Stefan Droste analysiert in seinem Buch über Militärtechnik im langen 18. Jahrhundert (hier: 1650–1800) die prekäre Stellung von Projektemachern und ihre Bemühungen um auskömmliche Anstellung. Für das Ende seiner Untersuchungsepoche konstatiert er, dass sie sich erfolgreich in »die Rolle eines abhängigen Erfinders im Dienst des entstehenden Staates« (S. 383) einfügten. Im Sommer 2023 trifft der implizite aktuelle Bezug zu überwiegend projektförmigen Beschäftigungsverhältnissen in der Wissenschaft (#IchBinHanna) einen Nerv. Jenseits davon gelingt es dem Autor aber vor allem, mit Hilfe der Akteur-Netzwerk-Theorie (ANT) eine neue Perspektive auf die Verbindung von Wissens- und Militärgeschichte zu eröffnen.

Die im Rahmen des DFG-Graduiertenkollegs 1507 »Expertenkulturen des 12. bis 18. Jahrhunderts« entstandene Göttinger Dissertation behandelt die soziale Figur des Projektemachers, wie sie im späten 17. Jahrhundert von Daniel Defoe, Johann Joachim Becher und Gottfried Wilhelm Leibniz prominent beschrieben wurde. Sie erschien mit ihren zwischen Handwerk und Gelehrsamkeit angesiedelten Innovationsideen als zwielichtiger Gegenpart zum sozial akzeptierten Experten. Die Bezeichnung selbst implizierte das Scheitern und unterschied den Projektemacher vom angesehenen Ratgeber. Doch Defoe, Becher und Leibniz, die selbst immer wieder mit unterschiedlichsten Projekten aufwarteten, versuchten, die Figur positiv umzudeuten. Die aktuelle, akteurszentrierte Wissensgeschichte eignet sich diese Umdeutung an und versteht Projektemacher als Protagonisten eines dynamischen Innovationsstrebens jenseits der klassischen Gelehrtenwelt im 17. und 18. Jahrhundert1. Droste macht diesen Ansatz für die (neue) Militärgeschichte fruchtbar.

Die Arbeit folgt den Spuren von Ingenieuren, Artilleristen und Erfindern, die mit ihren Projekten zur Verbesserung der Kriegstechnik an europäische Höfe herantraten. Mit Archivmaterialien aus dem Alten Reich (v. a. Brandenburg-Preußen, Österreich und Sachsen, zu Einzelprojekten auch Niedersachsen und Hessen) sowie aus England und den Vereinigten Niederlanden zeigt Droste, wie die Stellung von Erfinder und Erfindung sozial ausgehandelt wurde. Dabei verweist das Wortspiel »offensive engines« einerseits auf den Einsatz der entworfenen Geräte in der taktischen Offensive zur Überwindung einer wahrgenommenen Unterlegenheit. Andererseits erschienen die Kriegsmaschinen auch »anstößig«, da sie im militärtechnischen oder sozialen Sinne inakzeptable Sprengkraft bargen. In dieser irritierenden Doppeldeutigkeit hatten sie entscheidenden Anteil an der »Verwissenschaftlichung des Krieges« (S. 152), die eine Brücke zwischen handwerklichen Nützlichkeitserwägungen und theoretischer Gelehrsamkeit schlug.

Die aus den Science and Technology Studies (STS) stammende ANT widmet sich dem Zusammenspiel von Menschen und Objekten (Nichtmenschen), die gemeinsam Netzwerke bilden und darin Handlungsmacht entfalten2. Im umfangreichen zweiten Kapitel behandelt Droste zunächst die menschlichen Akteure dieser Strukturen. Anhand fünf ausgewählter militärischer Protagonisten exemplifiziert er, in chronologischer Folge, je eine charakteristische Praxis des Projektemachens: das »Erproben« mit William Pettys Katamaran-Projekt, »Protegieren« (oder eher: Protektion suchen) mit John Perrys Plänen für ein Trockendock, »Beobachten« mit Nikolaus Heiliger (der die Ausspähung seiner Schiffsgeschütze fürchtete), das »Herstellen« von Brandmunition durch Christian von Bonhorst und das »Planen« militärischer Hilfsmittel wie Pontonbrücken bei Johann Gerum.

Das folgende Kapitel skizziert den historischen Kontext. Während die Historiografie den wissenschaftlichen und militärischen Entwicklungen der Epoche Revolutionscharakter zugeschrieben hat, weist Droste darauf hin, dass Zeitgenossen in der Kriegführung eher eine Stagnation diagnostizierten. Die militärtechnischen Projekte versprachen eine Überwindung des Patts und erregten so das Interesse der Mächtigen.

