Die von Adrien Carbonnet vorgelegte Monografie präsentiert Ergebnisse seiner 2020 an der Sorbonne ("Sorbonne Université") abgeschlossenen Dissertation. Sie beschäftigt sich mit etwa fünfzig städtischen Revolten und Aufstandsprojekten während der Regierungszeit Ludwigs XI. (1461–1483). Davon betrafen ungefähr zwanzig bonnes villes im Herrschaftsgebiet des Königs und ca. dreißig neu eroberte bzw. annektierte Städte in Grenzgebieten (S. 32). Die Arbeit wird durch ein Vorwort von Élisabeth Crouzet-Pavan eingeleitet, das die Studie in die bisherige Historiografie einordnet. Von Einleitung und Gesamtzusammenfassung umrahmt, gliedert sich die Darstellung in drei große Abschnitte, die jeweils aus mehreren Unterkapiteln mit eigenen (Zwischen-)bilanzen bestehen. Diese drei Abschnitte folgen chronologisch weitgehend dem Ablauf einer Revolte: 1. »Vom Handeln zum Diskurs/von der Revolte zur Rebellion«; 2. »Vom Diskurs zum Handeln/Von der Untersuchung zur Bestrafung«; 3. »Suche nach Vergebung und Rückkehr zur Ordnung/Die Wiederherstellung einer Gehorsamsbeziehung (lien d’obéissance)?«. Die Anhänge enthalten neben dem üblichen bibliografischen Apparat und Registern auch zwei Tabellen zu städtischen Revolten unter Ludwig XI., die, wie die gesamte Darstellung, zwischen bonnes villes und villes conquises differenzieren (S. 585–587).

In den letzten Jahrzehnten erschienen mehrfach Tagungsbände zum Thema vormoderner städtischer Revolten in Europa und ihrer Bestrafung (z. B. »Rivolte urbane e rivolte contadine nell’Europa del Trecento« [2008]; »Le châtiment des villes dans les espaces méditerranéens« [2012]; »The Routledge Handbook of Medieval Revolt« [2017]). Die Studie schließt dennoch eine Forschungslücke: Abgesehen von Untersuchungen zu einzelnen Städten oder dem Vergleich einiger weniger Ereignisse waren nach dem Abklingen der Auseinandersetzungen um révolutions populaires (Michel Mollat, Philippe Wolff) und soulèvements populaires (Guy Fourquin) und zwischen marxistischen und nicht-marxistischen Betrachtungsweisen, städtische Revolten unter Ludwig XI. seit Langem nicht mehr Gegenstand einer Gesamtbetrachtung.

In seiner Einleitung setzt sich der Autor mit der bisherigen Historiografie auseinander. Er zitiert häufig neuere Forschungen zu städtischen Aufständen in den burgundischen Niederlanden und ihrer Terminologie, die aufgrund der Burgunderkriege, besonders für Flandern, Artois, Herzogtum und Freigrafschaft Burgund, fließende Übergänge zum französischen Königreich aufwiesen. Wie an einem thesenartig zu Beginn des ersten Teils formulierten Untertitel »Un accord loin d’être parfait« (S. 47) deutlich wird, stellt er eine der klassischen Aussagen der französischen Forschung zum accord parfait zwischen Städten und Königtum zumindest teilweise in Frage. Dieser Eindruck sei auch durch eine von den Quellen beider Seiten geschaffene Fiktion entstanden. Sowohl der König als auch die bestraften Städte, zumindest innerhalb der Krondomäne (aber nicht notwendigerweise in neu eroberten/annektierten Gebieten), hätten nach dem Ende der Repression oft ein Interesse daran gehabt, die Ereignisse in Vergessenheit geraten zu lassen und ein Bild unverbrüchlicher dauerhafter Königstreue zu entwerfen. Königliche lettres d’abolition, die das Vergessen anordneten, trugen ebenfalls dazu bei. Für Carbonnet gibt bereits die schiere Zahl von städtischen Aufständen unter Ludwig XI. dazu Anlass, die bisherigen Forschungsergebnisse zu hinterfragen: »Ce nombre, à lui seul, permet de mettre à bas l’idée du accord parfait qui aurait existé entre le roi et ses villes entre 1440 et 1540« (S. 32).

