die Quellenlage vor und erklärt die Herangehensweise mittels des soziologischen Rollenbegriffs sowie die Gliederung, nach der anhand unterschiedlicher Fallbeispiele (Meteorologie, Astronomie und Physik) verschiedene Aspekte der monastischen Gelehrsamkeit aufgezeigt werden.

Im ersten Kapitel wird die Verwobenheit von »kollektivem Empirismus« (S. 40), also das über Raum und Zeit ausgedehnte Datensammeln diverser Akteure, mit den Strukturen des klösterlichen Lebens und Arbeitens herausgearbeitet. Dazu wird in einem ersten Schritt die Beteiligung von Klostergelehrten an der Akademiebewegung beleuchtet. Auf eine kurze Skizze der klerikalen Sozietätsbestrebungen in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts zur Bearbeitung historischer Großprojekte geht Bloemer auf Eusebius Amort und dessen Akademie- (»Academia Carola-Albertina«) und Zeitschriftenprojekt (»Parnassus Boicus«) ein und legt dar, dass sich nur wenige Ordensgelehrte beharrlich für die Etablierung von gelehrten Gesellschaften einsetzten. Nur der weltlichen Kurbayerischen Akademie der Wissenschaften in München (gegründet 1759) gelang es, sich dauerhaft zu institutionalisieren; ein Zusammenhang mit klösterlichen Gegebenheiten wird hier nicht deutlich. Dies ist beim zweiten Beispiel ganz anders: Anhand des kollaborativen Großprojekts eines meteorologischen Messnetzes wird klar, wie sehr monastische Lebensform mit wissenschaftlichem Arbeiten Hand in Hand ging. Die Zeiteinteilung im Kloster, der Rhythmus und die Disziplin des klösterlichen Lebens wiesen große Schnittmengen mit der Regelmäßigkeit eines genauen und zuverlässigen meteorologischen Datensammelns auf. Nachdem die Defizite früher gemeinschaftlicher meteorologischer Beobachtungspraxis des 17. und 18. Jahrhunderts thematisiert wurden, untersucht Bloemer die Pläne und Umsetzungen von institutioneller Datensammlung an der Bayerischen Akademie in München und an der Societas Meteorologica Palatina in Mannheim.

Während das Mannheimer Beobachternetz auf Grundlage einheitlicher Anleitungen, standardisierter Instrumente und vorgefertigter Tabellen vor allem Akademien anschrieb, um unter deren Mitglieder Datensammler zu rekrutieren, baute die Münchner Akademie, die zwar genaue Instruktionen, aber keine Instrumente zur Verfügung stellte, hauptsächlich auf Klöster als Messstation. Die Akademie betonte, dass Ordensleute die nötigen wirtschaftlichen Freiräume besäßen und die Klöster die räumliche und personelle Konstanz gewährleisteten, sodass lückenlose Datenreihen zustande kamen, an denen mehr als eine Person mitwirkte. Das ortsfeste Kloster lieferte als Gemeinschaft neben witterungskundlichen Beobachtungen zahlreiche Informationen zur Vegetation, Krankheiten u. ä. Mit dem Fürstenfelder Klosterbruder Gerard Führer wird nicht nur ein Datensammler, sondern auch ein Forscher präsentiert. Führer, der mehr als 30 Jahre lang das Wetter beobachtete, verfasste Schriften und Diagramme zum Thema und bewegte sich so im Rahmen des wissenschaftlichen Diskurses. Den wissenschaftlichen Anforderungen wurden die Klöster gerecht, indem sie ihren Tagesablauf an das neue Selbstverständnis des Klosters als »ein Ort von Bildung, Wissenschaft und Frömmigkeit« (S. 114) anpassten.