Kapitel 4 öffnet die »Black Box« (S. 261) des Kriegsgeräts, dem Droste mit John Law multiple Bedeutungen in »fraktionaler Kohärenz« (S. 292) zuschreibt. Die Erfindungen gingen für den taktischen Einsatz eine Verbindung mit den menschlichen Körpern der Armee ein. Ihre schwer kontrollierbare Komplexität und die stets präsente Gefahr von Zerfall oder Explosion destabilisierten dabei die Position der Projektemacher. Doch versprachen die Maschinen als »Kontaktmedium« (S. 266) für die Kommunikation mit einem Gönner in der höfischen Gesellschaft sogar bei ausbleibendem militärischen Nutzen Erfolg. Der »Steinhuder Hecht«, ein Unterwasserfahrzeug in Fischform, illustriert dies ebenso wie elaboriertes Dekor auf Artilleriestücken.

Das Streben der Projektemacher nach einer Expertenrolle zeigt Kapitel 5: Statt ihre Erfindungen handwerklich herzustellen, wollten sie Produktionsprozesse in gesicherten Staatsdiensten beaufsichtigen. Dafür mussten sie ihr Projekt in der »Ökonomie des Geheimen« (S. 300) günstig platzieren, es propagandistisch zeigen und zugleich entscheidende Details verbergen, ohne unaufrichtig zu wirken. Die Projektemacher buhlten um Patronage in einer »Ökonomie der Gunst« (S. 317), in der Fürstenmacht über ihre »prekäre Identität« (S. 344) entschied. Nahmen einflussreiche höfische Akteure das Angebot eines Projektemachers an, wurde es zu Herrschaftswissen.

Die von Droste unterstellten ökonomischen Logiken helfen dabei, Akteurshandeln zu erklären und die immer wieder behauptete mangelnde Rationalität ästhetischer oder utopischer Projekte als Vorurteil zu entlarven. Allerdings werden so Aspekte marginalisiert, die die Handelnden selbst durchaus hervorhoben. Waren z. B. der immer wieder betonte patriotische Impetus oder die Loyalität innerhalb des schon bestehenden Staatsdienstes nur Feigenblätter für ökonomischen Eigennutz? Gerade die neuere Wissensgeschichte, die ihre Akteure ernst nehmen möchte, lädt hier zum Weiterdenken ein.

Eine knappe Zusammenfassung zentraler Charakteristika der hybriden Projektemacher-Figur rundet die Arbeit ab. Am Ende steht ein Ausblick ins Luftkriegszeitalter, das im 1794 bei Fleurus eingesetzten Beobachtungsballon erstmals präsent war.

Insgesamt verbindet der Band überzeugend historisches Quellenmaterial und aktuelle Theorieangebote und bietet mit 36 hochwertigen, teils farbigen, Abbildungen auch ein ästhetisches Vergnügen. Mit hilfreichen Personen- und Sachregistern ausgestattet, schafft Drostes Arbeit einen wichtigen Referenzpunkt für Anschlussprojekte in Kultur-, Wissens- und Militärgeschichte. Im aktuellen wissenschaftspolitischen Kontext wirft das Buch damit auch die Frage auf, ob es hier statt der Aneinanderreihung prekärer Projektformen auch Hoffnung auf institutionalisierte Expertise in fester Anstellung gibt. Die Wissensgeschichte der Frühen Neuzeit erweist sich so in mehrerlei Hinsicht als höchst relevant.

1 Vgl. neben den von Droste herangezogenen Arbeiten z. B. auch Maximillian E. Novak (Hg.), The Age of Projects, Toronto 2008.
2 Vgl. dazu grundlegend Bruno Latour, Reassembling the Social. An Introduction to Actor-Network-Theory, Oxford 2005.

Zitationsempfehlung/Pour citer cet article:

Anke Fischer-Kattner, Rezension von/compte rendu de: Stefan Droste, Offensive Engines. Projektemacher und Militärtechnik im langen 18. Jahrhundert, Stuttgart (Franz Steiner Verlag) 2022, 452 S. (Wissenschaftskulturen. Reihe I: Wissenschaftsgeschichte, 3), ISBN 978-3-515-13242-8, EUR 72,00., in: Francia-Recensio 2023/2, Frühe Neuzeit – Revolution – Empire (1500–1815), DOI: https://doi.org/10.11588/frrec.2023.2.96887