Die genannte Chronologie umfasst jedoch völlig unterschiedliche Perioden der französischen Stadtgeschichte. Es könnte sinnvoll sein, die zitierte Periodisierung stärker zu differenzieren: In Zeiten der unmittelbaren militärischen Bedrohung während des Hundertjährigen Krieges und der Abwehr gegen den äußeren Feind stellten sich teilweise mögliche gemeinsame königliche und städtische Interessen anders dar, als in Zeiten des Wiederaufbaus und der inneren Aussöhnung nach Ende dieses großen Konflikts oder während starker innerfranzösischer Interessengegensätze zwischen König und Fürsten, wie der Ligue du Bien publique (1465), der Praguerie etc. Es gab auch, im Unterschied zu anderen europäischen Königreichen und besonders zum mittelalterlichen Reich nördlich der Alpen, in Frankreich Faktoren, die dazu beitrugen, eine stärkere Verbindung zwischen königlichen Amtsträgern und städtischen Eliten herbeizuführen: Nach Revolten setzte Ludwig XI. Vertrauensleute in Städten ein, indem er, wenn auch oft nur punktuell, in die Zusammensetzung der Stadtregierungen eingriff. Städtische Eliten wurden von den Karrierechancen in den großen königlichen Institutionen (Parlement[s], chambres des comptes etc.) stark angezogen, was zu Seitenwechseln führen konnte. Wie die Untersuchungen Neithard Bulsts zeigen, waren zahlreiche städtische Vertreter auf den États généraux königliche Amtsträger.

Die sehr gut dokumentierte Studie stützt sich auf umfangreiche Archivstudien und spricht eine Vielzahl unterschiedlicher Aspekte im Zusammenhang mit städtischen Revolten an: die Terminologie von Revolten und königlicher Repression; unterschiedliche Methoden der Kriminalisierung und juristischen Erfassung, der Untersuchung und der oft exemplarischen Bestrafung von Revolten; die Rolle und das soziale Profil königlicher commissaires; Strategien der Städte zur Verringerung der Strafen; die Rolle und Herkunft von Vermittlern zwischen Stadt und König; die Bedeutung von Experten; die Verstärkung königlicher Kontrolle durch den Bau von Festungen; die Struktur städtischer Eliten und ihren Umgang mit Machtwechseln; Folgen von Belagerungen; paysages sonores; die im Vergleich zu anderen Herrschern geringere Bedeutung von Unterwerfungsritualen; symbolische Bestrafungen; der teilweise bewusste Verzicht auf harte Repressionen usw.

Besonders im Vordergrund stehen Fallbeispiele aus Bourges, Reims, Angers, Arras/Franchise, Dijon, Perpignan, Dole und Beaune. Einige dieser Städte erlebten mehrere Revolten, die zu Strafmaßnahmen ganz unterschiedlicher Intensität führten, die stark politischen und geostrategischen Motiven gehorchten. Neu annektierte Städte, bei denen das Risiko einer Rückkehr zu ihrem angestammten Herrn bestand und die ihre Revolte über die Treue zu diesem Herrn legitimierten, wurden härter bestraft. In Arras sollte die ursprüngliche Bevölkerung durch Kolonisten aus ganz Frankreich ersetzt werden und sogar der Stadtname zugunsten von »Franchise« verschwinden. Dole wurde zerstört und verlor seine Institutionen, Parlement und Universität. Perpignan sollte von der Rückkehr zum König von Aragón abgehalten werden.

Die Einbeziehung solcher Städte in Grenzgebieten, besonders die Untersuchung der Fallbeispiele Dole und Perpignan und die Verweise auf andere Städte wie Cambrai und kleinere Städte in der Franche-Comté, die bisher weniger im Blickpunkt der Forschung standen, gehört zu den besonderen Verdiensten der Studie. Insgesamt gesehen handelt es sich um ein sehr wichtiges Buch, das, auch durch die Formulierung kontrovers diskutierbarer Thesen, zahlreiche vertiefenswerte Diskussionsanstöße gibt. Dazu gehören beispielsweise auch die stärkere Einbeziehung von Elementen des Vertrags und Konsenses (S. 35), die These von einer durchgängig kohärenten, pragmatischen Repressionspolitik Ludwigs und die Diskussion über eventuelle Besonderheiten der französischen Städte (die sich, besonders bei tiefergehenden Vergleichen mit politisch sehr eigenständig agierenden Städten wie Barcelona, italienischen Stadtstaaten oder deutschen freien und Reichsstädten wahrscheinlich stärker zeigen würden).

Zitationsempfehlung/Pour citer cet article:

Gisela Naegle, Rezension von/compte rendu de: Adrien Carbonnet, Louis XI et les villes en révolte (1461–1483), Paris (Classiques Garnier) 2023, 674 p. (Bibliothèque d’histoire médiévale, 33), ISBN 978-2-406-14353-6, EUR 48,00., in: Francia-Recensio 2023/3, Mittelalter – Moyen Âge (500–1500), DOI: https://doi.org/10.11588/frrec.2023.3.99790