Im zweiten Kapitel konzentriert sich Bloemer auf das Augustiner-Chorherrenstift Polling, das sich als einziges bayerisches Kloster an der Beobachtung des Venustransits von 1761 beteiligte. Einleuchtend gegliedert und gut kontextualisiert wird zuerst die Bedeutung des Venustransits erklärt, dann das Konvent Polling, die beteiligten Personen und Beobachtungs- und Messinstrumente vorgestellt. Prosper Goldhofer, der den Venustransit in Polling vermaß, gelang es nicht, seine Daten und Beobachtungen anderen Gelehrten zur Kenntnis zu bringen bzw. zu veröffentlichen. Die aus Polling an die Münchner Akademie der Wissenschaften weitergegebenen Daten – nicht nur die eigenen – wurden dort weder verarbeitet noch kommuniziert. Ausgehend von Goldhofers Beobachtungen des Venustransits untersucht Bloemer damit zusammenhängende Fragen nach Entstehung, Zielsetzung und Umfang von monastischen Instrumentensammlungen und von Sternwarten. Demnach sammelten auch Klöster – je nach persönlichem Engagement – Scientifica und errichteten dafür entsprechende Räumlichkeiten, die der Beobachtung, dem Unterricht und der Repräsentanz dienten. Wofür die wissenschaftlichen Instrumente der klösterlichen Sammlungen genutzt wurden, wird im darauffolgenden Kapitel erläutert. Die Untersuchung der Korrespondenz von Konventualen zeigt, dass Klostergelehrte vor allem in klösterliche Netzwerke eingebunden waren.

Das nächste Kapitel fragt nach dem Publikum monastischer Naturforschung und beschäftigt sich hauptsächlich mit den wissenschaftlichen Sammlungen in Klöstern. Als erstes wird auf das »Gewitter schießen« bzw. »Gewitter läuten« eingegangen. Bis weit in das 18. Jahrhundert war es üblich, bei aufziehenden Gewittern Kirchenglocken zu läuten oder mit Kanonen zu schießen, um die Gewitterwolken zu vertreiben. In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts wurden diese Praktiken – auch unter dem Einfluss der Elektrizitätsforschung und des Aufkommens des Blitzableiters – in Frage gestellt. Mönche, wie die Regensburger Benediktiner Arbuthnot und Placidus Heinrich, und die Bayerische Akademie der Wissenschaften beteiligten sich mit Abhandlungen, Preisfragen und Expertisen an diesen Diskussionen. Als zweites werden die verschiedenen Vermittlungsformen für die öffentlichkeitswirksame Elektrizitätslehre vorgestellt. Mit Schriften wirkten Klostergelehrte vor allem innerhalb ihres Konvents und in geringem Maße in der Akademie; populärwissenschaftliche Werke gab es selten. Öffentliche Vorführungen, die von Mönchen bzw. in Klöstern durchgeführt wurden, hatten Religiose und Laien als Publikum. Mit Demonstrationen mittels Elektrisiermaschine, Donnerhäuschen u. ä. oder mit der Errichtung von Blitzableitern auf vielen Klöstern sorgten Mönche für die Verbreitung von Erkenntnissen aus der Naturforschung innerhalb und außerhalb der Klostermauern.

Zusammenfassend unterstreicht die Autorin im letzten Kapitel, wie stark monastische Strukturen Naturforschung ermöglichten und prägten und wie bedeutsam klösterliche Naturforschung für die Gelehrtenrepublik war: Klöster waren ein wichtiger Baustein der süddeutschen Wissenslandschaft des 18. Jahrhunderts und wirkten vor allem innerhalb der klösterlichen Sphäre. Die Berücksichtigung der soziokulturellen Strukturen der Akteure ist somit entscheidend für das Verständnis von Forschungstätigkeit und deren Wirkungsraum.

Zitationsempfehlung/Pour citer cet article:

Susan Splinter, Rezension von/compte rendu de: Julia Bloemer, Empirie im Mönchsgewand. Naturforschung in süddeutschen Klöstern des 18. Jahrhunderts, Göttingen (V&R) 2022, 276 S., 9 s/w, 14 farb. Abb. (Religiöse Kulturen im Europa der Neuzeit, 22), ISBN 978-3-525-31142-4, EUR 65,00., in: Francia-Recensio 2023/2, Frühe Neuzeit – Revolution – Empire (1500–1815), DOI: https://doi.org/10.11588/frrec.2023.2.96842